MÜNSTER (hpd/exc) Auch innerhalb der katholischen Kirche gibt es Diskussionen über eine Demokratisierung. Der Fall des Limburger Bischofs offenbart nach Einschätzung von Politikwissenschaftler und Ex-Kultusminister Prof. Dr. Hans Maier, dass mehr Demokratie in der katholischen Kirche möglich ist.
"Das Limburger Beispiel stimmt mich positiv. Ich habe noch nie so viele Bistumsmitarbeiter und Domvikare erlebt, die offen Kritik an einem Bischof üben", sagte der Wissenschaftler in Münster.
Laien sollten dieses Risiko viel öfter eingehen. Es lohne sich. "Demokratische Verhaltensweisen haben in der Kirche jüngst an Gewicht gewonnen." Die vielfache Kritik an Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst sei "ein Stück Wahrnehmung von Grundrechten" von Laien. Viele Bischöfe hingegen übten aus Kollegialität oft kaum Kritik untereinander, obwohl diese nötig sein könne. Prof. Maier äußerte sich nach einem Vortrag am Exzellenzcluster "Religion und Politik" über "Kirche und Menschenrechte – Menschenrechte in der Kirche".
Ob Papst Franziskus eine grundlegende Kurienreform im Vatikan erreichen wird, ist dem langjährigen Präsidenten des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK) zufolge noch offen. "Zumindest ist unverkennbar, dass er persönlich kollegialer denkt als das jetzige monarchische System." Zudem werde mit Franziskus erstmals eine Kurienreform nicht von oben angegangen, sondern aus der Weltkirche heraus – "nicht vom Papst oder von einem Konzil, sondern durch einen Rat von Kardinälen aus aller Welt", unterstrich Prof. Maier. "Das ist eine kluge Entscheidung." Jeder Weg zu mehr Demokratie berge Gefahren und sei mit Angst verbunden. Das solle aber nicht maßgeblich sein.
Ziel der Kurienreform sollte dem früheren bayrischen Staatsminister zufolge die Gewaltenteilung und eine unabhängige Gerichtsbarkeit sein. "Zuvor muss das Verhältnis der vatikanischen Räte, die dem Papst Rat geben, zu den römischen Ämtern, die regieren, den Dikasterien, geklärt werden." Danach könne "ein starker Papst durchaus die Reform aus eigener Machtvollkommenheit" durchsetzen. Wenn das gelungen ist, kann nach den Worten von Prof. Maier die Kirche eine Grundrechtecharta formulieren, die ihr bislang fehle. Die Kirche fordere zwar von anderen Staaten regelmäßig die Einhaltung der Menschenrechte ein, doch im Kircheninneren falle die Bilanz weniger positiv aus: "Es sind noch zahlreiche rechtsstaatliche Defizite zu überwinden, bis die Menschenrechte als Christenrechte allgemeine Anerkennung gefunden haben."
Von der Ablehnung der Menschenrechte bis zur Anerkennung
In seinem Vortrag zeichnete der Wissenschaftler den historischen Weg der Kirche im Umgang mit den Menschenrechten nach. Er begann mit einer Zeit der "unverhohlenen Ablehnung der Menschenrechte" nach den modernen Revolutionen des 18. Jahrhunderts, gefolgt von einer Annäherungsphase ab Ende des 19. Jahrhunderts unter Papst Leo XIII. und Pius XII. "Erst im 20. Jahrhundert vollzog sich eine allmähliche Annäherung, die unter den Päpsten Johannes XXIII. und Johannes Paul II. zu einer Konvergenz von Kirche und Menschenrechtsbewegung führte – von der Anerkennung der Menschenrechte durch die Enzyklika 'Pacem in terris' auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) über die Schlussakte von Helsinki 1975 auf der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit (KSZE) bis zur Enzyklika 'Redemptor hominis' von 1979."
Der Vortrag eröffnete die internationale Konferenz "Maßstab Menschenrechte. 50 Jahre nach der Enzyklika 'Pacem in terris'". Bis Freitag wollten die Teilnehmer den Umgang der Kirche mit den Menschenrechten theologisch, ethisch, rechtlich und politikwissenschaftlich anhand exemplarischer Konfliktfelder analysieren und weiterführende Forschungsfragen entwickeln. Veranstalter sind die Sozialethiker Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins vom Exzellenzcluster "Religion und Politik" und Prof. Dr. Daniel Bogner vom Religionspädagogischen Institut in Luxemburg.
Die beiden Wissenschaftler hatten im Vorfeld ebenfalls erklärt, die Kirche solle weniger monarchisch geführt werden als bisher. Ihr Autoritätsanspruch kollidiere mit der Anerkennung der Menschenrechte durch die Kirche vor 50 Jahren. Nach außen fordere die Kirche in vielen Ländern Menschenrechte ein, innerkirchlich wende sie sie jedoch nur unzureichend an. "Es mangelt an einer Beteiligung von Laien und Frauen, an Freiheitsrechten in der Kirche und an der Anerkennung autonomer Lebensführung von Christen." Papst Franziskus habe ein Reformprogramm vorgelegt, das dem menschenrechtlichen Anspruch besser gerecht werde. "Er plädiert für eine dienende und arme Kirche, die sich der Lebensrealität der Menschen zuwendet und der Praxis Vorrang vor der Doktrin gibt." Sozialethikerin Heimbach-Steins ist Direktorin des Instituts für Christliche Sozialwissenschaft an der WWU und leitet am Exzellenzcluster das Forschungsprojekt C2-10 "Kritik von innen. Modelle sozialen Wandels in der katholischen Kirche".
vvm/F.N.