Das kolumbianische Verfassungsgericht hat Abtreibungen bis zur 24. Schwangerschaftswoche legalisiert. Damit bewahrt es tausende verzweifelte Menschen vor illegalen und medizinisch unsicheren Abtreibungen sowie Haftstrafen. Bei der Entscheidung für die 24. Woche stützte sich das Gericht auf medizinische, statt auf politische Standpunkte.
Mit der Entscheidung, Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren, folgt Kolumbien dem argentinischen Vorbild zur Verbesserung vor allem der Gerechtigkeit und der Frauengesundheit. Jedes Jahr mussten verzweifelte Schwangere illegal und medizinisch nicht versorgt abtreiben. Etwa 400 mussten jedes Jahr wegen Abtreibung vor Gericht oder gar ins Gefängnis. Vor Gericht standen sogar Minderjährige, die nach vorheriger Gesetzeslage hätten legal abtreiben dürfen, da ein Schwangerschaftsabbruch bei schwerer Deformation des Fötus, Gefahr für die Gesundheit der Schwangeren und Schwangerschaft als Konsequenz sexueller Gewalt legal war. In Kolumbien gebaren im Jahr 2020 über 4.000 Minderjährige zwischen 10 und 14 Jahren. Ein Alter, in dem eine Schwangerschaft immer als Konsequenz sexueller Gewalt eingestuft wird.
Ein Umstand, der medizinischem Personal und Behörden scheinbar oft genug weniger wichtig war, als erzwungene Mutterschaft durchzusetzen, indem gegen Schwangere ermittelt wurde oder ihnen der Zugang zum Abbruch der Schwangerschaft durch die Verzögerung von Fristen unmöglich gemacht wurde.
Ob sich die Haltung des medizinischen Personals ändert, ist fraglich. Obwohl sich das Verfassungsgericht bei der Festsetzung der Frist bis Woche 24 auf medizinischen Rat stützte, statt eine politisch eher willkürlich festgelegte Frist von 12 oder 14 Wochen aus der europäischen Politik zu übernehmen. Nach Angaben von Gynäkolog*innen sei es möglich, Föten, die in der 24. Schwangerschaftswoche geboren würden, zu retten. Damit wurde auch die Forderung einer legalen Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch ohne Fristsetzung ausgeschlagen. Obwohl der Blick nach Kanada, wo eine Schwangerschaft ohne Angabe von Gründen in jeder Schwangerschaftswoche und medizinisch begleitet beendet werden kann, zeigt, dass auch dort die Entscheidung zur Abtreibung rasch gefällt und durchgeführt wird, wurde eine Frist gesetzt.
Neben der legalen Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch fordert das Verfassungsgericht noch weitere Maßnahmen. Diese sollen alle Hindernisse zur Ausübung sexueller und reproduktiver Rechte ausräumen. Somit soll Zugang zu Aufklärungsprogrammen mit Informationen zu Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsplanung, Unterstützung für Schwangere und Zugang zu Adoptionsmöglichkeiten gewährt werden.
Für Kolumbien und weitere südamerikanische Länder ist diese Entscheidung ein großer Schritt und gutes Beispiel für reproduktive Gerechtigkeit. Hatte es doch jahrelanger Kämpfe von Frauen- und Menschenrechtsgruppen und dem Einsatz gegen Forderungen rechtskonservativer Kräfte bedurft.