TÜBINGEN. (hpd) Von 20.-22. Juli hielt die „European Society for the Study of Western Esotericism“ (ESSWE) ihre erste europaweite Konferenz ab.
Tagungsort war Tübingen. Die ESSWE wurde 2005 ins Leben gerufen. Im Vorstand finden sich Männer zusammen, die in den letzten Jahren die geistesgeschichtliche Erforschung esoterischer, gnostisch-mystischer, hermetischer Denkströme in der abendländischen Kultur forciert haben. Vertreten sind neben anderen Kocku von Stuckrad (Herausgeber u.a des „Brill Dictionary of Religion“), Antoine Faivre (emeritierter Lehrstuhlinhaber für die Erforschung der esoterischen und mystischen Bewegungen der Neuzeit an der Sorbonne in Paris), dessen Kollegen Wouter Hanegraaf, Leiter des entsprechenden Instituts in Amsterdam, sowie Nicholas Goodrick-Clarke von der University of Exeter. Die ESSWE umfasst mittlerweile um die 160 Mitglieder, etwa 80 davon sind Studierende.
Das Bemühen, mit dieser ersten öffentlichen Konferenz fachliches Gewicht zu zeigen, war im Ablauf der Tagung deutlich spürbar. Weniger die Atmosphäre eines interdisziplinären, diskussionsfreudigen Arbeitstreffens durchwehte die kronleuchterbehängten Konferenzsäle. Vielmehr ließ das täglich 13-stündige, straff organisierte Programm – in dem sich englische und deutsche Vorträge im halbstündlichen bis stündlichen Takt abwechselten – kaum Raum für Diskussion. Die Vorträge behandelten eine Vielzahl historischer Spezialthemen (wie beispielsweise „Athanasius Kircher’s Construction of the Hieroglyphic Tradition“ oder „Spiritual Authority and the Transmission of Knowledge in Christian Kabbalah: The Case of Guillaume Postel [1510-81]).
Bemüht um wissenschaftliche Distanz zum Untersuchungsgegenstand, waren unter den Vortragenden jedoch etliche erkennbar, mit deren Neutralität es nicht weit her ist. Neben zwei Referenten des einschlägig bekannten Freiburger „Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene“, Gerhard Mayer und René Gründer, war auch Hans-Thomas Hakl geladen, der in dem esoterischen Magazin Gnostika seine Sympathien für esoterisch-faschistoide Menschenbilder und Gesellschaftskonzepte à la Julius Evola erkennen lässt.
Der gesellschaftskritische Blick auf die esoterischen Denkkonzepte schien bei den gut 80 Teilnehmenden der Konferenz hingegen ein Stiefmütterchendasein zu führen. Elitär ging es zu. Dass die Massen seit nahezu 150 Jahren die Esoterik für sich entdeckt haben, scheint hier niemanden besonders zu interessieren. Der Pöbel ist die Aufmerksamkeit der Esoterikforscher nicht wert, so hört man aus dem Pausengespräch einer Amsterdamer Studentin des neuen Studienganges heraus. Esoterik als gleichberechtigtes philosophisches Erkenntnismodell zu verteidigen, scheint das Herzensanliegen mancher Anwesenden zu sein. Die zur Schau gestellte weltanschauliche Neutralität liefert dem Vorschub.
Wohin die ESSWE treibt, wird sich zeigen. Die nächste europäischen Konferenz ist für 2009 in Strasbourg geplant.
Claudia Barth





