Politischer Einfluss der Kirchen

Nach einer neuen Studie aus dem Exzellenzcluster "Religion und Politik" sind die christlichen Kirchen in Deutschland konstant in politische Debatten und Prozesse eingebunden.

"Sie bedienen sich seit Jahrzehnten professioneller politischer Instrumente und werden insbesondere in ethischen, sozial- und bildungspolitischen Debatten auch von nicht-religiösen Akteuren anerkannt – trotz voranschreitender Säkularisierung in der Gesellschaft", sagt die Theologin und Soziologin Prof. Dr. Judith Könemann vom Exzellenzcluster der Uni Münster.

Ihr Team untersuchte politische Stellungnahmen von Kirchenvertretern in rund 1.500 Medienberichten aus den Jahren 1970 bis 2004; der Schwerpunkt lag auf langjährigen Debatten über Abtreibung und Zuwanderung. Dabei zeigte sich ein starkes Selbstverständnis der Kirchen, die Welt in Politik und Gesellschaft mitzugestalten, stellte Könemann fest. "Mit dem Bezug auf Jesus und Gott ist erst das neunthäufigste Argument der Kirchen in Debatten ausdrücklich religiös begründet."

"In der neuen Studie konnten die Forscher für manche Gesetzesvorhaben den direkten Einfluss der Kirchen und ihre Einbindung in den demokratischen Prozess nachweisen. So arbeiteten Kirchenvertreter in der 'Unabhängigen Kommission Zuwanderung' des Bundesinnenministeriums zur Jahrtausendwende mit und trugen wesentlich zum Entwurf eines neuen Zuwanderungsgesetzes bei, der auf gesellschaftlichen Konsens stieß, wie Prof. Könemann darlegt. Auch hätten die Kirchen regelmäßig medial Themen gesetzt: Sie forderten in den 1980er Jahren eine Auseinandersetzung mit Fremdenfeindlichkeit und warben für die Einführung islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen. 'Die Kirchen leisteten dabei eine erstaunliche und komplexe Vermittlungsarbeit zwischen der Logik des politischen, religiösen und sozialen Bereichs.'"