Wenig überraschend waren allerdings auch die Reaktionen einiger CDU-Stadträte. Falko Pietsch (gbs Dresden) sprach einen von ihnen unmittelbar vor der Sitzung an: “Dürfen wir sie bitten, bei der anstehenden Abstimmung auch an die über 80% der Bevölkerung von Leipzig zu denken, die keiner christlichen Kirche angehören und die sich wünschen, dass diese Gelder in Bildung und Kultur der Allgemeinheit zu gute kommen?” Die Antwort des CDU-Mannes: “Ja, sie dürfen. Aber ich werde es nicht tun.”
Ein anderer ergänzte mit Blick auf das “Elfte Gebot”: “Das ist das Albernste, was ich je erlebt habe.” Ein dritter blickte auf das Info-Material, welches ihm überreicht wurde, las die Überschrift des Offenen Briefes und entgegnete knapp: “Dieses Argument-Papier will ich nicht - aber das Bild von dem Moses nehm ich mit.”
Die christlichen Politiker zeigten enormes Unverständnis gegenüber dem Wunsch des Großteils der Bevölkerung nach mehr Trennung von Kirche und Staat. Im übrigen steht ihre Haltung damit offenbar auch konträr zur Einstellung vieler Christen an der Basis.
Abgeordnete von Bündnis ’90/Die Grünen hatten im Vorfeld den Antrag eingebracht, den Zuschuss bei 300.000 Eurozu deckeln. Niklas Geimer (gbs Jena) erfuhr von manchen Grünen, dass sie persönlich eigentlich jegliche Bezuschussung des Kirchentages ablehnten. Allerdings hielten sie es für aussichtslos, dass eine solche “radikale” Forderung im Stadtrat mehrheitsfähig sein könnte - daher der Kompromissvorschlag.
Wenn aber nur 5% der BürgerInnen von Leipzig katholisch sind, woher kommt dann die Mehrheit im Stadtrat für eine Förderung des Katholikentages? Aufschlussreich könnte u.a. folgende Äußerung einer Abgeordneten der Linken sein: “Ich werde nicht für die Million stimmen. Aber die 300.000 Euro soll der Katholikentag ruhig haben.” Gefragt nach einer Begründung antwortete sie: “Der evangelische Kirchentag 2011 hat ja in Dresden auch eine große Summe zur Verfügung gestellt bekommen. Da ist es nur fair, dass wir auch großzügig sind. Ich gehöre ja der Evangelischen Kirche an. Wir wissen, dass wir als Christen in Sachsen eine Minderheit sind und da sollten die Kirchen auf politischer Ebene schon zusammenhalten.”
Dies gilt offenbar selbst dann, wenn es auf Kosten aller SteuerzahlerInnen geschieht, auch der übergroßen Mehrheit der dezidiert kirchenfernen Menschen in Sachsen. Auf Kosten auch der Bildungs- und Kulturförderung in Leipzig.
Die Debatte im Stadtrat verlief tatsächlich kontroverser, als manche Abgeordnete sich das vorher vorgestellt hatten.
“Warum der Steuerzahler Kirchentage überhaupt subventionieren soll, wurde im Vorfeld der Sitzung am 16. Juli ebenfalls kurz und heftig debattiert. Angesichts der klammen Haushaltslage der Stadt Leipzig von manchen als Unverfrorenheit empfunden, ging die Kritik im Vorfeld längst bis in den Bereich der Frage, ob staatliche Institutionen die Ausrichtung von religiösen Festen überhaupt in einer Gesamthöhe von 4,5 Millionen subventionieren sollten.”, berichtet die L-IZ
Schließlich war es Stadträtin Ursula Grimm (CDU), welche beantragte, die Abstimmung über den Zuschuss für den Katholikentag von der Tagesordnung zu nehmen und erst nach der Sommerpause behandeln. Interessant hierbei war die Begründung: In den vergangenen Tagen hätten sich “Informationsdefizite” aufgetan. Dabei war das Gegenteil der Fall: In den vergangenen Tagen hatten mehr und mehr regionale Medien über den anstehenden Katholikentag und seine Finanzierung berichtet, hatten die Bürgerinnen und Bürger von Leipzig mehr Fragen gestellt und auch die Stadträte umfangreiche Informationen zu diesem Thema erhalten.
Das Ringen des Katholikentages um die vierte Million wird also im September weitergehen. Der Widerspruch zu diesem Ansinnen ist in den vergangenen Tagen lauter und vernehmlicher geworden.
Die Botschaft von David Faragos Moses-Skulptur hat Spuren in Leipzig hinterlassen: Enormes Medien-Echo, offenkundige Verunsicherung bei den Christdemokraten, Bestärkung bei den säkularen Abgeordneten. Viele Menschen auf den Straßen dankten den Initiatoren und Betreuern der Kunstaktion für den Einsatz und die kreative Form des Protests und der Aufklärung.
Bleibt zu hoffen, dass Leipzig ein Vorbild werden kann: Sollte der Stadtrat im September gegen eine Mitfinanzierung des Katholikentags stimmen, wäre Leipzig die erste Gastgeberstadt eines Kirchentages, in der das gelingt. Dies wäre ein Zeichen, dass ein zeitgemäßer Staat besser in Bildung, Kultur und Infrastruktur investiert, statt in Missionsveranstaltungen.