ASCHAFFENBURG. (hpd) Ihr „Ferkelbuch" sorgte für Furore und wurde über Wochen hinweg in den Medien kontrovers diskutiert. Nun hat das Team Schmidt-Salomon/Nyncke ein weiteres Kinderbuch veröffentlicht. Es heißt „Die Geschichte vom frechen Hund" und richtet sich an die jüngsten Leserinnen und Leser.
Im Unterschied zu „Wo bitte geht's zu Gott? fragte das kleine Ferkel" haben die Autoren diesmal auf religionskritische Attacken verzichtet. Stattdessen legen sie mit der „Geschichte vom frechen Hund" eine liebevolle Einführung in die evolutionäre Ethik für Drei- bis Fünfjährige vor.
Mit dem Autor Michael Schmidt-Salomon sprach hpd über Wertevermittlung, Provokation und den Spaß, Erwartungen zu enttäuschen.
hpd: Um was geht es denn im „frechen Hund"?
Michael Schmidt-Salomon: Wie der Titel schon sagt: Es geht in dem Buch um einen richtig frechen Hund, der großes Vergnügen daran findet, andere zu beißen. Doch eines Tages fällt er in ein tiefes Loch, aus dem er aus eigener Kraft nicht herauskommt. Da entdeckt er, wie wichtig es ist, Freunde zu haben, und warum es klug ist, freundlich zu sein.
hpd: Im Vergleich zum „Ferkelbuch" kommt der „freche Hund" recht brav daher. Nach dem Erfolg des kleinen Ferkels hätten viele wohl erwartet, dass Sie nochmal in dieselbe Kerbe schlagen. Stattdessen verzichten Sie völlig auf die Thematisierung von Religion - zeigt die teilweise sehr heftige Kritik am „Ferkelbuch" da Wirkung?
Schmidt-Salomon: Ich stehe natürlich weiterhin voll hinter dem kleinen Ferkel. Gerade die Kritik zeigte ja, wie notwendig das „Ferkelbuch" war und ist. Nur wäre es doch ziemlich langweilig, das Gleiche jetzt noch einmal zu wiederholen. In gewisser Hinsicht kann man den frechen Hund übrigens durchaus als Reaktion auf den „Ferkelbuch"-Skandal verstehen. Ein häufig erhobener Vorwurf gegen uns lautete, wir wollten mit unserem Plädoyer für ein „Leben ohne Gott" bloß für eine „sturmfreie Bude" sorgen. Der Slogan „Heidenspaß statt Höllenqual" wurde so interpretiert, als ob wir nur ordentlich im Diesseits abfeiern wollten, ohne uns auch nur einen Deut um ethische Werte zu scheren. Doch das ist natürlich kolossaler Unsinn! Ein aufgeklärter Hedonismus widerspricht keineswegs dem Streben nach einem von ethischen Werten geleiteten Zusammenleben der Menschen auf diesem Staubkorn im Weltall. Das hatte ich zwar schon im „Manifest des evolutionären Humanismus" formuliert, aber die Geschichte vom frechen Hund macht dies nun auf eine sehr einfache, für Kindergartenkinder nachvollziehbare Weise deutlich und deshalb hatten wir uns entschlossen, auf das „kleine Ferkel" den „frechen Hund" folgen zu lassen.
hpd: Ist der „freche Hund" dann gewissermaßen die Fortsetzung von Religionskritik mit anderen Mitteln?
Schmidt-Salomon: Wenn man so will, ja. Nach den Erfahrungen des Ferkelbuchskandals lag es nahe, den frechen Hund genau jetzt zu publizieren, im Grunde jedoch ist die Geschichte vom frechen Hund ein gutes Stück älter als die Geschichte vom kleinen Ferkel. Es handelt sich um eine der Geschichten, die ich vor einigen Jahren meinem kleinen Sohn abends am Bett erzählte. Die meisten Kinderbücher haben ihn damals schrecklich gelangweilt, also musste ich mir selbst irgendwelche Geschichten für ihn einfallen lassen. Die Geschichte vom frechen Hund hat ihm dabei besonders gefallen und auch andere Kinder waren davon sehr angetan, so dass ich sie immer wieder vortragen musste. Ich habe die kurze Erzählung dann irgendwann einmal aufgeschrieben, damit auch andere Erwachsene den „Dienst am Bett" versehen konnten. Für die Buchversion haben wir die Geschichte nur minimal abgeändert. Gänzlich neu hinzugekommen sind natürlich Helges wunderbare Zeichnungen. Die haben meinem Kleinen sehr gut gefallen und er musste bei der Betrachtung des Buchs auch häufig lachen, obwohl er heute mit seinen mittlerweile sieben Jahren eigentlich schon zu groß für das Buch ist...
hpd: Findet sich die grundlegende Botschaft des Buchs, nämlich dass es sich auszahlt, mit anderen anständig umzugehen, nicht in vielen Kinderbüchern?
