Notizen zu Nordkorea (9)

Familientreffen abgehalten

Ende Februar fanden nach vielen Verhandlungen fünf Tage lang die ersten Familientreffen von Nord- und Südkoreanern seit 2010 statt. Insgesamt nahmen gut 260 Nordkoreaner und knapp 440 Südkoreaner daran teil. Bei den hochemotionalen Treffen sahen sich Eltern und ihre Kinder, Geschwister, Halbgeschwister und entferntere Verwandte nach 60 Jahren Trennung wieder oder begegneten sich zum ersten Mal.

Einige südkoreanische Teilnehmer klagten allerdings darüber, dass sich ihre nordkoreanischen Verwandten wohl verpflichtet sahen, ihnen gegenüber die offizielle Propaganda Pjöngjangs “nachzuplappern”. Außerdem hätten sie mit der Begründung, alles zu haben, was sie brauchen, Geschenke abgelehnt.

Die Teilnehmer beider Staaten werden vor den Treffen geschult. Den Südkoreanern wird gesagt, dass sie nicht über Politik diskutieren sollen. Die Nordkoreaner werden hingegen angewiesen, zu betonen, wie gut sie unter der Führung Kims und der Partei leben können.

Die Treffen haben für die betroffenen Angehörigen zweifellos eine hohe emotionale Bedeutung, ziehen jedoch Konsequenzen nach sich, von denen insbesondere die nordkoreanischen Teilnehmer betroffen sind. Nach den Familienzusammenführungen werden sie etwa zwei Wochen lang in Pjöngjang befragt, berichtet Daily NK. Es werde geprüft, ob sie sich ideologisch verdächtig verhielten und welche Geschenke sie von den Treffen mitgebracht haben. Ein Flüchtling berichtet, man dürfe etwa die Hälfte der Geschenke behalten – was den Offiziellen gefällt, müsse abgegeben werden. Südkoreanische Herkunftsangaben, beispielsweise auf Arzneimitteln, müssten unkenntlich gemacht werden. Ebenso müssten etwa 100 Dollar als “Loyalitätsgeld” abgegeben und der Aufenthalt in Pjöngjang von den Teilnehmern selbst bezahlt werden. In manchen Fällen seien die Teilnehmer nach den Treffen verschuldet, weil sie schon bei der Anmeldung Funktionäre der Staatssicherheit, Volkssicherheit und der Partei bestechen mussten, damit diese ihnen die obligatorischen Empfehlungsschreiben ausstellten. Von diesen Widrigkeiten abgesehen schaffen es einige der Teilnehmer allerdings, während der Treffen heimlich Informationen auszutauschen, so dass sie mit ihren Angehörigen in Kontakt bleiben konnten, die ihnen auch später finanzielle Unterstützung gewährten.

Nach den erfolgreichen Familienzusammenführungen schlug Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye regelmäßige Treffen vor, denn die Zeit werde immer knapper. 53 Prozent der 71.480 Menschen in Südkorea, die auf einer Warteliste stehen, sind über 80 Jahre alt. Allein im vergangenen Jahr verstarben 3.800 Menschen, die auf dieser Liste standen. Nordkorea schlug das Angebot vorerst aus, da dafür die gegenwärtige Atmosphäre aufgrund der südkoreanisch-US-amerikanischen Militärmanöver nicht angemessen sei. Es schloss aber nicht aus, dass es in der Zukunft Gespräche darüber geben könnte. Experten gehen davon aus, dass sich Nordkorea nicht auf regelmäßige Treffen einlassen wird, da es diese bei Verhandlungen an Zugeständnisse wie ökonomischen Hilfen knüpfen will.

Seit 1985 haben nun 19 persönliche Treffen und sieben Videokonferenzen zwischen getrennten Familienmitgliedern stattgefunden, an denen mehr als 22.000 Menschen aus 4.380 Familien beteiligt waren.

Wahlen zur Obersten Volksversammlung: 100 Prozent Zustimmung in allen Wahlkreisen

Am 9. März fanden in Nordkorea Wahlen für die Obersten Volksversammlung statt. Das Parlament mit 687 Sitzen wird alle fünf Jahre neu gewählt. Es kommt nur ein- oder zweimal im Jahr zusammen und nickt dann Entscheidungen des Regimes ab.

