... denn sie wissen nicht, was sie tun

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Foto © Leodolter

WIEN. (hpd) Halb Österreich überschlägt sich vor Freude. Die Sternsinger- oder Dreikönigsaktion ist zu Ende gegangen und wieder wurden Millionen für die armen Kinder dieser Welt gesammelt. Wird einem ständig gesagt. Die Wahrheit sieht etwas anders aus.

Wer der Öffentlichkeit weismachen will, ihm oder ihr liege eine bessere Welt im Herzen, hat sich in den vergangenen Tagen mit den Sternsingern gezeigt. Von Bundespräsident Heinz Fischer und Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) abwärts gibt es kaum einen Spitzenpolitiker, der sich nicht mit einer Kindergruppe fotografieren hat lassen, die als Weise aus dem Morgenland verkleidet war. Und ein paar Euro in die Spendenbüchsen geworfen hat.

Sternsinger bei Bundespräsident Heinz Fischer, Foto: dka.at

Auch der deutsche Ableger der Aktion erfreut sich großer Popularität. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ es sich nicht nehmen, eine Gruppe Jugendlicher trotz starker Schmerzen nach ihrem Unfall und auf Krücken zu empfangen. Selbstredend war ein Fotograf anwesend.

Sternsingerempfang im Bundeskanzleramt, Foto: Ralf Adloff / Kindermissionswerk

Promis reißen sich um Testimonials

Auch Promis reißen sich um Testimonials. Ein Auszug aus dem Jahresbericht 2012 der österreichischen Sternsinger: Michaela Dorfmeister, Anna Netrebko, Toni Polster, Johann Lafer. Der Tenor: Die Dreikönigsaktion ist ein Beitrag zu einer gerechteren Welt und unterstützt wertvolle Entwicklungsprojekte. Ermöglicht durch - angeblich - 85.000 Jugendliche in Österreich und 500.000 in Deutschland. Zahlen, die mit Sicherheit erheblich geschönt wurden.

"Arbeit für eine gerechte Welt"

Der Aufwand dürfte sich gelohnt haben. Die Katholischen Jungschar organisiert die Aktion und in einer offiziellen Presseaussendung zeigt sich Elke Giacomozzi, Bundesvorsitzende der Jungschar, erfreut über das große Spendenaufkommen: "So können wir auch im kommenden Jahr unsere Arbeit für eine gerechte Welt ungebrochen fortsetzen. Denn: Jeder Spenden-Euro wird in den Armutsregionen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas dringend gebraucht. Im Namen von einer Million Menschen, denen die Sternsingerspenden zu Gute kommen: Ein ganz herzliches Dankeschön (..)!"

Wer liest schon Jahresberichte?

Es erscheint zweifelhaft, dass sich Promis oder Spender die Jahresberichte der Dreikönigsaktion durchgelesen haben. Das würde das Bild erheblich relativieren (wie an dieser Stelle bereits getan).

Ein großer Teil der Mittel der österreichischen Dreikönigsaktion bereitet die armen Kinder, für die gesammelt wird, eher auf ein behauptetes Leben nach dem Tod vor als dass es ihnen ein besseres Leben auf dieser Welt ermöglichen würde. 2012 flossen 28 Prozent der 15,3 Millionen Gesamtmittel in den Ausgabenposten "Kirche im Dienst an den Menschen" (siehe Jahresbericht Seite 18) . Es war – wie in den Jahren davor – der größte Ausgabeposten der Sternsinger.

Seelenheil ist mehr Geld wert als Ernährung

Das darf man keineswegs als Unterstützung diesseitiger Bedürfnisse wie dem Recht auf Ernährung interpretieren, dem die Aktion selbst in ihren Grundlagen "höchste Priorität" einräumt.

Eigendefinition der Dreikönigsaktion: "In unserer Arbeit mit kirchlichen Partnerorganisationen im Süden steht die befreiende Botschaft des Evangeliums im Zentrum, die auf die ganzheitliche Entwicklung der Menschen abzielt. Auch in der pastoralen Zusammenarbeit gilt Kindern und Jugendlichen unsere besondere Aufmerksamkeit."

Eine nette und beinahe ehrliche Umschreibung für Missionierung. Polemisch formuliert: Das vermeintliche Seelenheil von Kinder in Entwicklungsländern ist der Dreikönigsaktion wesentlich mehr Geld wert als deren Ernährung.

Deutschland: Nur 4,5 Prozent für Missionsarbeit?

Deutlich bescheidener nach außen hin gibt sich die deutsche Dreikönigsaktion. Dort hat man 2012 – vergleichsweise läppische – 60 Millionen Euro eingesammelt. Nur knapp 4,5 Prozent wurden für die "pastoralen Aufgaben" verwendet (siehe Jahresbericht Seite 15). Das ist mehr als für Ernährung. Für die wurden 3,9 Prozent der Mittel ausgegeben. Auch hier rangiert offenbar Jenseits vor Diesseits. Vordergründig auf bescheidenerem Niveau als in Österreich.

