Die sich selbst belügen

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Messestand / Fotos: Christoph Baumgarten

WIEN. (hpd) Das Milliarden­geschäft Esoterik macht auch vor Wien nicht halt. Die Szene feierte sich am Wochen­ende selbst, bei den Wiener Esoterik­tagen. Von „Wasserbelebung“ über Tarot­karten und dubiose Heilungs­methoden war alles vertreten. Mit Unter­stützung der Wiener Skeptiker hat hpd-Korrespondent Christoph Baumgarten das Treiben beobachtet. Und sich auf ein schmerz­haftes Selbst­experiment eingelassen.

Immer wieder drückt Nenad Janjetovic auf einen Lymph­knoten unter meiner Achsel. Ich schreie vor Schmerzen. Ich spüre, wie sich Schweiß­tropfen auf meiner Stirn formen. Ich liege mehr oder weniger hilflos auf meinem Bauch auf einer Massage-Liege. „Siehst du, die ganze negative Energie, die sich dort aufgeladen hat“, sagt der kroatische Übersetzer. „Er berührt dich nur sanft mit dem kleinen Finger“. Das ist mehr fürs Publikum gedacht, das in Trauben um den Stand des selbst ernannten Magisters der Volks­medizin steht.

Macht das Janjetovic Spaß?

Unter meinem T-Shirt drückt Janjetovic so fest er kann. Sofern ich unter diesen Schmerzen überhaupt eines Gedankens fähig bin, ist es der, dass ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass es Janjetovic Spaß macht, wenn sich Menschen unter ihm vor Schmerzen winden.

Beispielbild
Selbstversuch / Foto: Anna Kauk
Schmerzen sind gut im Parallel-Universum des bosnischen „Volksmediziners“. Die lassen seiner Meinung nach irgendeine negative Energie raus, lösen „blockierte Chakren“. Irgendwie hilft das, den „geistigen Körper“ mit dem „physischen Körper“ in „Einklang“ zu bringen, heißt es in der Broschüre. Was auch immer das heißen mag.

Als ich kaum mehr kann, heißt er mich, aufzustehen. Füße in die Schuhe. Leicht in die Knie gehen. Augen zu. Die Berührungen des Meisters werden sanfter. Ein Arm hält mich, mit dem zweiten drückt er mich rückwärts nach unten. An einem Nebenstand trommelt jemand heftig, auf der Suche nach einem „Spirit“. Ich höre den Über­setzer mit dem Publikum reden. „Das ist der Stress in seiner Arbeit, der sich jahre­lang angesammelt hat. Der Beziehungs­stress auch. Das muss raus.“ Ich kann nur vermuten, dass er sich auf mich bezieht.

Die langsame Gymnastik ist deutlich besser als die Malträtierung von davor. Ich entspanne mich ein wenig. Kein Wunder. Im Moment fügt mir niemand mehr große Schmerzen zu.

Ich habe Schmerzen, die ich vorher nicht hatte

„Wie fühlen sie sich“, fragt eine Mitt-Fünfzigerin. Erschöpft, sage ich wahrheits­gemäß. Und leicht des­orientiert nach dem Hin und Her mit geschlossenen Augen. Ich will nur weg. „Hat es gewirkt?“ „Man muss schon daran glauben, dass es funktioniert“, formuliere ich so neutral wie möglich. Ich möchte mich offen gestanden nicht auch noch auf eine Diskussion mit dem kroatischen Über­setzer oder der bayerischen Stand­betreuerin des „Volks­mediziners“ einlassen.

Ich habe Schmerzen, die ich vorher nicht hatte. Mein unterer Rücken ist verspannt. Die Stelle unter der Achsel wird auch am nächsten Tag schmerzen, wenn ich telefoniere. Ich bin nicht der einzige, dem es so geht. Eine Wienerin Mitte Vierzig seufzt nach der Behandlung: „Ich fühle mich wie ein neuer Mensch. Keine Schmerzen mehr, ein Wahnsinn. Jetzt brauch ich aber einen Schluck Wasser.“ Sie hinkt von dannen. Jede ihrer verkrampften Bewegungen schreit: „Mir tut alles weh“. Der Begriff kognitive Dissonanz bekommt eine neue Dimension für mich.