Konsequenterweise gibt es für die Mitglieder im Parlament auch nur einen Abstimmungsknopf. Auch die Wahlberechtigten hatten keine wirkliche Wahl: Sie konnten der vorgegebenen Liste mit jeweils einem Kandidaten pro Wahlkreis zustimmen oder sie ablehnen – letzteres auch nur pro forma, da die Wahl nicht geheim ist und Wahlpflicht herrscht. Ablehnung wird als staatsfeindliches Verhalten gewertet, da die Liste durch das Regime zusammengestellt wurde. Einige Wochen zuvor wurde beispielsweise Kim Jong Un von Vizemarschall Choe Ryong Hae als Nominierter für den Wahlkreis Paektusan 111 vorgeschlagen (Kim wurde natürlich auch in allen anderen Wahlkreisen des Landes als Kandidat vorgeschlagen, entschied sich dann aber selbst für den Wahlkreis Paektusan 111).

Die Wahlbeteiligung lag bei 99,97 Prozent, die Zustimmung in allen Wahlkreisen bei 100 Prozent. Anscheinend waren auch ausländische Wahlbeobachter zugegen. Nach einer KCNA-Meldung hätten sie gesagt, dass sie einen korrekten Einblick in das Wahlsystem der Demokratischen Volksrepublik Korea erhalten haben. Etwas deutlicher wurde ein Staatssekretär aus dem Vereinigten Königreich auf Twitter: “Während der Wahlen in der DVRK besuchte unsere Botschaft in Pjöngjang ein Wahllokal und […] stellte fest, dass es kein ‘D’ in ”DVRK“ gibt.”

Durch die Wahl rückten zwei Personen aus der Kim-Familie in den Fokus der Aufmerksamkeit. Zum einen wurde darüber spekuliert, ob Kim Kyong Hui, Kim Jong Uns Tante und Witwe des im Dezember hingerichteten Jang Song Thaek, wieder in die Oberste Volksversammlung einziehen würde. Es wurde zwar eine Frau desselben Namens gewählt, aber Experten glauben nicht, dass es sich dabei um Kims Tante handelt. Inzwischen wird davon ausgegangen, dass Kim Kyong Hui schwer erkrankt oder bereits vor Wochen verstorben sei. Die andere Person ist Kim Yo Jong, die jüngere Schwester Kim Jong Uns, die ihren Bruder zur Wahl begleitete und damit ihren ersten offiziellen Auftritt in den nordkoreanischen Medien hatte. Sie wurde als letzte in einer Reihe “höherer Funktionäre des Zentralkomitees der Partei der Arbeit Koreas” genannt. Vorher war sie zwar schon häufiger in den Medien zu sehen, wie bei der Beerdigung ihres Vaters oder der Eröffnung eines Vergnügungsparks, wurde aber nie namentlich erwähnt. Möglicherweise ist sie für die Organisation der Auftritte und “Vor-Ort-Anleitungen” ihres Bruders verantwortlich.

New Focus International stellt noch eine ganz andere Funktion der Wahlen in Nordkorea dar – vielleicht sogar die wichtigste: Vor der Wahl sollen Mitarbeiter und Agenten der Staatssicherheit die Wohnungen der registrierten Wähler aufsuchen, um ihren Wohnort zu verifizieren oder den möglichen Verbleib eines Bürgers zu klären. Für die Familien, von denen ein Mitglied nach China oder Südkorea geflohen ist, wird diese Zeit sehr kritisch. Wenn sie sonst die Agenten bestechen oder sagen konnten, die Person sei gerade in einer anderen Region des Landes, sei dies während der Wahl nicht möglich. Nur in Notfallsituationen könne man in einem Wahlkreis außerhalb des Wohnsitzes seine Stimme abgeben. Daher dient die Wahl als Volkszählung und dazu, den Verbleib von “vermissten” Personen aufzuklären. Sie soll auch dazu benutzt werden, Menschen zurück ins Land zu locken: Wenn die Person aus China zurückkommt und zur Wahl erscheint, würde die Partei alles verzeihen. Oder es werden gleich Drohungen ausgesprochen: Wenn die Person nicht zur Wahl erscheint, müsse die Familie die Konsequenzen dieses Landesverrats tragen.

SARAM e.V.i.G.
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