Schmidt-Salomon: Das könnte man meinen, ist aber nicht so. Das Problem ist, dass die meisten pädagogischen Bücher keinen Witz haben und die witzigen Bücher oftmals keinen pädagogischen Gehalt. Manche pädagogisch angelegten Bücher kommen einfach schrecklich moralisch daher, in dem Sinne: „Wenn du ein guter, oder gar gottgefälliger, Mensch sein willst, dann handle so und so!" Der freche Hund handelt aber nicht ethisch, weil er sich vorgegebenen Vorstellungen von Gut und Böse unterwirft, sondern weil er einsieht, dass es sich einfach besser leben lässt, wenn man die Bedürfnisse der Anderen berücksichtigt. Es gibt nur wenige Bücher, die eine solche Botschaft konsequent transportieren.
hpd: Eine Parallele zu dem Kinderbuch-Bestseller „Der Regenbogenfisch" lässt sich aber doch feststellen...
Schmidt-Salomon: Ja, der Regenbogenfisch stand auch in unserem Bücherregal. Mein Sohn hat sich das Buch vielleicht dreimal angeschaut, dann war es vorbei. Die Geschichte des Regenbogenfischs war einfach nicht spannend und komisch genug, um ihn längere Zeit zu fesseln. Und es gab auch keine „Refrains" wie beim frechen Hund, bei denen er selbst mitmachen konnte. Außerdem kam auch die Botschaft des Regenbogenfischs nicht so gut bei ihm an. Dass es blöd ist, sich auf Schönheit etwas einzubilden, verstand er schon. Auch, dass es richtig ist, mit anderen zu teilen. Aber warum um alles in der Welt sollte der Regenbogenfisch all seine prächtigen Schuppen abgeben, um dadurch Freunde zu finden? Irgendwie störte es ihn, dass der Regenbogenfisch am Schluss genau so aussah wie alle anderen Fische auch. Und damit hatte er, wie ich meine, völlig Recht! Denn warum sollte der Regenbogenfisch oder irgendjemand anderes seine Individualität, seine Besonderheit, aufgeben, nur um den anderen zu gefallen? Dahinter steckt meines Erachtens eine durchaus bedenkliche Normierungsdoktrin, die alle Besonderheiten wegretuschiert. Im Unterschied zum Regenbogenfisch ist der freche Hund am Ende der Geschichte immer noch ein frecher Hund, er ist bloß nicht mehr so fies und rücksichtslos wie am Anfang. Er hat eingesehen, dass es schöner ist, mit anderen zu spielen, als sie mit wildem Biss zu vertreiben. Dadurch ist er aber keineswegs zahnlos geworden. Im Gegenteil! Der freche Hund jagt weiterhin den „fetten Kater von Metzger Kumke", der den anderen immer die Bonbons klaut...
hpd: Was ist an dem Buch denn nun spezifisch säkular?
Schmidt-Salomon: Nun, das Buch ist schon allein deshalb säkular, weil Gott und Religion darin nicht vorkommen. Wir sollten die Religionen auf keinen Fall wichtiger nehmen, als sie sind. Atheisten neigen ohnehin dazu, zu viel über Gott zu sprechen. Der freche Hund macht klar, dass Werte nicht vom Himmel fallen, sondern ganz profan im sozialen Miteinander von Individuen entstehen. Dies ist eine der zentralen Erkenntnisse der evolutionären Ethik, hier herunter gebrochen auf ein Format, das für Kindergartenkinder verständlich ist. Ja, ich meine, der freche Hund ist sogar so einfach gehalten, dass selbst der Regensburger Bischof Müller, der vom kleinen Ferkel offensichtlich überfordert war, die Botschaft des Buchs möglicherweise erfassen könnte...
hpd: Könnte der Verzicht auf Provokation nicht viele Fans von Ferkel & Igel enttäuschen?
