Stellt der Begriff Rasse eine reale Gefahr dar?

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Nationalversammlung am 16.Mai / Foto: s1.lemde.fr

PARIS. (hpd) Die französische Nationalversammlung verabschiedete wie erwartet am vergangenen Donnerstag den Gesetzentwurf der Linken Front (FdG), der das Wort "Rasse" aus der französischen Gesetzgebung löschen soll. Betroffen sind das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung, das Arbeitsgesetz und das Gesetz vom 29. Juli 1881 über die Freiheit der Presse.

 

Die Initiative (hpd berichtete) löste eine intensive Diskussion über die Konsequenzen aus der Verwendung des Begriffes aus. In der Diskussion argumentierte der Berichterstatter des Vorschlages, Alfred Marie-Jeanne, dass das Wort "Rasse", "das die Grundlage der schlimmsten Ideologien bildete, keinen Platz in unserer Rechtsordnung hat". Die Mehrheit der Sozialisten unterstützten zwar notwendigerweise den Vorschlag der Linken, weil Präsident Hollande während der Präsidentschafts-Kampagne sich verpflichtet hatte, es sogar aus der Verfassung zu entfernen.

Um den Vorwurf der Opposition zu entkräften, dass das Gesetz riskiert, die Kriminalisierung von Rassismus zu beseitigen, verabschiedeten die sozialistischen Abgeordneten allerdings ein Amendement. Es besagt in Artikel I ausdrücklich, dass "die Republik Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit bekämpft. Sie lehnt die Anerkennung der Existenz jeglicher angeblicher Rasse ab.“

Für die Sozialisten ist die Streichung des Wortes in der Gesetzgebung aber nur ein erster Schritt, da das Versprechen von Francois Hollande nicht bereits durch die geplante Verfassungsänderung von  22. Juli realisiert werden kann. In der Diskussion kritisiert dann auch Jean-Frédéric Poisson von der oppositionellen UMP, dass ein Entfernen des Wortes aus der Gesetzgebung ohne seine Beseitigung aus der Verfassung, ein rechtliches Problem darstelle. Sein Parteikollege, Lionel Tardy, sieht in dem Vorschlag sogar "einen Ansatz, der zu totalitären Ideologien führt" und überhaupt meinte er: "Man kann nicht die Wirklichkeit verändern, indem man die Worte ändert“.

In den Medien ist die Kommentierung des Gesetzes generell sehr nuanciert. Auf der einen Seite wird durch die meisten Autoren schon akzeptiert, dass Wörter nicht neutral sind. Das Verwenden eines Begriffes - vor allem in einem juristischen Rahmen - kann ihm eine Legitimität geben und sollte daher die Beseitigung des Wortes "Rasse" aus der Gesetzgebung erlauben. Auf der anderen Seite bestehen aber viele hinterfragende Elemente. So bedeutet es, dass in allen Kontexten, in denen das Wort erscheint, der Weg der Ablehnung von rassistischen Handlungen disqualifiziert werde. Es ist daher schwierig, daraus den Schluss zu ziehen, dass die "Rassen" existieren. Und in den meisten Texten bleiben die Wörter “Ethnie“ oder „ethnisch“ trotzdem bestehen. Was nicht anders als euphemistische Substitutionen für Rasse darstellen. Außerdem ist der Begriff in vielen anderen Ländern, wo die Rassendiskriminierung geächtet wird, nicht verboten. Und es findet sich in fast allen internationalen Konventionen über die Menschenrechte, die Diskriminierung verbieten. Einmal ratifiziert wird es so Teil des nationalen Rechtes.

Letztendlich wird das Gesetz deswegen von den meisten Kommentatoren als ein im Wesen symbolischer Akt charakterisiert. Denn es ist nicht das Vorhandensein des Wortes "Rasse" in der Gesetzgebung, das Rassismus oder gar den Glauben an die Existenz von Rassen hervorruft. Weit wichtiger ist es daher die Möglichkeiten und Mittel des Kampfes gegen den Rassismus zu erweitern.

R.M.