Evolution in der Grundschule

Den Reigen der vielen Informationen und bunten Bilder schloss dann die Kommunikations­designerin Gepa Schwickerath, die Grafikerin des "Evokids"-Projekts.
Sie sei weder Biologin noch Pädagogin, aber immerhin Mutter einer Tochter, die als Sechsjährige eingeschult wurde und die 'quält' sie seit längerem mit Fragen, auf die sie auf die Schnelle keine Antwort parat habe. Sie hat ihre Tochter gebeten, diese Fragen zu formulieren und so kam es u. a. zu den Fragen: "MAMA WI SA DIE ERDE AUS ALS DI ERDE NOCH EINE GLAZE HATE?" oder ein anders Thema, was anscheinend im Kreis der Sechsjährigen stark diskutiert wird lautet: "MAMA WISO HABEN DINOS KEINE REDER". Das alles war für sie Motivation genug, um im Team des "Evokids"-Projekts mit zu arbeiten und Materialien zu entwickeln, die Lehrer helfen würden, auch Grund­schüler mit der Evolution vertraut zu machen. Das begann mit einem Logo,"Bert", einem lebenden Fossil, das Erkennungs­zeichen und Güte­siegel sein könne.

Ihr heiterer Vortrag zeigte dann erste Ideen der Gestaltung und bereits eine Vielzahl von möglichen Produkten im Rahmen der Kampagne, das man als Zuschauer ins Staunen kam. "Evolution auf der Wäsche­leine", der "Zollstock der Erd­geschichte", "Verwandtschafts­grade?" mit Spiel­karten und "Bastelbücher" seien nur als wenige Beispiele genannt.

Das alles soll – zum Teil kostenlos – in einem Online-Shop erhältlich sein.

"Menschenaffen wie wir"

Der Abend war dann einem öffentlichem Vortrag im großen Hörsaal gewidmet, in dem Prof. Dr. Volker Sommer (Anthropologe/Primatologe, University College London) zum Thema "Menschenaffen wie wir" referierte. Konsequent zum Titel begann er damit, dass er das zahlreich erschienene Publikum mit "Liebe Mitprimaten,…" ansprach.

Im Zusammenhang der Frage der Verwandtschaft zwischen Menschen und Primaten werde bei der 'Hardware', wie beispiels­weise dem Körper­bau, eine Ähnlich­keit aner­kannt. Bei der 'Software' ("Seele", "Geist" und Denken) der Erhaben­heit falle das dagegen schwer. Die Meta­physik von "Seele" und "Geist" werde den (anderen) Tieren abgesprochen. Aber dennoch gibt es diese Über­lappungen. Mit anderen Worten: Darwin ersetzte den Abstieg des Menschen von den Engeln zu einem Auf­stieg zu den Affen. Jedoch wurden, je näher sich Mensch und Tier kamen, die Berührungs­ängste größer. Folge ist die Betonung der Sonder­stellung des Menschen, da er Technik, Sprache, Persönlich­keit, Kultur, Religion, u. a. m. besitze.

Es folgte ein Vielzahl von Ergeb­nissen der Forschungs­arbeit Volker Sommers, wie Selbs­tmedikation bei Schimpansen bei Durch­fall, Werkzeug­bear­beitung zum Honig­sammeln, Werkzeug­sukzession (folgerichtiger Einsatz mehrerer Werkzeuge nacheinander), Hammer­steine zum Nüsse­knacken, Wasch­lappen für Hygiene, Extra­hieren mit Flüssigkeit, Steinen und Ködern, Verstehen von Regeln bei Computer­spielen.

Alle Beispiele seien jedoch in der Hinsicht umstritten, was sie inhaltlich bedeuten. Besonderer Streit­punkt ist die Akzeptanz einer Sozial­kompetenz bei Primaten, wie beispiels­weise einer ziel­gerichteten Kooperation. Primaten zeigen jedoch Empathie, Selbst-Erkenntnis (im Spiegelbild), Sympathie (Anderen helfen). Es bestehen Zweifel, was diese Beispiele bedeuten, aber Schimpansen trauern beispiels­weise auch um ihre Toten.

