Evangelische Provokationen zu Ostern

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BERLIN. (hpd) “Stille Feiertage”, vor allem im Zusammenhang mit Karfreitag und Ostern, sind schon länger ein gewaltiges Ärgernis für Konfessionsfreie. Aufgrund religiöser Traditionen schränken Gesetze und Verordnungen das Freizeitverhalten der Menschen an aus religiöser Sicht "ernsten Tagen" erheblich ein.

In der öffentlichen Wahrnehmung stehen hierbei weniger Kundgebungs- und Demonstrationsverbote als vielmehr die Verbote von Musik- und Tanzveranstaltungen, aber auch kultureller Veranstaltungen. In rot-grün regierten Bundesländern ist teilweise (wie etwa in Bremen) eine Änderung geplant, doch schalten andere Bundesländer aufgrund des Drucks von Kirchen in dieser Angelegenheit völlig auf stur.

Ostereier im Garten und Osterfeste nicht vor Ostersonntag Null Uhr

Was für gläubige Christen gut ist, muss – so die seltsame Logik christlicher Überheblichkeit – auch für die gesamte Gesellschaft gut sein. In eben diesem Sinne hat Margot Käßmann, gewesene EKD-Vorsitzende, jüngst erklärt, dass Ostern das Fest der Auferstehung sei .

Sie hat für sich die (mystische) Auffassung herausgebildet: “Der Tod hat nicht das letzte Wort! Wenn das kein Grund zum Feiern ist!” und bedauert aus dieser ihr eigenen Sicht diejenigen Menschen, die dies nicht so empfinden: “Diese Zeit der Stille, der Spannung zwischen dem Karfreitag und dem Ostermorgen. Das erleben Menschen ja gar nicht, die vor allem Shoppen wollen oder ein Wellness-Wochenende machen.” Dass andere Menschen durchaus eine Zeit der Stille empfinden (können) – nur eben gerade nicht an Zeiten, zu denen christliche Theologen und Kirchenfunktionäre dies vorschreiben (wollen) – und dass sie durchaus über das Leben, das Sterben und den Tod, wenngleich auch nicht im Sinne einer Auferstehung von den Toten und einer Himmelfahrt sowie eines ewigen Lebens in Himmel oder Hölle nachdenken und kommunizieren können, gelangt Frau Käßmann offensichtlich nicht in den Sinn.

Ganz in christlicher Reglementierungstradition kommt Frau Käßmann auch auf einen aus ihrer Sicht offenbar zentralen Punkt zu sprechen: Sie kritisiert Osterfeste und das Aufhängen von Ostereiern an Sträuchern im Garten schon vor dem Ostersonntag! Dies sei inhaltsleer und habe mit Ostern nichts zu tun.

Lassen wir die Aufgeblasenheit und Überheblichkeit dieser Äußerungen einmal beiseite – heute bestimmen nicht mehr Religiöse, was etwa an Ostern maßgeblich ist und was nicht, und auch nicht, was die gesamte Gesellschaft über die Bedeutung von Ostern zu denken hat. Dass bei den einseitigen, lediglich vom Interesse an christlicher Propaganda bestimmten Äußerungen der Ex-Bischöfin (vermutlich ein – wenngleich auch untauglicher – Versuch, dem Austrittstrend aus den evangelischen Kirchen entgegenzuwirken) unterschlagen wird, dass Ostern wie auch andere vom Christentum für sich beanspruchte Feiertage einen ursprünglich ganz anderen Sinn verkörperte, ist zwar intellektuell nicht redlich, aber zu erwarten gewesen.

Das Osterfest, als Frühlingsfest, und die “österliche Folklore mit Eiern, Osterbrunnen, Osterhasen” waren ursprünglich heidnisch und schon vor dem Siegeszug des Christentums vorhanden. “Ein allgemeines Frühlingsfest ist in der Tat hochwillkommen, eine emotionale Notwendigkeit” - nach dem Winter mit seiner Kälte und Erstarrung, so formuliert es etwa der Philosoph Joachim Kahl (Marburg), der für ein säkulares Osterfest als “Fest des Frühlings und der Lebensfreude” plädiert. Für ein Fest somit, das die gesamte Gesellschaft ansprechen würde, das weniger mit einem qualvollen Foltertod und mehr mit Lebensfreude zu tun hätte.