Die Freude, wenn wem was weh tut

Nicht viel anders Rosi aus Wien (Name von der Red. geändert, Anm.). Die 59-Jährige hat zwei künstliche Hüft­gelenke. Das sieht man bei jedem Schritt. Vor allem nach der Behandlung. Auch sie will keine Schmerzen mehr haben. Eine weitere Wienerin, etwa gleichaltrig, zeigt sich ebenfalls begeistert. Und klagt über einen stechenden Schmerz am Ansatz ihres Brust­beins. Janjetovic hat dort herum­gedrückt. „Das ist gut, das arbeitet weiter. Dann kommt die ganze schlechte Energie raus“, freut sich eine Freundin von ihr über die Beschwerden.

Irgendwo am Rande des Stadthallengeländes

Wer ein diffuses Problem hat mit der Welt als solcher, darf sich an diesem Wochen­ende in der Wiener Stadt­halle zuhause fühlen. Die Esoterik-Tage residieren hier. Wobei, Stadt­halle erscheint etwas über­trieben. Gerade eine kleine Halle am Rande des Stadt­hallen­geländes haben die Veran­stalter halbwegs voll bekommen. Ganz ist es nicht gelungen. Hinter dem Bücherstand haben die Veranstalter, die Münchner „ESO Team GmbH“ eine leere Fläche hinter Vor­hängen verborgen. Viele Anbieter kommen aus Deutsch­land.

Hier ist alles vertreten, womit sich irgendwie Geld an Menschen verdienen kann, die sich von der Wirklich­keit überfordert fühlen. Es gibt mehrere Stände fürs Hand­lesen und Tarot-Karten. Zum Pauschal­preis oder für einen Euro die Minute bei „Madame Christal“, „Madam Chantal“ und Co. Ein Messe­spezialpreis, heißt es. (Zur Arbeitsweise von Handleserinnen gibt es hier eine Reportage.) Esotainment hat eben seinen Preis.

Die Heilpraktikerin Manuela Hollmann aus Nürnberg sieht sich als eines der Highlights der Messe. Sie ist „eine der 63 besten Wahr­sagerinnen Deutschlands“. Dazwischen Glücks­steine- und Amulette, Engels­figuren verweisen darauf, dass sich in den Augen Vieler Esoterik und Christen­tum durchaus vereinbaren lassen. Wem das nicht reicht, der kann auch spiritistische Sitzungen buchen.

Diverse buddhistische Sekten sind vertreten. Eine sagt, sie seien der moderne Buddhismus, der auf die Bedürfnisse der heutigen Menschen zuge­schnitten sei. „Es ist nicht verboten, Erfolg zu haben“. Als ein Besucher nachfragt, wie sich die Beziehung mit dem Dalai Lama gestalte, wird ihm die Auskunft erteilt, der Guru stehe höher als der Dalai Lama. Scientology ist auch da und will ein japanisches Konzept zur „Wasserbelebung“ an den Mann und vor allem die hier deutlich in der Mehrzahl befindlichen Frau bringen.

Wo sind die Homöopathen?

Der größte Sektor ist die Gesundheit. Neben Janjetovic, der die unum­strittene Attraktion der Messe ist, finden sich die unver­meidlichen ätherischen Öle, die Sechser-Box um 50 Euro, Kräuter­mischungen, inklusive einer Slip­einlage für Regel­beschwerden. Ein bayerischer Stand­inhaber zeigt uns stolz seine Akupunktur­bällchen. Energetiker gibt es sonder Zahl. Die ersetzen die Heil­praktiker, die in Österreich verboten sind. Die Kristall­heilungen nach Joao de Desus dürfen nicht fehlen. Wer meint, zu viel Geld zu haben, ist hier im Paradies.

Nur die Homöopathen fehlen seltsamer­weise. Zum Ausgleich ist im Eingangs­bereich ein Stapel Hefte der Nummer 14/2012 der Zeitschrift „Magazin 2000plus“ zur freien Entnahme aufgelegt. Titel: „Medizin. Grundlagen der Homöopathie“. Gleich daneben verrät ein Magazin der „Kryon University“ „Die Wahrheit der Seele“.

