Auf einem Friedhof im nordrhein-westfälischen Mengede dürfen nach jüngstem Beschluss nur noch Trauerredner mit theologischer Ausbildung und Willen zum "Vaterunser"-Sprechen tätig werden. Der Humanistische Verband Deutschlands in NRW, der seit Jahren weltliche Trauerredner ausbildet, findet das höchst befremdlich.
Am 06. September 2022 ging ein Anruf der Evangelischen Noah-Kirchengemeinde in Mengede beim Humanistischen Verband Deutschlands – Nordrhein-Westfalen (HVD-NRW) ein. Die Mitarbeiterin wollte aufgrund einer Nachfrage eines Bestatters wissen, ob die SprecherInnen des HVD auch das "Vaterunser" sprechen, eine Aussegnung vornehmen können und eine theologische Ausbildung besäßen.
Laut Satzung des Friedhofs ist dies Voraussetzung, um eine Trauerrede auf dem Friedhof halten zu können. Nach Recherche findet sich kein solcher Passus in der Friedhofssatzung vom 10. April 2019. Auf Nachfrage am 08. September 2022 antwortete die Mitarbeiterin, dass es sich hierbei um einen aktuellen Beschluss des Presbyteriums der Gemeinde handelt.
Die Sprecherinnen und Sprecher des Humanistischen Verbandes sind weltlich, eine theologische Ausbildung ist ihnen ebenso fremd wie das "Vaterunser" oder gar die Aussegnung. Die Entscheidung des Presbyteriums bedeutet, dass auf dem Friedhof der Gemeinden in Mengede und Bodelschwingh keine Verstorbenen ohne christliche Rituale bestattet werden dürfen. Möglicherweise ist das gut für die Mitgliederstatistik der evangelischen Kirche.
Das Engagement dieser Gemeinde für das Seelenheil Verstorbener muss bewundert werden, knüpft es doch direkt an die mittelalterliche Vorstellung an, dass die geweihte Erde des Friedhofes nur für die Getauften und anständigen Christen gedacht ist.
Jetzt könnte man auch der Ansicht sein, dass eine solche Maßnahme ausgrenzend ist, aber wer möchte so etwas der toleranten und weltoffenen evangelischen Kirche vorwerfen?
Wer aus welchen Gründen auch immer nicht Mitglied einer christlichen Kirche ist, kann sich natürlich dort bestatten lassen, muss aber akzeptieren, dass er mit kirchlichem Segen und "Vaterunser" beigesetzt wird. Wem die Religion zu Lebzeiten egal war, den wird es, wenn er tot ist, erst recht nicht stören.
Eine Trauerfeier ist eher eine Angelegenheit für die Angehörigen und Freunde und genau darauf zielt dieser Beschluss. Wem es beim letzten Weg und dem Abschied eher darum geht, das gelebte Leben zu feiern, der sollte sich einen anderen Friedhof suchen. Denn in Mengede gibt es nur Aussegnung und das "Vaterunser", die Würdigung des gelebten Lebens ist da eher zweitrangig.
Natürlich kann und soll die Kirchengemeinde selbst bestimmen, wer mit welchen Ritualen auf ihrem Friedhof beigesetzt wird. Umso wichtiger, dass man im Vorfeld weiß, auf was man sich einlässt, wenn man einen evangelischen Friedhof wie den der Noah-Gemeinde auswählt.
Glücklicherweise gibt es auch in Mengede städtische Friedhöfe – mit dem Hainfriedhof an der Grenze zu Castrop-Rauxel sogar einen sehr schön gelegenen. In einer säkularen Welt gibt es zum Glück viele Alternativen.
9 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Es ist in letzter Zeit festzustellen, dass die beiden Konfessionen sich immer mehr in alle möglichen Lebensbereiche der Menschen einmischen um wieder mehr Macht über diese zu generieren.
Norm wird um derartig erschlichener Macht ein Riegel vorgeschoben wird.
wolfgang am Permanenter Link
Wir haben in Deutschland einer Religionsfreiheit, das bedeutet aber auch, das man keine Nachteile hat, wenn man keiner der etablierten Religionen angehört.
Sie nennen sich Christen aber unter ihren Schafspelzen sind sie reißende Wölfe.
Johann Wolfgang von Goethe
Roland Weber am Permanenter Link
Da hier in den letzten Tagen Anlass war, auch einmal das Subsidiaritätsprinzip ins Auge zu fassen (Kurz: Wo ein freier, insbes.
