Evolution und Kreationismus in Wissenschaften.
TRIER. Bildungskongress an der Universität
vom 15.-17. Juni 2007 (Teil 2).
Evolutionstheoreme
Der Trierer Professor für Ethnologie, Christoph Antweiler, der die Tagung ausrichtete, unternahm mit „Evolutionstheoreme in den Sozial- und Kulturwissenschaften" den (gelungenen) Versuch, die bis dato angefallenen Ergebnisse auf einen Nenner zu bringen. Zunächst stellte Antweiler fest, dass in Deutschland die Vertreter evolutionistischer Theorien sich in der „totalen Minderheit" befänden. Die Geisteswissenschaft insgesamt befas-se sich wenig mit Naturwissenschaften. Insgesamt finde er, so Antweiler, die Dichotomie Natur versus Kultur jedoch nicht sinnvoll, da „Kultur die Fortsetzung der Evolution mit anderen Mitteln" und der Mensch ein (weiterer, besonderer) Organismus – ein besonderes Tier – sei.
Faktoren sozialer Evolution seien
1. Zufall: a) kulturelle Mutation, b) Drift
2. Richtung gebende Kraft
3. Natürliche Selektion kulturell tradierter Verfahren
Antweilers Fazit: Kultur und Biologie sind kausal miteinander verknüpft, zwischen der biologischen und kulturellen Evolution bestehen Ähnlichkeiten bzw. Analogien.
Zu Religion meint Antweiler, Zweifel sei in der Wissenschaft prinzipiell institutionalisiert, in der Religion gelte Zweifel jedoch als individuelle Störung.
Recht und Grenzen evolutionsbiologischer Betrachtungen
Dr. Hans-Walter Leonard, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pädagogik in Bonn, referiert am 17. Juni zu „Recht und Grenzen evolutionsbiologischer Betrachtungen im Bereich des Humanen". Es bestünden, so Leonard, einerseits häufige Vorbehalte gegen die Biologie, andererseits gebe es einen „naturalistischen Fehlschluss", in dem an-gebliche biologische Unterschiede benutzt würden, um soziale Unterschiede – rassistische und sexistische Ideologien – zu legitimieren. Aus angeblichem biologischem Sein werde gesellschaftliches Sollen, z.B. schwache Frauen, Muttersein naturgegeben versus starke Männer, Jäger und Sammler. Die Linke wie auch die Frauenbewegung mit ihrer Tabula-Rasa-Theorie machten später soziale Einflüsse für Unterschiede geltend: „Wir werden nicht als Mädchen geboren, wir werden dazu gemacht".
Außerdem macht Leonard auf einen weiteren logischen Irrtum aufmerksam, indem je-mand statt einer causa efficiens (Wirkursache) eine causa finalis (Zweckursache) an-nimmt und damit die Zwecksetzung als Ausgangspunkt nimmt. Dieser Ansatz könne dazu dienen, einen gewissermaßen bezweckenden Schöpfer anzunehmen.
Insgesamt seien, so Leonard, „vereinfachende, unsinnige, pauschalierende" teleologische Aussagen seitens (Sozio-)Biologen, mit dem menschliches Verhalten erklärt würde, Wasser auf die Mühlen von Biologie-Kritikern. Denn aus dem Verhalten anderer Tiere wie Ameisen oder Löwen könne man nicht auf Ursachen oder Erklärungen eines ähnlichen Verhaltens bei Menschen schließen. Zudem seien nicht alle (menschlichen) Universalien auf die Biologie bzw. Selektion zurückzuführen, sondern es sollten auch andere Erklärungsmuster einbezogen werden. Beispielsweise würde in allen menschlichen Kulturen Nahrung zubereitet, gekocht und gebraten. Niemand käme auf die Idee zu sagen, das sei genetisch bedingt, sondern vielmehr so nützlich und sinnvoll, dass es sich überall durchsetze.
Biologismen - Eine Funktionskritik
Die Berliner Diplompsychologin Vanessa Lux - übrigens die einzige Frau, die referierte -, beschäftigte sich im abschließenden Vortrag des Kongresses mit „Biologismen in Soziobiologie und Evolutionärer Psychologie. Eine Funktionskritik." Auch bei Lux geht es um den Widerstreit Natur versus Kultur bzw. Gene versus Ausprägungen von Verhalten. Dar-über hinaus geht es Lux darum aufzuzeigen, wie angebliche, unterstellte „Jäger-und-Sammler-Verhaltensweisen" dazu genutzt würden, gesellschaftliche Ungleichgewichte zu erklären, indem so getan würde, als können beispielsweise Männer und Frauen nicht anders, als seien ihre Verhaltensweisen allein biologisch begründbar.
Lux sieht die DNA aber als Baustein, nicht als Bauplan. Neben dem Baustein DNA gebe es kulturelle und damit erlernte Faktoren - auch wenn diese weit verbreitet sein mögen -, mit denen sich menschliches Verhalten erklären ließe. In den Genen seien Anlagen verankert, die sich erst in einer bestimmten Kultur auf eine bestimmte Art prägen, d.h. die Grundlagen für Verhalten seien genetisch vorhanden, die Art der Ausprägung müsse kulturell vermittelt und erlernt werden.
In der Podiumsdiskussion, die am Ende des Kongresses steht, werden kurz- und langfristige Strategien zusammengetragen, mit denen die Referent/innen, die Teilnehmer/innen wie auch die Veranstalter/innen hoffen, eine gesellschaftliche Wirkung zu erzielen. Eine Resolution wird vorbereitet, die politischen Entscheidungsträger/innen zugestellt werden soll. Daher endet an dieser Stelle der Bericht von der Tagung, da die Autorin der Veröffentlichung der Resolution nicht vorgreifen möchte!
Insgesamt bot die Tagung sehr viel Anregung und Information zum Thema Evolution versus Kreationismus, sowohl auf wissenschaftlich-inhaltlicher wie auf politischer Ebene. Einige der klügsten Köpfe auf dem Gebiet der Biologie, Soziobiologie und Didaktik, zum Teil international renommiert, waren in Trier zusammen gekommen, um ihre Forschungsergebnisse zu präsentieren und darüber zu diskutieren, wie der Gefahr Kreationismus Einhalt zu gebieten sein könnte. Etliche Teilnehmer/innen waren von weit her angereist, um von diesem Ereignis zu profitieren. Bestürzend wie beschämend ist deshalb vor allem, dass aus Trier selbst keine Handvoll Wissenschaftler/innen oder aber die Presse anwesend waren, um von diesem aufschlussreichen Kongress zu berichten.
Die Tagung wurde in Gänze gefilmt, der Zusammenschnitt wird demnächst auf Youtube abgelegt.
Fiona Lorenz