Zooprofessor Nogge über Menschen und Affen

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Gorilla im Kölner Zoo, in dem er laut Ex-Direktor Nogge besser aufgehoben ist, als in der Natur...
Gorilla im Kölner Zoo, in dem er laut Ex-Direktor Nogge besser aufgehoben ist, als in der Natur...

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Schimpanse PETERMANN in karnevalistischer Gardeuniform, Mitte der 1950er
Schimpanse PETERMANN in karnevalistischer Gardeuniform, Mitte der 1950er

TRAIN. (hpd) Seit Erscheinen des Buches “Lebenslänglich hinter Gittern” Anfang Mai 2014 gab es zahlreiche Beiträge zur Zookritik in Radio und TV sowie in praktisch allen wichtigen Printmedien des Landes.

Nachdem das Zooestablishment sich zunächst sehr bedeckt gehalten hatte – offenbar wußte man einfach nicht, was man dagegensetzen sollte -, konnte man nach einem kritischen Beitrag in der FAZ (“Dem Zoo geht es an den Kragen” vom 25.6.2014) nicht mehr umhin, doch irgendwie öffentlich zu reagieren. Mit Professor Gunther Nogge (72), graue Eminenz der internationalen Tierschaustellerei, fuhr man größtmögliches Geschütz gegen die immer lauter werdende Zookritik auf. Unter der Schlagzeilenforderung “Schützt die Tiere vor den Tierrechtlern!” schrieb Nogge in der FAZ eine vermeintlich fulminante und daher unter Zoobefürwortern vielgelobte Replik .

Nogge, seit Anfang der 1980er und für ein geschlagenes Vierteljahrhundert Direktor des Kölner Zoos, firmierte über Jahre hinweg auch als Präsident des Weltzooverbandes und erfreut sich, dekoriert mit dessen höchster Auszeichnung, dem sogenannten Heini-Hediger-Preis, ruhmreicher Ehrenmitgliedschaft im Verband deutscher Zoodirektoren.

Seinen FAZ-Beitrag leitete Nogge mit ebenjener Behauptung ein, die er seit mehr als 30 Jahren gebetsmühlenhaft und in immergleichem Wortlaut wiederholt: “Tiere im Zoo sind Botschafter ihrer in der Natur zumeist bedrohten Artgenossen, und sie wollen die Menschen auf den Zustand ihres geschundenen Lebensraumes (…) aufmerksam machen und sie zu einem Umdenken im Umgang mit der Natur bewegen.” Zoos seien ihnen bei dieser Mission behilflich. Seit mehr als 30 Jahren der immergleiche Unsinn, der nichts lernt aus dem Umstand, dass die Lebensräume etwa der Großen Menschenaffen fortschreitend zerstört werden, obgleich seit mehr als 150 Jahren Orang Utans, Gorillas und Schimpansen in Zoos zu besichtigen sind. Nichts von “Umdenken bei den Menschen” durch die eingesperrten “Botschafter”. Vielmehr gute Geschäfte für die Zoos, in denen es den Menschenaffen, so Nogge, doch meist besser gehe als in der Natur, ja fast zu gut: “Denn der Aufwand, den sie noch betreiben müssen, ihre essentiellen Lebensbedürfnisse zu befriedigen, ist so gering, dass es ihnen langweilig zu werden droht und sie deshalb anderweitig beschäftigt werden müssen.”

Menschenaffen, wie Nogge mit Blick auf das Great Ape Project schreibt, das die aktuelle Zoodebatte losgetreten hat, “können keine Menschenrechte wollen”. Stimmt, aber das behauptet auch niemand. Allerdings wollen sie gewiss auch keine “Botschafter” sein für ihre freilebenden Artgenossen, wie Nogge behauptet. Sieht man sich an, unter welchen Bedingungen sie unter seiner Ägide im Kölner Zoo gehalten wurden, geraten seine Botschaftersprüche ohnehin zum schreienden Zynismus.

Dass Nogge ein nicht eben ungetrübtes Verhältnis gerade zu Menschenaffen hat, mag darin begründet liegen, dass er zu Beginn seiner Amtszeit von einem Schimpansen seines Zoos übel zugerichtet wurde. Dieser Schimpanse, Petermann genannt, war 1949 als Kleinkind irgendwo in Afrika eingefangen und nach Europa verschifft worden. Er kam in den Kölner Zoo und wurde vom damaligen Direktor “von Hand” aufgezogen. Bald schon musste er andressierte Kunststücke vorführen oder stundenlang im Kassenhäuschen sitzen und Eintrittskarten ausgeben. Über Jahre hinweg steckte man ihn zur Karnevalszeit in eine bunte Gardeuniform und reichte ihn von einer Prunksitzung zur nächsten. Wie er den Trubel, die Blitzlichter, das Herumgezerre an ihm verkraftete, kümmerte niemanden. Als er im Alter von etwa zehn Jahren immer aggressiver und unkontrollierbarer wurde, mussten seine öffentlichen Auftritte im Jahre 1958 eingestellt werden.

Er wurde in einen 10qm großen, rundum verfliesten Einzelkäfig gesperrt, wo er in tiefe Depression verfiel, unterbrochen nur von wiederkehrend auftretenden Tobsuchtsanfällen. Die folgenden 27 Jahre vegetierte Petermann in seinem winzigen Fliesenbunker vor sich hin, ohne Beschäftigung, ohne Sozialkontakt, ohne Möglichkeit, sich wenigstens zeitweise in einem Außengehege aufzuhalten, da solches für ihn nicht vorgesehen war. Eines Tages im Oktober 1985 schaffte er es, die Tür seines Käfigs zu öffnen und die Flucht anzutreten. Zunächst schlug er einen Wärter nieder, dann fiel er über den zufällig des Weges kommenden Nogge her, dem er lebensgefährliche Verletzungen im Gesicht zufügte und ihm obendrein ein Ohr und zwei Finger abbiss. Die Polizei rückte mit Scharfschützen an und erschoß Petermann noch auf dem Zoogelände. Nogge überlebte nur dank einer sofort eingeleiteten Notoperation.

Nach seinem Tod wurde Petermann zur Symbolfigur der anarchistischen und linksalternativen Szene Kölns, sein Angriff auf Nogge wurde zum “Kampf der geknechteten Kreatur gegen Unterdrückung und Ausbeutung” stilisiert. Selbst in bürgerlichen Kreisen erinnert man sich bis heute mit einiger Schadenfreude an Petermanns Attacke, zumal Nogge, der seiner extrem autoritären Amtsführung wegen noch nie sonderlich beliebt war, sich nach seiner Pensionierung 2006 mit von vielen als heillos überzogen empfundenen Versorgungsansprüchen zusätzlich unbeliebt machte.