(hpd) Der Philosophieprofessor Franz Josef Wetz plädiert in seinem beachtenswerten Buch für eine liberale Bioethik und Biopolitik, orientiert an menschlicher Selbstachtung, insbesondere an den Heilungs- und Freiheitsinteressen der Bürger.
Als Einstieg wählt Wetz das Verhältnis zum Körper. In der abendländischen Kulturgeschichte wurde dieser ignoriert und verachtet wie sonst nichts. Heute jedoch wird Körperkult hoch gehandelt, der Körper soll interessant und erotisch, gesund und durchtrainiert sein – er ist zu einer Fläche öffentlicher Selbstinszenierung geworden. Der schöne Körper ist machbar, ein gestaltbares Ding – ein Bild, das, so Wetz, mit der medizinischen Vorstellung des Körpers als eines reparier- und manipulierbaren Objekts aufs Genaueste übereinstimmt. Man ist selbst verantwortlich für das eigene gesunde Leben.
Nach diesem Aufriss zum veränderten Körperbewusstsein schreitet Wetz das weite Feld der heutigen biotechnischen Möglichkeiten ab und vermisst es mit dem Maßstab der zunächst zu definierenden Menschenwürde. Auf der Grundlage zweier Fragekategorien werden die biotechnischen Verfahren geprüft: 1. ob die von Biotechnik und Biomedizin verfolgten Ziele mit der Menschenwürde vereinbar sind. Und 2. ob die benutzten Mittel die gesteckten Ziele erreichen bzw. ob die verwirklichten Ziele mit den erwarteten Folgen übereinstimmen.
Angenehm ist die Zusammenfassung der Thematik und deren kurze Bewertung bereits in der Einleitung.
Zu den Bereichen Patentierung von Genen, Versuche an einwilligungsunfähigen Patienten, Genomanalyse und Gendiagnostik, Eingriffe ins menschliche Erbgut, Gendoping, Embryonen, Stammzellen, Präimplantationsdiagnostik, Neuroimplantate, reproduktives Klonen, künstliche Befruchtung, Schwangerschaftsabbrüche, Organspenden, Patientenverfügungen, Sterbehilfe, Beihilfe zur Selbsttötung, Schmerztherapie und dem Umgang mit Leichen, beschreibt Wetz zunächst die biologischen bzw. medizinischen Verfahren sowie die derzeitige Gesetzeslage, und untersucht anhand seiner entwickelten Kriterien, inwieweit der jeweilige Inhalt mit der Menschenwürde vereinbar ist und deshalb unter bestimmten Bedingungen erlaubt oder nicht erlaubt sein sollte.
Sämtliche Gesetze werden infragegestellt
Hier stellt Wetz beinahe sämtliche bestehenden Gesetze mit logisch aufschlussreichen Darlegungen in Frage. Er berücksichtigt dabei stets den heterogenen Wertekanon unserer heutigen Gesellschaft und plädiert eben deshalb für einen liberalen Staat mit individuellen Entscheidungsmöglichkeiten der Bürger je nach ihren Wertevorstellungen.
Sätze wie: „Man sollte die Menschenwürde gerade dann achten, wenn es sie nicht gibt, damit es sie gibt“, veranschaulichen die prinzipielle Herangehensweise des Autors an das Thema Menschenwürde. Interessante und überwiegend erfreulich nachvollziehbare Reflexionen zeichnen das Buch insgesamt aus. Fein säuberlich trennt Wetz immer wieder zwischen Vorgehen bzw. Handlung und Absicht, zwischen dem Existenten („behinderter Mensch“) und dem Allgemeinen („Behinderung“), was der Argumentation auf angenehme Weise zugute kommt. Er bleibt pragmatisch, indem er auf das „Wesen“ des Menschen verweist sowie auf die Notwendigkeit, als Staat wissenschaftlich, technologisch und ökonomisch konkurrenzfähig zu sein.
Nicht in allem wird Wetz übereinstimmende Resonanzen hervorrufen – den einen wird er zu radikal die bestehenden Weltsichten und Gesetze in Frage stellen, den anderen vielleicht sogar an einigen Stellen zu wenig Konsequenz an den Tag legen, wie etwa beim reproduktiven Klonen oder der letztendlichen Unterscheidung zwischen Mensch und Nicht-Mensch, mit der beispielsweise Tierschützer sicherlich Probleme haben werden.
Insgesamt hat Franz Josef Wetz jedenfalls mit Baustelle Körper einen anregenden, diskussionswürdigen und höchst informativen Beitrag zur Bioethik-Diskussion vorgelegt.
Fiona Lorenz
Franz Josef Wetz: Baustelle Körper. Bioethik der Selbstachtung, Klett-Cotta.
Das Buch ist auch im denkladen erhältllich.