Ein genauerer Blick auf den Jahresbericht zeigt, dass die katholische Kirche in Deutschland weit weniger zurückhaltend bei der Missionsarbeit ist, als es die Zahlen nahelegen. Unter dem Titel "Bildung" (45 Prozent der Gesamtausgaben) versteckt sich häufig die Förderung katholischer Infrastrukturen in Entwicklungsländern.

Offenbar nur katholische Schulen in Burkina Faso

Über eine Aktion wird berichtet: "Das Kindermissionswerk bewilligt für ein Ernährungsprogramm im Norden von Burkina Faso über 300.000 Euro. Aufgrund der schlechten Ernte im Vorjahr und der aktuell prekären Ernährungslage in der Region werden Kinder in über 30 katholischen Schulen mit einer täglichen Mahlzeit versorgt." Nicht-konfessionelle Schulen werden nicht einmal erwähnt.

Keinen direkten Nutzen für Kinder hatte eine andere Aktion aus dem Bereich Bildung, finanziert aus dem Ghana-Förderpreis 2012 der Jakob-Christian-Adam-Stiftung: "Mit dem Preisgeld wird die Lehrerausbildung an der katholischen Universität im ghanaischen Sunyani gefördert". Gibt es in Ghana keine nicht-katholischen Universitäten, die Lehrer ausbilden? Und geschieht das so ganz uneigennützig?

Skurrile Bildungsprojekte

Bei der österreichischen Dreikönigsaktion sind 2012 dreiundzwanzig Prozent der Gesamtmittel in Bildungsprojekte geflossen. Auch hier liegt nahe, dass mit diesem Geld vorwiegend katholische Infrastruktur gefördert wird.

Unter dem Punkt Bildungsarbeit findet sich etwa diese Beschreibung: "Bibel lesen in Zeiten des Klimawandels: Im September und Oktober 2012 waren Mercedes de Budallés Diez und Ildo Bohn Gass vom Bibelteam des CEBI (Centro Biblico) aus Brasilien zu Gast in Österreich. In Workshops in Graz, Mödling und Innsbruck arbeiteten sie mit der Methode der 'popularen Bibellektüre', die von der Lebenssituation und dem Lebenskontext jeder/s Einzelnen ausgeht und nach einem 'Leben in Fülle' für alle sucht."

Ein Blick in die Projektliste bestätigt den Eindruck.

Mission und Entwicklungsarbeit – nicht zu trennen

15.000 Euro war etwa das "Ausbildungsprogramm für Seminaristen der Yarumal Missionare in Kibera" wert. In Brasilien gab es für die "Theologische Ausbildung für Ordensleute" immerhin 5.000 Euro, 13.000 Euro für das kolumbianische Projekt "Bibelarbeit mit Jugendlichen als Beitrag zum Frieden". Auf den Philippinen gab es 17.000 Euro für die Erarbeitung von Bildungsunterlagen über die Katholische Soziallehre.

Wie sehr bei der Dreikönigsaktion Hilfe für Menschen und (katholische) Christen machen neben- und vor allem ineinanderlaufen, zeigt das Beispiel Papua Neuguinea. Von insgesamt 283.000 Euro wurden dort 2012 110.000 für Diözesan- und Pastoralprojekte ausgegeben. Dazu kommen 35.000 Euro für die "Ökumenische Forschungs- und Bildungsarbeit".

Beitrag für eine gerechtere Welt?

Man muss einen sehr katholischen Blick auf die Welt haben, um das als Beitrag für eine gerechte Welt zu sehen. Sonst müsste man das Getue von der "Hilfe für eine Million Not leidender Menschen" als bewusste Verschleierung bezeichnen.

Eine – bewusste oder unbewusste – Verschleierung, die wahrscheinlich auch gegenüber den Kindern und Jugendlichen betrieben wird, die Jahr für Jahr für die Aktion sammeln gehen. Die glauben wirklich, das Geld käme vorwiegend einer Million Notleidender zugute. Und nicht zu einem erheblichen, wenn nicht zum größten Teil den Bedürfnissen der katholischen Kirche.

Auch die Spenden würden vermutlich deutlich spärlicher ausfallen, wenn sich die Öffentlichkeit bewusst wäre, dass – überspitzt formuliert – die Dreikönigsaktion Österreichs und Deutschlands erheblich mehr Geld für Kinderbibeln ausgeben als für Babynahrung. Wahrscheinlich würden sich dann Spitzenpolitiker nicht mehr ganz so wild um einen Fototermin mit den Sternsingern reißen. Angela Merkel hätte einen Tag mehr Zeit gehabt, ihre Verletzung auszukurieren.

Christoph Baumgarten

Mitarbeit: Carsten Frerk