Natürlich suchen die Kirchen aufgrund dieser Vorlage neue Geschäftsbetätigungen. Schließlich gibt es gerade im sozialen Bereich immer eine weites Feld denkbarer Betätigungen (Drogen; Haft; Altenbetreuung), die dann bei Aufnahme staatlich gefördert werden müssen oder nur schwer verweigert werden können. Leider wurde auch schon bei Kindergärten immer hingenommen, dass „es halt so sei“ und es am Ort eben oft nur einen konfessionellen Kindergarten gab.
Das Subsidiaritätsprinzip ist allerdings längst keine Selbstverständlichkeit, sondern ein von den Kirchen aufgrund einer speziellen Vorschrift im Jugendrecht als allgemeines Prinzip in das Verhältnis Staat-Kirchen hinein-gemogelt. So wie es dann ausuferte, war es nie gedacht. Schon weil es dem Grundrecht auf Religionsfreiheit widerspricht. Dass es dem Staat in früheren Jahren oft recht war, wenn er „im Einklang mit den Kirchen“ auftrat, so wird dennoch kein akzeptables Recht daraus.
So wenig ein katholisches Krankenhaus die Aufnahme eines Atheisten oder Andersgläubigen ablehnen kann, kann auch kein kirchlich betriebener Friedhof die Bestattung eines Nicht-Christlichen bzw. Nicht-Gebetsfreudigen ablehnen. Bei Krankenhäusern spielt schon lange aus gutem Grund der Bezug zu einer Religion keine Rolle mehr. Schließlich weiß jeder, dass dahinter die staatliche Finanzierung und nicht die kirchliche steht. Bei Kindergärten wurde die Aufnahme nach meinem Wissensstand noch nie abgelehnt, da man so ja bei Eltern zwangsläufig einen guten Eindruck machen und ein Kind möglicherweise auf „den rechten Weg“ bringen konnte.
Der Staat muss in jedem Fall einer Bestattung eine zumutbare Alternative – für den Verstorbenen, seine Verwandten und sein soziales Umfeld - bereithalten. Niemandem steht es dabei, zu irgendwelche kultischen Handlungen zu verlangen oder zu veranstalten.
Bestattungen sind eine staatliche und keine kirchliche Angelegenheiten – ggf. müsste dies in einem Klageverfahren klargestellt werden. Auch eine Friedhofsordnung muss mit dem Verfassungsrecht in Einklang stehen (u.a. Religionsfreiheit, Gleichbehandlungsgrundsatz).
Beschränkungen müssen geboten sein und im Hinblick auf die sozialen Gegebenheiten gegebenenfalls angepasst werden, wie inzwischen an vielen Orten Bestattungen ohne Sarg geduldet werden oderwie demnächst wohl auch die Mitnahme von Urnen zu erwarten ist .
Klaus Bernd am Permanenter Link
Nun ja, es ist halt ein „evangelischer“ Friedhof. Da bestimmt die Noah-Gemeinde, was abgeht. Würde mich nur mal interessieren, wie die (Grund-)Besitz-Verhältnisse tatsächlich sind.
“Bunt wie der Regenbogen in der biblischen Geschichte von Noah ist das Gemeindeleben im Dortmunder Westen.“
Das finde ich dermaßen typisch für den Gottesglauben: Der HERR hat gerade fast die ganze Menschheit ersäuft und jetzt feiern die paar AUSERWÄHLTEN, Davongekommenen den Regenbogen. Irre Egozentrik ! Man sieht auch die Ambivalenz in der Einstellung der Gläubigen zu diesem Text: Einerseits besteht man auf der Historizität des Ereignisses, andererseits verweist man sie als „biblische Geschichte“ mehr in das Reich der Märchenerzählungen.
Roland Fakler am Permanenter Link
Braucht jede Sekte ihren eigenen Friedhof?
wolfgang am Permanenter Link
Jeder hat ja auch seine eigene Kneipe.
Su Blöchinger am Permanenter Link
Was kann man denn anderes erwarten von einer Gemeinde, die sich ausgerechnet nach einem der wenigen Überlebenden eines göttlichen Genozids benennt.
Hubert Berghaus am Permanenter Link
Das ist religions-politisch motivierter Extremismus
Peter am Permanenter Link
Werden dort auch Muslime oder Juden bestattet und wie sieht es dann aus? Wenn es kirchlicher Grund ist, kann die Kirche machen was sie will.