Wo Esoterik ist, ist der braune Sumpf nicht weit

Ein Heft in unmittel­barer Nachbar­schaft verweist auf die ideo­logischen Wurzeln vieler Richtungen, die an diesem Wochen­ende in Wien vertreten sind: „Das Deutsche Reich EXISTIERT“ heißt es in einer weiteren Ausgabe von „Magazin 2000plus“. Reichs­kanzler Dr. jur. h. c. Wolfgang Gerhard Günter Ebel darf dort seine Rede abdrucken lassen. Die Satz­ungetüme erstrecken sich mitunter über ganze Absätze und sind so verschach­telt, dass man getrost bezweifeln darf, dass irgendjemand diese Rede vortragen konnte ohne ernsthafte gesund­heitliche Schäden davon­zutragen. Reichs­bank­präsident Volker Ludwig warnt amtlich – wovor auch immer. Das dafür in Fraktur.

Dass die Eso-Szene nicht daran denkt, sich vom braunen Sumpf abzugrenzen, erfährt man auch am Bücher­stand. Nazi-Autor Jan van Helsing hat deutlich mehr Bücher aufliegen als der Dalai Lama. Die Begeisterung der Szene für den tibetischen Gott und Ex-König scheint mittler­weile etwas abgeflaut, wie auch Colin Goldner konstatiert. Damit man nicht ganz verzweifelt, verkündet ein Buch, Hitler habe in Argentinien überlebt.

Ein Spaltprodukt der Theosophen

Auch die Bewegung um den „Weltenlehrer“ Maitreya hat Berührungs­punkte zum rechts­extremen Okkultismus. Die Theosophen-Abspaltung hat einen eigenen Stand und darf mehrere Vorträge beschicken. Der Vortragende wirkt leicht überfordert bei dem Versuch, die Behauptungen von Guru Benjamin Creme halbwegs verständlich zu vermitteln. „Bald wird er weltweit live im Fernsehen sein. Jeder wird ihn hören, es wird Heilungen geben etc. Wir sollen teilen und die Erde retten, doch werden wir das?“ Irgendwie ja „ und es macht ihn froh. Wir werden uns der Ätherischen Ebenen bewusst, die nur Eingeweihte wahrnehmen können. Übrigens hat das alles irgendwie damit zu tun, dass wir ins Wassermann-Zeitalter eintreten. Momentan ist alles 60% Fischeenergie, 40% Wassermannenergie.“

Irgendwie hat das auch mit Ufos zu tun. Und die bösen Medien sind schuld, dass die Mensch­heit nichts von ihrem Retter Maitreya erfahren hat. Die weigern sich sogar, nach ihm zu suchen, wenn es ihnen ein Benjamin Creme befiehlt.

Anna Kauk und Christian Schwarz von den Skeptikern hören sich den Vortrag ebenfalls an und schreiben mit. (Dieser Teil der Reportage stützt sich maßgeblich auf diese Notizen.)

Rassismus? Ignorieren wir einfach

Die Theosophie und die Maitreya-Bewegung beruft sich explizit auf Helena Blavatsky, die Begründerin der Theosophie. Ein wesentlicher Bestandteil dieser okkulten Bewegung ist die „Wurzelrassenlehre“. Sie hat gemeinsam mit anderen esoterischen Vor­stellungen wie der verwandten Ariosophie prägend auf das Welt­bild von Heinrich Himmler und Rudolf Heß eingewirkt.

Bis heute ist Blavatsky die Säulen­heilige faschistischer und rassistischer Esoterik-Bewegungen. Auf Nachfrage bestreiten der Vortragende und eine Unter­stützerin vehement, dass das irgendetwas mit Rassismus zu tun habe. Blavatsky sei Eingeweihte der zweiten Stufe gewesen, man solle das nicht so wörtlich nehmen. Außerdem stehe in Blavatskys Werken nichts Rassistisches.

