Kirchenaustritt bedeutet Kündigung

bag_erfurt_1.jpg

BAG Erfurt / Foto: Webseite des BAG

ERFURT. (hpd) Das Bundesarbeitsgericht bestätigte in einem Urteil erneut den arbeitsrechtlichen Sonderstatus der Kirchen. Ein Austritt aus der Kirche sei ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß, der die Entlassung aus dem kirchlichen Dienst rechtfertigen könne (2 AZR 579/12).

Damit blieb der 60-jährige Sozialpädagoge aus Mannheim auch in der letzten Instanz mit der Klage gegen seine fristlose Entlassung erfolglos. Der Mann war im Jahr 2011 wegen der zahlreichen Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen aus der Kirche ausgetreten. Daraufhin wurde er von seinem Arbeitgeber, einem zur Caritas gehörenden Kinderbetreuungszentrum, fristlos gekündigt. Eine reguläre Kündigung hätte aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit des Mannes keine Aussicht auf Erfolg gehabt.

Der Pädagoge argumentierte damit, dass sein Kirchenaustritt sich sich nicht auf die Arbeit im Sozialen Zentrum auswirke, zudem würden "die Kinder dort religiös neutral betreut" werden. Das sahen jedoch die Arbeitsgerichte anders: Sein Grundrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit werde durch die Kündigung infolge des Kirchenaustrittes nicht in unzulässiger Weise eingeschränkt. Die Kirchen hätten aufgrund des sog. "Dritten Weges" die Möglichkeit, auch Mitarbeitern, die nicht in verkündender Stellung tätig sind, wegen fehlender Loyalität – die offenbar durch die formale Mitgliedschaft in einer Kirche bewiesen wird – zu entlassen. So verkündete es das Landesarbeitsgericht Stuttgart und so bestätigte es gestern das Bundesarbeitsgericht in Erfurt.

Der Zweite Senat begründete seine Entscheidung damit, dass nach kirchlichem Selbstverständnis der Kläger "Dienst am Menschen" getan und deshalb "mit seinem Austritt... die Eignung für eine Weiterbeschäftigung verloren" hätte.

Es gäbe zwar keinen absoluten Kündigungsgrund – so der Vorsitzende Richter Burghard Kreft – und es käme im Einzelnen immer auf die Interessenabwägung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer an. Im vorliegenden Fall jedoch müsse die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Klägers hinter dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zurücktreten.

Obwohl es im Artikel 137 GG heißt es: "Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes" hat auch dieses mal ein Richter bestätigt, dass aus der grundgesetzlichen Selbstverwaltung der Kirchen ein Selbstbestimmungsrecht wurde.

Die Kirchen sehen sich durch dieses Urteil bestätigt und gestärkt. Der Kläger hingegen erwägt eine Verfassungsbeschwerde.

Die Erkenntnis aus diesem Urteil ist: Wer bei kirchlichen Einrichtungen angestellt ist, für den ist es besser, zu lügen und "so zu tun, als ob", als zu seinen Überzeugungen zu stehen.

F.N.
 

Die Humanistische Union hat dazu eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der es heißt: "Johann-Albrecht Haupt sieht das Urteil des obersten deutschen Arbeitsgerichts in auffälligem Gegensatz zur neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte."