Moscheebesuche von Schulklassen: Lehrreich oder Indoktrination?

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Symbolbild
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Viele Gymnasien besitzen eine Homepage, auf der Berichte zu Moscheebesuchen zu finden sind. Sie werden meist von Schülerinnen und Schülern verfasst und bieten so direkten Einblick in die Denkweise der jungen Erwachsenen. Wie nehmen sie die für sie meist fremde Religion wahr und welche Rolle spielen die Lehrenden?

"Die Frauen müssen bis zu den Handgelenken und den Knöcheln bedeckt sein, die Männer jedoch dürfen T-Shirts tragen und kurze Hosen […]. [Im islamischen Gebet] […] sind die Frauen entweder im hinteren Teil der Moschee oder in einem Nebenraum. Die Männer beten vorne."

Das Zitat aus einem Moscheebesuch der achten Klasse des Gymnasiums St. Ursula Dorsten weckt die Hoffnung, dass der Moscheebesuch zu einer kritischen Reflexion des Islam angeregt hat.

Auch der Bericht der siebten Klasse der Albert-Einstein-Schule beschäftigt sich mit der Rolle der Frau im Islam und zeigt unverhohlenes Unverständnis.

"Was ich beim Moscheebesuch interessant fand, war die Erzählung zum Frauenrecht. Fatima hat gesagt, dass Frauen immer hinten oder im oberen Stock sitzen, weil ihre Rückenansicht sexy ist (ich habe es so verstanden). Ich finde, dass es unfair ist. Selber Schuld [sic], wenn die Männer es unbequem finden. Warum müssen die Frauen immer irgendwie in die Ecke, ganz nach hinten oder sich oben verstecken? Wegen eines solchen Grundes?"

Solche kritischen Berichte sind eher die Ausnahme. Oft wird nur oberflächlich berichtet und das Essen auf dem Ausflug ist mindestens so wichtig wie existenzielle religiöse Fragen. Daran ist per se auch nichts auszusetzen. Ein Ausflug soll den Klassenzusammenhalt außerhalb des Unterrichts stärken und die jungen Autorinnen und Autoren verfassen die Texte in ihrer Freizeit.

Es gibt aber auch Berichte, in denen die Narrative der Vortragenden unreflektiert übernommen wird. Drei Antworten auf die Frage, warum im Islam Frauen und Männer getrennt beten:

"Frauen und Männer beten im Islam getrennt, damit sie nicht gegenseitig bedrängt fühlen und so ihr Gebet in Ruhe ausüben können."

"Männer und Frauen beten dabei getrennt, um sich nicht gegenseitig zu stören."

"So erfuhren wir zum Beispiel, dass Frauen und Männer im Islam getrennt beten, um die Konzentration zu erhöhen."

Mit solchen Erklärungen könnte die Trennung von Frauen und Männern in vielen gesellschaftlichen Bereichen begründet werden, in der Schule, im Beruf, im Schwimmbad, in öffentlichen Verkehrsmitteln. Mit viel gutem Willen können die Erklärungen noch als Versuch einer rationalen Begründung angesehen werden, aber folgende Aussage ist offensichtlich eine leicht zu durchschauende Ausrede:

"In dieser Moschee gibt es aus architektonischen Gründen zwei getrennte Gebetsräume, einen für Männer und einen für Frauen, mit jeweils getrennten Eingängen"

Wie gut, dass der Bundestag nicht aus architektonischen Gründen zwei Tagungsräume hat, ansonsten müssten Männer und Frauen getrennt debattieren.

Zusammengefasst sind die Berichte durchgehend positiv formuliert. Die Gastgeber werden als freundlich beschrieben und die Schülerinnen und Schüler konnten eine fremde Religion kennenlernen, was sie als Bereicherung empfinden.

In einigen Berichten werden die Rituale im Islam mit den Ritualen im Christentum verglichen, wobei besonders die Gemeinsamkeiten hervorgehoben werden. Hierin ist schon eine gewisse Asymmetrie der Betrachtung festzustellen. Es wird versucht, das Positive zu sehen, das Negative wird relativiert oder ausgeblendet.

Oft wird die Exkursion von den Lehrenden im Fach Religion durchgeführt. Bei den ca. 100 Berichten, die herangezogen wurden, fällt auf, dass die Rolle der Frau im Islam von evangelischen Klassen kritischer gesehen wird als von katholischen. Das ist naheliegend, da für Katholikinnen die Diskriminierung von Frauen nichts Ungewöhnliches darstellt, weshalb sie es auch im Islam nicht für kritikwürdig halten.

Die Sicht der Lehrenden

In den Aussagen der Schülerinnen und Schüler spiegelt sich auch die Meinung der Lehrenden wider. Welchen Einfluss üben sie aus und welche Richtung wird vorgegeben? Dazu auszugsweise ein Bericht von Lehrenden der Katholischen Grundschule St. Tönis über den Moscheebesuch von Viertklässlern:

"Offene Fragen aus dem Unterricht wurden dem Imam direkt gestellt. Warum beten Frauen und Männer getrennt? Warum ist der Verzehr von Schweinefleisch verboten und was passiert, wenn es versehentlich doch gegessen wird? All das interessierte unsere Schüler und sie zeigten einmal mehr, wie wichtig es ist, das vermeintlich Fremde kennen und auch schätzen zu lernen."

Der Formulierung "vermeintlich Fremde" kann zugestimmt werden. Menschen muslimischen Glaubens, die in Deutschland leben, sind genauso wenig Fremde wie Katholiken, Protestanten oder Humanisten in Deutschland. Sie sind schlicht Mitmenschen. Aber müssen wir alle Mitmenschen "schätzen lernen"? Jeder Mensch, auch im Grundschulalter, sollte sich aussuchen dürfen, welche Menschen er schätzt, zu welchen er ein neutrales Verhältnis hat und welche Menschen er nicht mag, zum Beispiel weil er mit ihrem Frauenbild nicht einverstanden ist. Warum wird wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass die Kinder einen Menschen schätzen lernen, der Frauen nicht die gleichen Rechte wie Männern gewährt, egal, wie seine Begründung sein mag? Dass sie sich eine eigene Meinung bilden und manche Menschen muslimischen Glaubens sympathisch finden andere nicht, dass sie den Islam faszinierend finden oder altmodisch, ist nicht vorgesehen.

Die Vorgaben der Politik

Noch klarer, in welche Richtung ein Moscheebesuch gelenkt werden soll, geht aus folgendem Text zur Vorbereitung eines Moscheebesuches des Landes Baden-Württemberg hervor:

"Der Verlauf des Besuchs sollte einvernehmlich vorbesprochen werden. […] Es geht darum, taktvoll auszuloten, ob Erkundung und Gespräch über eine bloße Führung hinaus möglich sind. Dabei dürfen die Gastgeber (und die Schülerinnen und Schüler) […] nicht überfordert werden. In der Klasse erarbeitete Fragen kann man vielleicht im Vorfeld schon weiterleiten."

Einfach eine Moschee zu besuchen und es den Schülerinnen und Schülern zu überlassen, ob und welche Fragen sie stellen, ist nicht vorgesehen. Schon im Vorfeld soll mit der Moschee ausgemacht werden, ob sie gewillt ist, Fragen zu beantworten. Wenn ja, wird angeregt, die Fragen vorab zu übermitteln. Und was ist mit "die Gastgeber dürfen nicht überfordert werden" gemeint? Ist ein Iman überfordert, wenn ihm eine kritische Frage gestellt wird? Sind die Schülerinnen und Schüler überfordert, wenn sie kritische Fragen stellen? Euphemistisch formuliert, sollen die islamischen Gastgeber mit "Samthandschuhen" angefasst werden. Ist das eine adäquate Herangehensweise für einen freiheitlich demokratischen Staat? Würde beim Besuch einer Parteizentrale auch im Vorfeld ausgelotet werden, welche Fragen gestellt werden dürfen? Würde eine Überforderung der Politikerinnen und Politiker und der Schülerinnen und Schüler bei kritischen Fragen befürchtet werden? Wenn ein Iman es ablehnt, Fragen, die ihm nicht genehm sind, zu beantworten, wäre es angebracht, auf den Besuch zu verzichten und das auch den Schülerinnen und Schülern mitzuteilen.

Aus humanistischer Sicht

Ein Moscheebesuch durch Schulklassen bietet die Chance, eine fremde Religion und die Menschen, die sie ausüben, kennenzulernen. Kritische Reflexion des Erlebten sollte eine Selbstverständlichkeit in einem säkularen Staat wie Deutschland sein. Gerade auch religiöse Schülerinnen und Schüler könnten ihren eigenen Glauben hinterfragen und neu bewerten. Das kann ihre Religiosität stärken oder mindern. Wichtig ist es, den Moscheebesuch ergebnisoffen zu planen und durchzuführen. Die Vorgaben der Politik gehen in eine andere Richtung. Friede, Freude, Eierkuchen scheint das oberste Gebot zu sein, nicht der selbstständig kritisch denkende Mensch, der stets auch seine eigene Auffassung hinterfragt.

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