Lichtblick in Sachsen

HARTMANNSDORF. Christliche Werte vermitteln ist zum Schlagwort in Politik und Medien geworden. Rückbesinnung darauf hätte Konjunktur.

  Auch vor der Wirtschaft macht dieser Trend nicht Halt. Da fordern christliche Unternehmer mehr Menschlichkeit, „Rückbesinnung auf christliche Wurzeln" und mehr „Gottvertrauen".

Andererseits verbreitet sich eine trostlose Stimmung angesichts der zahlreichen Meldungen über Massenentlassungen und Stellenstreichung. Im Osten ist die Arbeitslosenquote besonders hoch. Aber Kinderkrippen- und Kindergartenplätze sind rar. Und obwohl zum Teil gut qualifiziertes, praxiserfahrenes, junges, flexibles Fachpersonal gesucht wird, haben junge Frauen mit Kindern fast keine Chance nach der Babypause schnell wieder einen Job zu finden. Denn die Menschenfreundlichkeit hört bei vielen Unternehmern (auch den so genannten christlichen) bei Frau mit Kind oder Arbeitnehmer über 50 auf.

Doch es geht auch anders, wie ein Beispiel aus Sachsen zeigt. Hier hat sich ein Unternehmer etabliert, bei dem sich Unternehmertum und Humanismus vereinen. Er weiß, so wie er seine Mitarbeiter behandelt, wirkt sich das direkt auf das Arbeitsklima in seiner Firma aus. Aber dazu braucht er nicht das ewige Brimborium mit christlichen Werten oder „betenden Bossen". Er ist einfach ein intelligenter Chef, für den Geben und Nehmen eine Einheit bildet. Und der Erfolg gibt ihm Recht.

Gunnar Grosse wurde 1939 in Stockholm geboren, nachdem seine Eltern nach Schweden umgesiedelt waren. Er machte Abitur, studierte in Stockholm und stieg in den Vorstand einer großen Versicherungsgesellschaft auf. Als sich 1989 die Grenzen zum Osten öffneten, war er neugierig auf die ihm unbekannte Heimat. Der Osten faszinierte ihn. Gunnar reiste 1990 nach Hartmannsdorf bei Chemnitz zum Bauernhof seiner Großeltern und überlegte ernsthaft, ob aus diesen verfallenen Gebäuden etwas Neues entstehen könnte.
Er hatte Visionen und wusste, dass sich hier ein völlig neuer Markt entwickeln würde. In dieser Zeit, in der zwar alle telefonieren wollten, aber nicht konnten, wagte Gunnar Grosse den Einstieg in den Telekommunikationsgroßhandel. Er gründete die Kommunikation Sachsen AG, kurz Komsa.

Bis dahin noch nichts besonderes, eine von vielen Firmengeschichten unserer Zeit.

Der gebürtige Schwede baute in der sächsischen Provinz ein bemerkenswertes Unternehmen auf. Die Komsa AG macht inzwischen mehr als 300 Millionen Euro Umsatz und zählt zu den 20 umsatzstärksten sächsischen Firmen. Das Unternehmen beschäftigt 850 Mitarbeiter und allein in diesem Jahr sind 150 neu eingestellt worden.

Der sorgsame Umgang mit Mitarbeitern und ihren Familien lohnt sich. Innerbetrieblich sorgt Grosse für eine familienfreundliche Personalpolitik: flexible Arbeitszeiten ohne Stechuhr, beliebige Varianten von Teilzeit und „Sabbatical-Lösungen" sowie individuelle Möglichkeiten, nach der Familienpause wieder in den Beruf einzusteigen, gehören zum Betriebsalltag. Das Unternehmen bietet einen ganzjährig und ganztags geöffneten Kindergarten gleich hinter dem ehemaligen Bauernhof mit einer zweisprachigen Erziehung und einem ambitionierten pädagogischen Konzept.

Die Anzahl der beschäftigten Frauen und Männer ist etwa gleich groß, auch in den Führungsebenen. Die Kompetenz der Alten wird bewusst im Betrieb erhalten und für die Jungen bietet er hervorragende Möglichkeiten Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Natürlich spart man auch, und zwar an Führungskräften von außen. Man setzt auf qualifizierte Mitarbeiter aus den eigenen Kreisen.