Schmidt-Salomon: Möglicherweise ist das so, aber Ent-Täuschung ist ja im Grunde etwas sehr Positives! Wer meint, wir hätten tatsächlich nichts anderes zu tun, als religiöse Menschen oder Institutionen zu provozieren, der unterschätzt die Bandbreite des Humanismus. Humanismus erschöpft sich ja keineswegs in der Religionskritik, es gilt vielmehr, eine positive Alternative zu entwickeln und das Zusammenleben der Menschen freier, sinnfreudiger, gerechter, kurzum: humaner zu gestalten. Und in dieser Hinsicht kann der freche Hund durchaus eine kleine Handreichung für nette Eltern und Kinder sein. Das Buch zeigt auf, dass wir keineswegs auf die traditionellen Konzepte von Schuld und Sühne zurückgreifen müssen, um ethische Werte zu vermitteln. Nebenbei: Als kleines Entgegenkommen an die Ferkelfreunde hat Helge Ferkelchen und Igelchen in das Bild aufgenommen, das die neuen Spielgefährten des frechen Hundes zeigt...
hpd: Haben Sie Ministerin von der Leyen und Bischof Gerhard Müller schon ein Exemplar geschickt?
Schmidt-Salomon: Nein, aber das ist eine sehr gute Idee! Ich werde den Verlag gleich einmal dahingehend informieren. Vielleicht mag Frau von der Leyen das Buch ja als Lektüreempfehlung in ihr „Bündnis für Erziehung" aufnehmen. Wenn es darum gehen soll, „wertegestützte Orientierung zu vermitteln", wäre der freche Hund doch ein hervorragendes Instrument ...
hpd: Dann findet der Kinderbuchautor Michael Schmidt-Salomon am Ende noch seinen Weg in die Bibliotheken der katholischen Kindergärten...
Schmidt-Salomon: Das wäre doch schön! Ich würde mich darüber freuen. Die Geschichte vom frechen Hund dürfte jedem Kind gefallen, gleich aus welcher Herkunftsfamilie es stammt. Deshalb ist der freche Hund auch das ideale Präsent für diejenigen, die sich nicht trauten, das kleine Ferkel zu verschenken. Mit dem frechen Hund kann man eigentlich gar nichts falsch machen. Es ist eine schöne, humorvolle Geschichte, die Kindern Spaß macht und ihnen hilft, die Bedürfnisse Anderer stärker zu berücksichtigen.
hpd: Es gibt Gerüchte, Sie arbeiten an einem weiteren Kinderbuch...
Schmidt-Salomon: Ja, der Text ist auch schon fertig geschrieben, Helge arbeitet zurzeit an den Zeichnungen. Der Nachfolger von Ferkel und Hund soll im Februar 2009 zu Darwins 200. Geburtstag erscheinen und hat den Titel „Susi Neunmalklug erklärt die Evolution". Dieses Comicbuch richtet sich an etwas größere Kinder, so im Alter von 8-88 Jahren. Susi Neunmalklug ist ein etwa 10-jähriges Mädchen, die nicht nur neunmal, sondern zehnmal, ja sogar hundertmal klüger ist als alle Menschen in ihrer Umgebung. Sie ist sozusagen eine „Superheldin des Geistes". Normalerweise allerdings versteckt Susi ihre Superkräfte, doch wenn man ihr etwas richtig abgrundtief Dummes erzählt, kann sie sich einfach nicht zurückhalten. So war es auch, als ihr Lehrer eines Tages in die Klasse kam und eine gar seltsame Geschichte über die Entstehung der Welt zum Besten gab...
hpd: Dann ist Susi Neunmalklug offenbar wieder enger mit dem kleinen Ferkel verwandt als der brave „freche Hund"...
Schmidt-Salomon: Ja, Susi könnte durchaus ein Aufreger werden. Von einem zehnjährigen Mädchen derart vorgeführt zu werden, könnte einige Schöpfungsgläubige schon verärgern. Nun, wir werden im nächsten Jahr sehen, wie das religiöse Establishment auf die Susi-Provokation reagiert. Jetzt erst einmal hoffe ich, dass die Geschichte vom frechen Hund den Weg in die Kinderzimmer findet, denn sie ist nicht zuletzt dank der tollen Zeichnungen von Helge Nyncke ein ganz entzückendes Kinderbuch geworden. „Papa", hat mein Sohn vor wenigen Tagen gesagt, „wenn ich einmal groß bin, dann lese ich meinen Kindern den frechen Hund auch vor." Das war ein sehr schönes Kompliment. Und schon allein dafür hat es sich gelohnt, dieses nette, kleine Büchlein zu machen...
hpd: Ich danke für das Gespräch.
Die Fragen stellte Martin Bauer.
Die "Geschichte vom frechen Hund" ist auch im denkladen erhältlich.