“Stille Feiertage” – auch für Juden und Muslime

Einen weiteren eigentümlichen Beitrag zu diesem Thema gilt es aktuell zu vermelden: Ungeachtet der Debatten um die “Stillen Feiertage” fordert der Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Christoph Pistorius, jetzt auch solche Feiertage für Juden und Muslime, somit die Ausweitung der Reglementierungen für die Konfessionsfreien und den größten Teil der (formellen) Kirchenmitglieder.

Hintergrund ist wohl das Ziel eines noch engeren Schulterschlusses zwischen den abrahamitischen Religionen in Deutschland, denn für Bahaj, Buddisten, Hinduisten und andere Religionen fordert Herr Pistorius - nichts! Vermutlich sind es diese Religionen aus Sicht der Evangelischen Kirche im Rheinland nicht wert, dass ihre Feiertage besonders gewürdigt werden.

Mit dieser Initiative wird ein weiteres Mal deutlich, dass von manchen christlichen Kräften verstärkt ein Schulterschluss mit den abrahamistischen Religionen betrieben wird. Und zwar ohne Rücksicht auf die Religionsfreiheit anderer Religionen und auch humanistischer Weltanschauungen. Sie werden respektlos als Anschauungen 2. Klasse und minderer Bedeutung abgestempelt, was aber für eifrige Großkirchenfunktionäre nicht von Interesse ist.

Umso bedeutsamer wird es sein, dass staatliche Organe, die Neutralität gegenüber Religionen und Religionsgemeinschaften zu wahren haben, bei der Diskriminierung von nicht abrahamitischen Religionen und von Weltanschauungen nicht mitmachen.

Herr Pistorius ist aber wohl auch aus anderen Gründen über das Ziel hinausgeschossen. Das Internet-Portal islamiq.de jedenfalls weist ihn darauf hin, dass der Islam überhaupt keine “Stillen Feiertage” kennt; die beiden hohen Feste (Ramadan und das Opferfest) seien “Tages des Feierns und nicht des stillen Gedenkens”. Ihre Ausgestaltung als “Stille Feiertage” würde, so islamiq.de, “den feierlichen Kern der muslimischen Feste verkennen.” So kann propagadistischer Übereifer gepaart mit Unwissenheit (in gewisser Weise den Islam für das Christentum vereinnahmend) zur Groteske verkommen.

Widerspruch aus anderer Sicht kam vom katholischen Bischof von Essen, Franz-​Josef Overbeck, der (gewissermaßen missionierend) betonte, dass die Feiertage in Deutschland “christlich-kulturell” geprägt seien: “Die christliche Kultur gibt unserer Gesellschaft eine Struktur, an die sich alle halten können.” Halten müssen wäre wohl die richtigere Formulierung für das Begehren des katholischen Klerikers. (Mit seiner verqueren Geschichtsbetrachtung steht er allerdings nicht allein, wie sich beispielsweise bei der Debatte um die Zulässigkeit von PID vor wenigen Jahren gezeigt hat: damals sprachen Mitglieder des Deutschen Bundestages davon, dass das Grundgesetz eine christliche Prägung habe und dass deshalb eine aus christlich-religiöser Sicht hergeleitete Ablehnung der PID auch für AtheistInnen, JüdInnen und MuslimInnen gelte müsse – obwohl etwa die religiösen Vorgaben hinsichtlich PID bei Juden und Muslimen völlig andere sind als bei den sich bibeltreu gebenden Christen.)

Der Kokolores von Bischof Overbeck könnte unter “Ansichten eines EwigGestrigen” verbucht werden, wenn es nicht tatsächlich in der Politik reihenweise Personen gäbe, die eben diese oder eine ähnliche Meinung vertreten.

Immerhin ermutigend sind die Ausführungen eines Politikers, des NRW-​Landeschefs der Grünen, Sven Lehmann, zu “Stillen Feiertagen”: “In einer multireligiösen Gesellschaft kann der Staat nicht an einzelnen Tagen kollektiv Ruhe verordnen.” Lehmann hat einen nicht uninteressanten Vorschlag gemacht: “Sollten die christlichen Kirchen auf einen Feiertag zugunsten jüdischer oder muslimischer Feste verzichten, wäre das ein starker Beitrag zur religiösen Vielfalt.” Damit wird aber kaum zu rechnen sei, so weit geht die christliche Großzügigkeit gegenüber den anderen Abrahamiten dann doch nicht. Eher würde wohl ein Kamel …