Seit Jahrtausenden richten Menschen den Blick gen Himmel, um Antworten auf ihre drängendsten Fragen zu finden. Nicht nur Nero, Wallenstein, Reagan und Mitterrand vertrauten bei wichtigen Entscheidungen auf die Astrologie, auch viele Unternehmer und Ratsuchende glauben an die Macht der Sterne. Kein Wunder, dass die Astrologie weltweit ein boomender Markt ist, der hohe Gewinnmargen verspricht.
Dabei gibt es keine wissenschaftliche Grundlage für die Annahme, Sterne oder Planetenkonstellationen könnten das persönliche Leben oder wirtschaftliche Entscheidungen beeinflussen. Die Astrologie lebt davon, dass sie vage und universell formuliert, dabei aber geschickt individuelle Bedürfnisse anspricht. Theodor W. Adorno beschrieb dieses Phänomen bereits 1958 in einem noch heute sehenswerten Fernsehinterview treffend als "traditionellen Aberglauben" und "Okkultismus".
Die "Horoskopschreiber" betrachtete der berühmte Philosoph als "Marktpsychologen, die die Verhaltensweisen derer, die ihnen ausgeliefert sind, genau kalkulieren und sich nach den Bedürfnissen und Eitelkeiten ihrer Auftraggeber richten, um sie bei der Stange zu halten". Adorno erschien die Popularität der Astrologie als Ausdruck gesellschaftlicher Ohnmacht. In seinen Augen waren viele Menschen sehr naiv und nicht mehr fähig, sich in den sozialen Prozessen zurechtzufinden und deshalb besonders empfänglich für diese Botschaften. "Der Aufwand an Apparatur und die Kompliziertheit, mit der astrologische Thesen verfochten werden, besagt an sich über ihre Substanzialität und Wahrheitsgehalt gar nichts", stattdessen werde mit dem ganzen "Brimborium" nur "der Anschein von Seriosität erweckt".
Trotz aller Rationalität der Moderne floriert die Branche wie nie zuvor. Allein in Deutschland schätzt die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften den jährlichen Umsatz auf 150 bis 250 Millionen Euro, bei rund 6.000 praktizierenden Astrologen. Global betrachtet ist die Dimension weitaus größer: Laut dem Marktforschungsinstitut Allied Market Research setzte die Astrologiebranche im Jahr 2021 weltweit rund 12,8 Milliarden US-Dollar um – Tendenz steigend. Es wird sogar erwartet, dass sich dieser Umsatz innerhalb der nächsten zehn Jahre verdoppelt.
Immer mehr Beratungen finden dabei digital statt: Apps wie "Co-Star", "Nebula" oder "The Pattern" liefern täglich personalisierte Horoskope an die Nutzer, oft unterstützt von Algorithmen und KI. Astrologie-Apps gehören zu den am schnellsten wachsenden Lifestyle-Anwendungen. Sie versprechen Antworten in Echtzeit, tägliche Sternendeutungen und individuelle Lebensratschläge – mit Abo-Modellen, die monatlich viel Geld kosten. Besonders in Indien ist die Nachfrage enorm: Bloomberg beziffert den dortigen Astrologiemarkt auf mittlerweile sieben Milliarden Dollar, weshalb sich auch zahlreiche Risikokapitalgeber daran beteiligt haben. Millionen junger Menschen suchen online astrologische Beratung für Partnerwahl, Karriereplanung und sogar Aktienmarktstrategien. Die am meisten gestellte Frage auf der indischen App-Plattform "Astrotalk" ist übrigens: "When will my ex come back?" ("Wann kommt mein Ex zurück?") Ein erfolgreiches Geschäftsmodell: Monatlich werden auf "Astrotalk" mehr als fünf Millionen bezahlte Konsultationen gezählt.
Astrogeografie und gefährliche Marslinien
Die Astrologie wird längst nicht nur für die private Sinnsuche herangezogen. Es gibt spezialisierte Wirtschaftsastrologen, die Unternehmen bei Personalentscheidungen oder Nachfolgeregelungen beraten. Beispielsweise wirbt Franziska Engel auf ihrer Homepage, dass man mit "astrologischen Insights Klarheit" gewinnen könne. Engel bietet nicht nur persönliche Horoskope an, sondern auch Firmenhoroskope. Diese seien einzigartig wie ein Fingerabdruck und zeigen Chancen und Risiken eines Unternehmens. Idealerweise sollte man daher die Sterne schon bei der Existenzgründung befragen.
Mit Hilfe von "Astrogeografie" kann man von Franziska Engel erfahren, wo auf der Welt sich der eigene Erfolg am besten verwirklichen lässt. Allerdings muss man darauf achten, nicht auf der Marslinie zu landen, die für Aggression und Risiko steht. "Hingegen bringt ein Umzug auf eine Sonnenlinie bei vielen Menschen ein Strahlen und ein 'Sich ganz in der eigenen Mitte fühlen' hervor." Es gibt Unternehmer, wie die Druckereibesitzerin Doris Bösmüller, die darauf achten, einen Vertrag nicht während des "rückläufigen Merkurs" zu unterzeichnen, um mögliche Komplikationen und bürokratischen Mehraufwand zu vermeiden. Was einst als esoterische Nische galt, ist heute zu einer Industrie der Sinnsuche geworden, bei der die Nutzer durch Mondzyklen und Aszendenten irrlichtern.
Doch das Geschäft ist alles andere als unproblematisch. Die Illusion von kosmischer Gewissheit kann kritisches Denken und eigenverantwortliches Handeln verdrängen. Wer astrologischen Rat befolgt, überlässt wichtige Entscheidungen nicht selten einer pseudowissenschaftlichen Fiktion – und zahlt dafür oft einen hohen Preis: viel Geld und den Verlust der Eigenverantwortung. Adornos Warnung hat an Aktualität nichts verloren: Die Sterne bieten keine Antworten, sondern verschleiern die sozialen und wirtschaftlichen Zwänge, die unser Leben tatsächlich prägen.
Astrologie ist damit weniger ein harmloser Zeitvertreib als ein Milliardengeschäft mit der menschlichen Sehnsucht nach Orientierung. Anstatt das Schicksal in die Hände von Horoskopschreibern, Astrologen und Apps zu legen, wäre ein nüchterner Blick auf die realen Ursachen der eigenen Probleme und Ängste hilfreicher – denn nur auf der Erde, nicht am Himmel, lässt sich das eigene Leben gestalten.






