Vergangenes Jahr wurden Menschenrechtlern zufolge 975 Iraner hingerichtet. Das Mullah-Regime nutzt Todesstrafen als Machtinstrument, um das Volk einzuschüchtern.
Die Zahl der Hinrichtungen in Iran ist im vergangenen Jahr abermals stark angestiegen. Die in Oslo ansässige Organisation Iran Human Rights (IHR) und die französische Organisation Ensemble contre la peine de mort (ECPM) haben in ihrem gerade erschienenen Jahresbericht 975 Fälle dokumentiert. Das entspricht einem Anstieg gegenüber dem Vorjahr um 17 Prozent und stellt den höchsten Wert dar, den die Organisation seit Beginn ihrer Aufzeichnungen im Jahr 2008 ermittelt hat. Mit 31 hingerichteten Frauen gab es 2024 auch den höchsten Frauenanteil seit Beginn der IHR-Aufzeichnungen. Zwei der Iraner, die 2024 hingerichtet wurden, seien im Zusammenhang mit den Massenprotesten nach dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini 2022 bestraft worden, heißt es.
Die vielen Todesurteile sind ein erschütternder Beleg der menschenrechtswidrigen Praxis der "Revolutionsgerichte" im Iran, die regelmäßig Todesurteile nach unfairen Gerichtsverfahren fällen, nachdem erzwungene 'Geständnisse' als Beweismittel verwendet wurden. Die Organisation Iran Human Rights (IHR) geht davon aus, dass die Dunkelziffer höher ist, da sie Hinweise auf weitere dutzende Hinrichtungen im Iran erhielten, die sie jedoch nicht ausreichend belegen konnten.
Schon im Januar hatte der Menschenrechtskommissar der Vereinten Nationen, Volker Türk, sich besorgt über die steigende Zahl von Hinrichtungen im Iran geäußert. Ein UN-Bericht dokumentierte, dass allein in einer Woche im Dezember des Vorjahres mehr als 40 Hinrichtungen stattfanden. Es sei "höchste Zeit, dass der Iran dieser immer weiter anschwellenden Flut von Hinrichtungen Einhalt gebietet", so der Menschenrechtskommissar. Die Todesstrafe sei unvereinbar mit dem Grundrecht auf Leben und berge das inakzeptable Risiko, dass Unschuldige hingerichtet würden.
Im iranischen Recht werden Straftaten wie Mord, Drogenhandel, Vergewaltigung und sexueller Missbrauch mit der Todesstrafe geahndet. Den UN-Angaben zufolge wurden im vergangenen Jahr die meisten Hinrichtungen wegen Drogendelikten vollstreckt. Todesurteile wurden aber auch gegen Dissidenten und Menschen vollzogen, die gegen das Mullah-Regime protestiert hatten.
Der Iran vollstreckt jährlich so viele Hinrichtungen wie kein anderes Land der Welt – dies gilt allerdings nur mit Blick auf öffentlich bekannte Fälle. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International geht nach eigener Darstellung davon aus, dass die Zahl der Exekutionen in China noch deutlich höher liegt. Für die Volksrepublik gibt es ebenso wie für Nordkorea keine verlässlichen Zahlen zur Anwendung der Todesstrafe.
Vom Autor erschien: Ohne Gnade – Eine Geschichte der Todesstrafe, Nomen Verlag, Frankfurt 2020, 230 Seiten, 22 Euro
