MÜNSTER. (hpd) Allen Reformsignalen des Vatikans und Neuerungen in der evangelischen Kirche zum Trotz: Der Mitgliederschwund der christlichen Kirchen in Deutschland ist auch in Zukunft nicht aufzuhalten, lautet die Prognose des Münsteraner Religionssoziologen Prof. Detlef Pollack.
"Was wird aus den christlichen Kirchen Deutschlands?" Unter diesem Titel hat das Exzellenzcluster "Religion und Politik" an der Uni Münster zusammen mit dem Centrum für Religion und Moderne (CRM) zum 8. November zahlreiche namhafte Wissenschaftler zu einem Symposium in die westfälische Universitätsstadt geladen.
Vor der Veranstaltung äußerte sich der Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack vom Exzellenzcluster auf einer Pressekonferenz in Münster zu einem Trend, der ganz sicher im Mittelpunkt des Expertengesprächs stehen wird: der seit Jahrzehnten kontinuierliche Mitgliederschwund bei den christlichen Kirchen in Deutschland. Selbst bei intensiven Reformbemühungen, prognostizierte Pollack, müssten sich die christlichen Kirchen in Deutschland auf eine Fortsetzung des Negativtrends einstellen: "Der Mitgliederschwund ist nahezu unaufhaltsam. Auch Reformsignale von Papst Franziskus und Neuerungen in den evangelischen Landeskirchen halten den Trend nicht auf." Die Austrittszahlen summierten sich über die Jahre auf Millionen Menschen.
Aufgrund eigener Forschungsarbeit kann man beim Exzellenzcluster mit Zahlen aufwarten: "Seit 1990", schreibt die Pressestelle, "treten aus der evangelischen Kirche jährlich etwa 0,7 Prozent der Mitglieder aus, aus der katholischen Kirche im Schnitt 0,5 Prozent." Für das Jahr des Missbrauchsskandals 2010 sei "ein Ausschlag von 0,73 Prozent" festzustellen gewesen. Andere kirchliche Ereignisse dagegen wie der Papstwechsel hätten kaum Einfluss. Und im Hinblick auf das Vorbildgebaren des neuen Papstes Franziskus urteilt Pollack: "Der neue Papst vollzieht da etwas nach, was auf Gemeindeebene häufig schon geschieht." Zwar werde das engagierte Kirchenmitglieder stärker binden, weitere Austritte ließen sich damit jedoch nicht verhindern.
Ähnlich wie schon von der dem Humanistischen Pressedienst hpd nahe stehenden "Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland" (fowid) vorgerechnet, stellt man beim Exzellenzcluster fest: Während es 1949 in Deutschland Ost und West fast nur Protestanten und Katholiken gab, sind heute etwa je ein Drittel der Bevölkerung Katholiken, Protestanten und Religionslose. Fowid- Zahlen belegen indes: Das "Drittel" der Konfessionsfreien hat sich mittlerweile in Richtung 40 Prozent zur stärksten Weltanschauungsgruppe entwickelt. Immerhin konstatiert man in Münster, keiner Kirche anzugehören sei längst "kein Minderheitsphänomen mehr".
Allein die ans Symposium gerichtete Empfehlung Prof. Pollacks müsste indes ausreichen den Kirchenvertretern anzudeuten, was ihre Glocken geschlagen haben: "Die Kirchen beweisen also großen Realitätssinn, wenn sie für die Zukunft vorsorgen und ihre Gemeinden zusammenlegen, Gebäude aufgeben und Einsparungen vornehmen." Sicher ein guter Rat, aber auch eine heftige Schelle in Richtung Limburg und Co.
Thomas Brandenburg