Neue Rubrik im Textarchiv bei fowid

BERLIN. (fowid/hpd). Unter dem Thema „Dialog der Natur- und Geisteswissenschaften“ gibt es einen neuen Themenblock bei fowid. Unter diesem Thema sollen künftig Texte veröffentlicht werden, die sich im Kant'schen Sinne mit den Natur- und Geisteswissenschaften auseinandersetzen.

Im gleichen Jahre, als der Philosoph Immanuel Kant seine Vorlesung „Anthropologie in pragmatischer Hinsicht“ veröffentlichte, erschien auch 1798 sein letztes selbst herausgegebenes Werk „Der Streit der Fakultäten“.

Die unsprünglich mehrteilige Schrift befasst sich mit der Auseinandersetzung zwischen der neueren (Philosophie) und den alten Wissenschaften (Theologie, Jurisprudenz und Medizin). Vor allem befasst er sich damit, welchen Einfluss die Wissenschaften auf Regierung und Gesellschaft haben und umgekehrt. Kant ist gegen das Nützlichkeitsdenken bei den Wissenschaften und fordert, dass sie nur der Wahrheitsfindung verpflichtet sein müssen. Seine Kritik richtet sich gegen die Praxis der Universitäten an der zeitgenössischen Praxis Forschung und Lehre bei den Geistes- und Naturwissenschaften zu zensieren oder mit politischen Vorgaben zu belegen. Kant bringt dazu Beispiele, wie zum Beispiel die Philosophie mit ihrer Geschichtsforschung der Theologie überlegen ist oder die an Freiheit orientierte Moral- und Geschichtsforschung unabhängig von den Vorgaben der Regierung an die Rechtswissenschaft zu forschen hat.

Die Kontroverse beinhaltet die Probleme der praktischen und nicht der theoretischen Vernunft. Die freie Wahrheitssuche der Philosophie stellt sich mit unabhängiger Moral gegen den Bibelglauben der Theologen, gegen die Unterstützung von Herrschenden durch Juristen und mit einer umfassenden Gesundheitslehre gegen die einfache äußerliche Verordnung von Arzneimitteln und Praktiken der Chirurgie gegen die alten Fakultäten, die unter den Richtlinien der Regierung spätere Beamte ausbilden.

Die Texte in dieser Rubrik sollen daran anknüpfen und den Dialog zwischen den Natur- und Geisteswissenschften verdeutlichen. Das Thema von Kant ist nach wie vor aktuell und führt zwar eventuell nicht mehr zum „Streit“, aber dennoch zur geistigen Auseinandersetzungen zwischen den Wissenschaften. Heutzutage droht die Wahrheitsfindung einfach dem Profitstreben von Wirtschaftsunternehmen zum Opfer zu fallen. Diese Gefahr ist nicht kleiner geworden. Es geht darum, dass Universitäten selbstbestimmt frei forschen können ohne Einflussnahme von Wirtschaft und Politik. Heute stellt sich das mitunter problematisch dar, wenn Wirtschaftsunternehmen als Sponsoren für bestimmte Wissenschaftszweige an den Universitäten, Hoch- und Fachschulen fungieren. Zum anderen sollen Natur- und Geisteswissenschaften sich gegenseitig bedingen und miteinander forschen. Einmal ermittelte Grundlagen der Erkenntnis sollten in allen Wissenschaftszweigen Anwendung finden. Das Zusammenspiel von Geistes- und Naturwissenschaften sollte zu größerem Erkenntnisgewinn führen unabhängig von Politik und Wirtschaft.

Als erste Texte in dieser Rubrik sind zwei Texte von
Dr. Gerhard Medicus (Innsbruck):

  • 1. Grundlagen der Anthropologie –Eine interdisziplinäre Wissenschaft mit biologischen Wurzeln
  • 2. Welchen Beitrag leisten die Geisteswissenschaften für den interdisziplinären Dialog zwischen den Humanwissenschaften?

und einer von Dr. Dr. Gerhard Vollmer (Neuburg) zu finden:

  • 3. Kühne Vermutungen – strenge Kritik. Lässt sich die naturwissenschaftliche Methode verallgemeinern?

Beide kennen sich im Universitätsbetrieb aus, da sie beide als Lehrkräfte tätig waren/sind.

Prof. Dr. Dr. Gerhard Vollmer war ab 1975 an der Universität Hannover tätig, lehrte ab 1981 Biophilosophie ( Universität Gießen) und von 1991 bis 2008 an der Technischen Universität Braunschweig Philosophie. Er arbeitet vorwiegend auf den Gebieten der Logik, Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, Naturphilosophie und Künstliche Intelligenz.

Für seine „herausragende Mittlerfunktion zwischen Natur- und Geisteswissenschaften“ und die  Grundlegung einer Evolutionären Erkenntnistheorie erhielt er im Jahr 2004 den Kulturpreis der Eduard Rhein-Stiftung.

Er ist Mitglied der Akademie der Naturforscher Leopoldina Halle und der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft. Außerdem ist er Mitherausgeber der Zeitschrift „Aufklärung und Kritik“ und Mitglied der Giordano Bruno Stiftung sowie im Wissenschaftsrat der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften. (Quelle: Internetpräsenz)

Dr. Gerhard Medicus ist seit 1988 Arzt für Allgemeinmedizin und seit 1994 Facharzt für Psychiatrie und Neurologie am Landes-Krankenhaus in Hall in Tirol. Zur Zeit ist er Leiter der dortigen psychiatrischen Tagesklinik.

Er ist freier Mitarbeiter in der Gruppe Human-Ethologie in der Max-Planck-Gesellschaft in Andechs und hat seit 1990 einen Lehrauftrag an der Universität Innsbruck („Einführung in die Humanethologie“). Ethologische Studienaufenthalte führten ihn seit 1994 auf die Trobriand-Inseln/Papua Neuguinea, Molukken/Indonesien, Himba/Namibia, Madagaskar und Vanuatu. Er ist  forschend und lehrend auf dem Gebiet der Humanethologie tätig. (Quelle: Internetpräsenz)

Elke Schäfer