Kroaten gegen Gleichberechtigung

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Regenbogenfahne, Foto © Frank Nicolai

WIEN/ZAGREB. (hpd) Die Kroaten haben sich am Sonntag gegen die Gleichberechtigung Homosexueller entschieden. Fast zwei Drittel stimmten für eine Verfassungsänderung, die die Homosexuellen-Ehe verbietet. Das Referendum war eine Machtprobe zwischen Kirche und Regierung.

Es ist eine schmerzliche und eindeutige Niederlage für die progressiven Kräfte in Kroatien. 65,5 Prozent der Teilnehmer am Referendum sprachen sich laut der kroatischen Tageszeitung Večernji List für eine Verfassungsänderung aus, die die Homosexuellen-Ehe verbietet. Die Wahlbeteiligung betrug weniger als 38 Prozent.

Das ist gering angesichts der heftigen Diskussionen, die die Volksabstimmung in den vergangenen Wochen in Kroatien verursacht hatte. Die Konfliktlinien waren im Wesentlichen die gleichen wie seit der Unabhängigkeit des Landes: Moderate und progressive Kräfte auf der einen und nationalistisch-konservative auf der anderen Seite. Letztere mit kräftiger Unterstützung der katholischen Kirche.

Unterstützung von der Kanzel

Der Zagreber Kardinal Josip Bozanić ließ etwa einen Hirtenbrief in den Kirchen des Landes verlesen, indem er aufrief, für die Verfassungsänderung zu stimmen: "Die Ehe ist die einzige Verbindung, die die Fortpflanzung ermöglicht. Das ist der Hauptunterschied zwischen der Ehe und anderen Verbindungen."

Katholische Mobilisierungskraft

Der Ausgang demonstriert, über wie viel Mobilisierungskraft katholisch-nationalistische Gruppierungen in Kroatien nach wie vor verfügen. Die Initiative "U ime obitelji" ("Im Namen der Familie") hatte das Referendum überhaupt erst erzwungen, indem sie 700.000 Unterschriften sammelte. Unterstützung kam von der nationalistischen Partei HDZ, die die meiste Zeit nach der Unabhängigkeit den Ministerpräsidenten gestellt hatte.

In den Wochen vor der Abstimmung mobilisierten die katholischen Medien nahezu geschlossen. Vergleichsweise zurückhaltend verhielt sich das Boulevardblatt Večernji List, eine der einflussreichsten Tageszeitungen des Landes. Sie räumte auch Kritikern Platz ein. Večernji List gehört dem österreichischen Styria-Konzern, der im Eigentum der Diözese Graz-Seckau steht.

Es ging nicht nur um die Homo-Ehe

Die Online-Foren der Zeitung zeigen auch, wie tief die Abstimmung das Land gespalten hat. Die Unterstützer sahen den Untergang des Abendlandes oder der kroatischen Kultur herandräuen und beschimpften unter anderem Premierminister Zoran Milanović von der sozialdemokratischen SDP heftig. Die Gegner nahmen Željka Markić aufs Korn, die Sprecherin von "U ime obitelji" - und nahmen kein Blatt vor den Mund. Markić würde missliebige Leute am liebsten in Lastwagen nach Jasenovac transportieren lassen.

Kommentare wie dieser verraten, dass es bei weitem nicht nur darum ging, wie die Kroaten zu Rechten von Homosexuellen stehen. Jasenovac war das Konzentrationslager der Ustaša im Zweiten Weltkrieg. Hunderttausende Serben, Juden und Roma wurden dort bestialisch ermordet. Unter aktiver Mitwirkung der Franziskaner.

Fast 90 Prozent Katholiken

Bis heute sind in Kroatien Kirche und Nationalisten untrennbar miteinander verbunden. "Echter" Kroate ist für die meisten nur, wer katholisch ist. (In Serbien existiert eine gleich tiefe Verbindung zwischen ethnischer Zugehörigkeit und Konfession). Diese Verbindung gibt vielen gesellschaftspolitischen Fragen eine Brisanz, die in Österreich und Deutschland unvorstellbar ist. Ressentiments sind schnell mobilisierbar.

Allen Fortschritten wie dem EU-Beitritt zum Trotz ist das gesellschaftliche Klima in Kroatien in den vergangenen Jahren kaum liberaler geworden. Das hat auch damit zu tun, dass sich die katholische Kirche seit der Unabhängigkeit eine bedeutsame Machtposition im Land gesichert hat und sich ähnlich wie in Polen – oder wie in Serbien die orthodoxe Landeskirche – als Trägerin der Nation inszenieren kann. Ein Zeichen für die Machtposition ist auch die für den Balkan ungewöhnlich hohe Zugehörigkeitsquote. Knapp 90 Prozent der Kroaten sind katholisch.

Ähnlich wie in Serbien und Montenegro ist offen ausgelebte Homophobie für nationalistische Kreise beinahe Staatsräson. Bis heute bedürfen Paraden wie Gay Pride oder der Christopher Street Day in Zagreb großen Polizeischutzes. Immer wieder werden Homosexuelle verprügelt.

Nächster Konflikt vorprogrammiert

Für die Regierung von Zoran Milanović bedeutet das Referendum einen Rückschlag, der wahrscheinlich weit über die unmittelbaren Auswirkungen des Verfassungszusatzes hinausgeht. Er hat eine Machtprobe mit der katholische Kirche und der mit ihr eng verbundenen nationalistischen HDZ deutlich verloren. Er und Präsident Ivo Josipović befürchten außerdem, dass das internationale Ansehen der Republik durch das Ergebnis leiden könnte.

Die nächste Machtprobe steht Milanović bevor. Vor der Abstimmung hat er angekündigt, dass es in Kroatien ein neues Gesetz für Lebenspartnerschaften geben soll. Das soll gleiche Rechte für Hetero- und Homosexuelle bringen, stellte er in Aussicht. Widerstand gegen dieses Gesetz dürfte vorprogrammiert sein.

Christoph Baumgarten