Es geht Prof. Volker Sommer um die Erweiterung der "Gattung Mensch". (Schimpansen und Bonobos sind genetisch näher mit den Menschen verwandt als mit den Gorillas und Orang-Utans.) Es geht ihm also um eine Erweiterung der Gemein­schaft der Gleichen.

Historisch gab es und wurde (größten­teils) überwunden: den Christianismus (Nur die Angehörigen des eigenen Glaubens­bekenntnis), den Rassismus (gegenüber andersfarbigen Menschen), den Sexismus (gegenüber der Gleich­berechtigung der Frauen), den Hetero­sexismus (gegenüber Homosexuellen und Lesben). Jetzt ist die Über­windung des Speziezismus gefordert, wie es sich das Great Ape Projekt "auf die Fahnen" geschrieben hat: Das Recht von Primaten auf Leben und Heimat, das Recht auf körperliche Unversehrt­heit, das Recht auf Personen­status. Ein Recht, so Volker Sommer, wird nicht erworben, es wird einem zuge­sprochen und man hat es dann. "Viva la Evolucion!"

Zukunftswerkstatt

Der Vormittag des zweiten Tages und Abschluss der Tagung war dann die Bildung von drei Arbeits­gruppen durch die Teil­nehmer für kreative Gedanken in kleinen Gruppen, um weitere Vorschläge für die Kampagne zu entwickeln, bei der es, wie Dr. Michael Schmidt-Salomon betonte, nicht um Religions­kritik gehen solle und werde.

Die Ergebnisse der ersten Gruppe referierte Prof. Dr. Thomas Junker. Man sei in der Arbeits­gruppe sehr skeptisch gewesen, was die Umsetz­barkeit anbelange und erwarte Wider­stände von Politikern und Büro­kratie. Die einzigen, auf die man vertrauen könne, seien die SchülerInnen. Als Vorschläge wurden genannt, dass man sich mit den skandi­navischen Ländern ver­netzen solle, um zu lernen, wie es dort umge­setzt worden ist und das man doch gar nicht bei Null anfange; man könne auf dem Interesse der Schüler aufbauen, die Arbeiten von Museen ein­bringen, u. a. m. Als Kooperations­partner wurden die Schüler und die Lehrer genannt; Eltern und Politiker sind anscheinend abge­schrieben.

Dr. Sabine Paul, die die Diskussion in der zweiten Arbeitsgruppe moderiert hatte, verwies auf die Skepsis innerhalb ihrer Gruppe. Man habe zwar viele gute Ideen, aber eben keine Ressourcen: "Wie bringen wir unsere Ideen auf die Straße?" Es braucht Materialien für die Kinder, die so interessant und spannend sind, dass die Kinder gar nichts anderes mehr können, "als den ganzen Tag über Evolution zu singen und zu pfeifen". Konkret gab es z. B. den Vorschlag ein "Urmel-Lied" zu komponieren.

Vier Themenkreise wurden abschließend formuliert: 1. Was können wir tun, um Inhalte und Materialien zu erstellen?, 2. Wie können wir die Dinge vermitteln?, 3. Wie bilden wir Netzwerke? und 4. Wie können wir eine Lobbyarbeit dafür aufbauen? Dazu gab es dann eine Vielzahl von konkreten Vorschlägen und Anregungen.

Prof. Dr. Eckart Voland stellte die Ergebnisse der dritten Gruppe vor, die Grundschul­gerecht die Wolke neu erfunden habe. Die erste "Themenwolke" beinhaltet Fragen der Materialien, die zweite Wolke steht für Über­legungen zu den Lehrern. Diese Frage nach den Lehr­tätigen für Evolutions­biologie, sei es den Lehrern in der Schule oder externen Spezialisten, widmete die Arbeits­gruppe ihre besondere Aufmerk­samkeit, ebenso wie dem Luxemburger Modell, wo konkrete Schritte auf dem Weg sind.

Die Vorträge und Diskussionen endeten in einer heiteren, fröhlichen Gesamt­stimmung, mit dem guten Empfinden, auf dem richtigen Weg zu sein.

Alexander Hofmann