Erinnerungen an vergangene Leben

Heute müssen Raucher nicht leiden. Die Raucher­zone im Freien liegt in der warmen Frühlings­sonne. Ein gutes halbes Dutzend von Frauen jenseits der 50 steht hier. Sie umringen einen etwas jüngeren Mann aus Leopolds­dorf an der Wiener Stadt­grenze. Er macht nach eigenen Angaben „Rückführungen“. Das sind „Erinnerungen an vergangene Leben“.

Rosi mit den zwei künstlichen Hüften zeigt sich sehr interessiert. „Ich bin schon bis zu meiner Geburt zurückgegangen“, erzählt sie dem „Rückführer“ stolz. „Aber weiter bisher nicht“. Man tauscht Kontakt­daten aus. Irgendwie weiß Rosi trotzdem, dass sie früher „eine Kräuterhexe“ gewesen ist. „Ich hab mich aber nicht bereichert.“ Das ziehe sich durch bis in ihr heutiges Leben. „Ich bin der Prellbock für die Familie. Allen geht es gut, nur ich hab die Arschkarte gezogen. Aber dadurch halt ich auch viel von ihnen ab.“

Christian Schwarz wird später ätzen: „Interessant ist, dass immer alle mächtige oder interessante Menschen waren. Ich möchte einmal eine Rückführung sehen, wo jemand Kutscher war.“

Frühere Leben lösen Krebs aus

Rosi ist überzeugt, dass frühere Leben einen Einfluss auf das heutige haben. „Ich beschäftige mich intensiv damit und lass keine Fernseh­sendung dazu aus. Da gab’s die eine aus England, wo die Frau dann vor ihrem eigenen Grabstein gestanden ist“, sagt sie dem „Rückführer“ und wirft ihre Zigarette zu Boden. Wenn man die Konflikte aus dem früheren Leben lösen kann, sagen beide, geht’s einem bald besser.

Ursula Christine Lechner, nach Eigenangaben ebenfalls „Rückführerin“ behauptet sogar, frühere Leben würden Krebs auslösen. „Ich weiß ich habe Krebs, aber ich habe es mir selber erschaffen, um meine Täterrolle (in einem früheren Leben, Anm.) zu heilen.“ Und irgendwann werden alle wieder zu Licht­wesen, die sie früher mal waren. Jetzt, in der fünften Dimension, ginge das überhaupt einfacher, sagt sie in ihrem Vortrag.

Rosi, die Eso-Shopperin

Ob ihr Kollege das auch glaubt, gelingt uns nicht in Erfahrung zu bringen. Dafür erfahren wir, dass sich Rosi seit neun Jahren intensiv mit so ziemlich allem aus­einander­setzt, was die Eso-Szene zu bieten hat. Auslöser dürfte die Scheidung gewesen sein.

„Nach dem 50er hab ich begonnen, mich zu interessieren“, erzählt sie. Sie macht Reiki gegen die Beschwerden mit den Hüften, eine Familien­aufstellung hat sie auch gemacht. Dazu die „Behandlung“ bei Janjetovic. Eine „Rückführung“ dürfte das nächste Projekt sein. Kosten pro Sitzung: Zwischen 180 und 220 Euro, sagt der „Rückführer“. Dafür kriegt man auch eine DVD von der Sitzung.

25 Milliarden Umsatz in Deutschland

Eso-Shopper wie Rosi sind keine Seltenheit. Sie sind das finanzielle Rückgrat der Szene, die allein in Deutschland bis zu 25 Milliarden Euro im Jahr umsetzt. Für Österreich gibt es keine Zahlen.

In etwas milderer Form trifft das auch auf zwei Wienerinnen zu, die sich bei einem Käse­weckerl vom Vortrag „Abnehmen einfach gemacht“ erholen. Sie zeigen sich enttäuscht vom Vortragenden Johann Renz. Der biete nur Allgemein­plätze wie mehr Bewegung und weniger Fleisch.

Hauptsache nicht die Pharmalobby

Diese – wenig spirituellen – Ratschläge reichen den Wienerinnen nicht. Bei diversen Messen nehmen sie gerne Gesund­heits­angebote in Anspruch, erzählen sie. Oder was sich als solches ausgibt. Auch Meridian­ermittlung sei schon dabei gewesen. Das übrigens nicht auf einer Esoterik­messe sondern einer normalen Gesund­heits­messe vor wenigen Monaten in Wien. Was sich als „alternative Medizin“ präsentiert, darf sich hoher gesellschaftlicher Akzeptanz erfreuen. Wie plausibel die Konzepte sind, interessiert niemanden. Hauptsache, keine ach so böse Pharmalobby.

