BERLIN. (hpd/dgpd) An welchen Arzt kann ich mich wenden, wenn ich ein selbstbestimmtes Ende mit ärztlicher Hilfe haben möchte? Drohen dem Hausarzt Sanktionen, wenn er mir ein entsprechendes Rezept ausstellt? Ist jedem Arzt klar, welche Pflichten er gegenüber seinen Patienten hat?
Dies und mehr waren die Fragen, die fast 200 Interessierte am Dienstag in die Technische Universität Berlin führten, um bei der DGHS-Diskussion „Selbstbestimmt sterben. Neue Ansätze für ein Umdenken in Deutschland“ dabei zu sein.
In dem Hörsaal verwies der bekannte Münchner Medizinrechtsanwalt Wolfgang Putz auf die völlig „klare Rechtslage“, die lediglich die aktive Tötung unter Strafe stellt. Jeder Patient habe „ein einklagbares Recht, wenn er zum Beispiel nicht mehr beatmet werden möchte“. In seiner Anwaltstätigkeit gebe es einen starken Anstieg von durchgeführten Suizidassistenzen, die durch ihn rechtlich abgesichert werden.
Dr. Ulrich Meyberg, der auch Mitglied des DGHS-Präsidiums ist, warb für die Einrichtung von Suizidpräventionsberatungsstellen, die dem Hilfesuchenden alle Möglichkeiten von Alternativ-Behandlungen aufzeigen sollen, aber eine wohlüberlegte Selbsttötung letztlich auch akzeptieren. Dass bereits im alltäglichen Umgang mit Sterbenden eine breite Palette von Hilfestellungen gegeben werde, betonte der Palliativmediziner Dr. Matthias Thöns aus Witten. Den meisten Patienten helfe, so Thöns, Schmerzmittel und Sedierung.
Auf die Garantenstellung des Arztes verwies der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Theodor Windhorst. Er gehe stets davon aus, dass der Patient Hilfe wünsche, aber das Selbstbestimmungsrecht und die Patientenverfügung sei zu respektieren. In seiner Region verbiete das Berufsrecht den Ärzten nicht absolut eine Assistenz beim Suizid, ebenso drohe kein Approbationsentzug, aber kein Mediziner könne dazu verpflichtet werden. Der Berliner Arzt Uwe-Christian Arnold, der aufgrund seiner Suizidbegleitungen mittlerweile Bekanntheit erlangt hat, betonte, dass viele Ärzte Repressionen durch ihre jeweilige Berufsvertretung fürchten.
Einen Ausblick auf die gesetzliche Lage im Nachbarland Belgien, in dem die Sterbehilfe als integraler Bestandteil der Palliativpflege behandelt wird, gab Professor Dr. Jan Bernheim. Auch die Tötung auf Verlangen wird dort unter Umständen nicht strafverfolgt. Ein Vorbild für Deutschland könnten die Gesetze in Belgien und auch in den Niederlanden jedoch nicht sein, widersprach der Kammervertreter. Windhorst: „Ich möchte keine holländischen Verhältnisse haben, dass Menschen entsorgt werden“.
In der Diskussion mit dem Publikum wurde deutlich, dass es vor allem die Angst vor einer entwürdigenden Situation am Lebensende ist, die den Wunsch nach einem erlösenden Rezept wachsen lasse. Zudem wollen viele Menschen sich vertrauensvoll an einen Arzt wenden können. Dass diese sich endlich zusammenschließen und an einen Tisch setzen müssen, um ihre Erfahrungen und ihr Wissen auszutauschen, nahmen die Veranstalter als Auftrag mit aus der Veranstaltung.
DGHS-Präsidentin Elke Baezner: „Die Diskussion um selbstbestimmtes Sterben ist nun endgültig aus der Grauzone heraus und wird weiter in der breiten Öffentlichkeit geführt.“
Wega Wetzel