Zur "Firmenkultur" gehört neben der Familienfreundlichkeit eine flache Hierarchie und der Mangel an Statussymbolen.

Und wo ist denn nun bei den sogenannten christlichen Unternehmern das Mitgefühl und die „Liebe zum Menschen" zu spüren, nicht irgendwo in der Ferne Asiens oder Afrikas, sondern hier vor Ort, bei den Mitarbeitern, den Frauen, den Kindern? Sorgen sich jene Unternehmen um ihre Mitarbeiter und deren Familien? Müssten sich nicht gerade diese Unternehmen durch Kinder- und Familienfreundlichkeit, humane Arbeitszeiten, Engagement für ältere Arbeitnehmer und gerechte Entlohnung hervortun? Davon ist leider wenig zu hören. Und wenn man in diesen Unternehmen bei Wahlmöglichkeit lieber Christen einstellen möchte (so geäußert am Rande der christlichen Führungskräftekonferenz in Leipzig 2007), fragt man sich, sind christliche Mitarbeiter vielleicht einfach duldsamer, statt mit Lohn, mit Moral und Glauben abzuspeisen?

Und wenn sich ein christlich bekennender Schuhhändler aus rein christlicher Nächstenliebe in Afrika und Israel engagiert (was ja auch gut ist), akzeptiert er dennoch für 70% seiner Produkte, die in China und Vietnam gefertigt werden, mindere Qualität und Dumpingpreise bei der Herstellung. Und natürlich ist Geld bei ihnen kein Thema, viel Geld auch nicht. „Geld verdienen ist ein untergeordneter Punkt" (wahrscheinlich vorwiegend bei den Mitarbeitern), denn die christlichen Milliardäre lieben das Geld nicht. Angeblich „habe ja protestantische Lebensführung und rationale Unternehmensführung gemeinsam den Siegeszug des modernen Kapitalismus erst möglich gemacht" (Max Weber). Ob da nicht die katholischen Unternehmer ganz anderer Meinung sind? Wie dem auch sei, das so genannte christliche Wertebild hat sich wohl auch bei einem Kräuterschnaps-Hersteller noch nicht mal in der eigenen Familie durchgesetzt, denn Betrug dürfte auch bei den Katholiken nicht zur gängigen Glaubens-Praxis gehören.

Da ist es wohltuend, einen ehrlichen Unternehmer zu treffen. In der Komsa AG zeigt das Motto "Team is Money", dass Mitarbeiter- und Familienorientierte Kultur nicht Zufall und Selbstlauf ist, sondern sehr bewusst gepflegt wird. Aktuellstes Projekt in diesem Zusammenhang ist die neue, zweite Betriebskindereinrichtung "Weltenbaum". In der bereits bestehenden Tagesstätte werden zurzeit 44 Kinder betreut, die neue KITA bietet 70 zusätzliche Plätze. Bei alledem sind die Elternbeiträge im Vergleich mit Einrichtungen anderer Kommunen eher niedrig. Für die Ganztagsbetreuung bezahlen Eltern 84 € (Kindergarten) bzw. 140 € (Krippe) im Monat.

Folgerichtig bekam Grosse einige Preise für sein Unternehmen, unter anderem wurde er, nachdem er bereits 1999 als frauenfreundlichster Betrieb ausgezeichnet wurde, Sieger im Wettbewerb "Erfolgsfaktor Familie" 2005. Er begreift seine Firma als Fortsetzung der Familie mit anderen Mitteln, was auch sein schwedischer Führungsstil vermitteln sollte: "Man ist in einer schwedischen Firma nicht hinterhältig, und dass ein Chef die Familiensituation seiner Mitarbeiter kennt, ist selbstverständlich", sagt Grosse. Sein Erfolg, sagt Grosse, beruhe auf seinen jahrzehntelangen Erfahrungen im Vertrieb. Und auf drei Grundregeln: Ehrlichkeit, Vertrauen, Schnelligkeit. Religion und christliche Werte nennt er nicht. Denn genau das will er nicht vermitteln. Es geht auch ohne (vielleicht sogar besser, auf jeden Fall ehrlicher).

Auch dem Freistaat Sachsen ist das Engagement Gunnar Grosses nicht entgangen und er wurde im April dieses Jahres mit dem Sächsischen Verdienstorden ausgezeichnet.

Elke Schäfer