Die Grenzen lösen sich in Beliebigkeit auf

Hier auf den Esoterik­tagen dürfen die Klassiker der Hokus-Pokus-Medizin nicht fehlen. Hildegard Matheika aus Mönchen­gladbach, nach Eigen­einschätzung Expertin für so ziemlich alles, bietet Lourdes-Wasser in stil­sicheren Flaschen in Marien­form zum Verkauf an. Zumindest prinzipiell. Wie viel das Fläschchen kostet, können wir nicht in Erfahrung bringen. Matheika hält einen Vortrag und hat den Stand offenbar unbe­aufsichtigt gelassen. Reichlich viel Vertrauens­seligkeit auf einer Esoterik­messe.

Matheika steht dafür, dass sich traditionelle Grenzen der Esoterik in die Beliebig­keit auflösen. Bei ihr gibt’s buddhistische Weihen genauso wie Reinkarnations­beratung, Auflösung von schwarzer Magie wie Pilger­reisen nach Lourdes. Reiki und Tarot verstehen sich bei der Palette von selbst.

Engel im Messe-Sonderangebot

Auch das „Angeloscop“ ein paar Stände weiter wirkt etwas eigen­willig zusammen­geflickt. Christliche und jüdische Mystik scheinen unmotiviert ineinander zu fließen, ange­reichert mit Versatz­stücken von Theosophie und Co. Hauptsache, es klingt gut. Die Verkäuferin Mitte 50 preist mit hörbarem bayrischem Akzent die Ware an. „Auf Basis der jüdischen Kabbala errechnen wir den Engel, den Sie in der aktuellen Lebens­phase brauchen“, rattert sie aufgeregt herunter. Man fragt sich, wann sie Luft holt. „Das ist also der aktuelle Engel, der Schutzengel ist ja immer der gleiche. Das machen wir mit einem Programm. Wenn Sie das jetzt kaufen, kostet es nur 10 Euro, wenn Sie’s im Internet später haben wollen, zahlen Sie 50 Euro.“

Anna Kauk von den Skeptikern platzt der Kragen. Sie ist auch seit einigen Stunden auf der Messe. „Für das, was Sie sagen, gibt’s doch keine Beweise“. „Ja, das ist für Sie so. Sie haben Ihre Meinung, ich habe meine“. „Da geht’s nicht um Meinung. Sie erzählen Dinge, die Sie einfach nicht beweisen können.“ Die Verkäuferin wendet sich düpiert ab und würdigt Kauk keines Blickes mehr.

„Ich bin nur die Verkäuferin“

Ich frage, wie bei den ganzen Engeln die Kabbala ins Spiel kommt. „Naja, weil da die Zahl auch einen Buch­staben­wert hat. So kann man das genau berechnen.“ „Wie die Kabbala funktioniert, ist mir klar. Was mich überrascht ist, dass gerade bei Ihnen die jüdische Mystik dabei ist. Sie sind ja sicher eine Goy.“ Ratloser Blick. „Ich meine, eine Nicht-Jüdin“. „Schauen Sie, das kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten. Ich hab das Konzept nicht gemacht, das war die Margit Ilmberger.“

Sie sei nur die Verkäuferin. Auch das nur auf Messen, wie sie verrät. Die Schlachten­bummlerinnen gibt’s in der Eso-Szene offenbar nicht nur auf Kundinnen-Seite.

Akku leer, Hirn leer

Wir beschließen, die Szene sich selbst zu überlassen. Dreieinhalb Stunden unter Esoterikern haben ihre Spuren hinterlassen. Nicht nur meine Schmerzen nach der „Behandlung“ – wir fühlen uns erschöpft. Oder, wie es Christian Schwarz am Ende seiner Mitschrift formuliert: „Akku leer, Hirn leer“.

Christoph Baumgarten
Mitarbeit: Anna Kauk, Christian Schwarz