Laizisten in der SPD

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UHU / Foto: Holger Bach (pixelio)

NÜRNBERG. (hpd) Am vergangenen Wochenende trafen sich in Nürnberg die Mitglieder einer Vorbereitungsgruppe zur Gründung eines offiziellen „Arbeitskreis Laizisten in der SPD“. Die Anwesenden beschlossen dabei vorläufige Forderungen als Vorschläge für einen Gründungskongress im Herbst 2010.

Im Haus des Humanistischen Verbandes (HVD) in Nürnberg hatten sich am vergangenen Samstag und Sonntag eine Gruppe von Sozialdemokraten versammelt, um über Themen und Positionen für den Gründungskongress im Herbst 2010 eines offiziell anerkannten „Arbeitskreis Laizisten in der SPD“ zu beraten.

Innerhalb der Parteien gibt es mittlerweile mehrere Gruppen christlicher Parlamentarier und Parteimitglieder, auch innerhalb der SPD, die „Christen in der SPD“. Das konfessionsfreie Drittel der Bevölkerung in Deutschland fand bisher keine direkte Vertretung im politischen Raum. Das soll sich jetzt, zumindest in der SPD, ändern.

Die Notwendigkeit einer derartigen Gruppe ist angesichts der aktuellen Dominanz von bekennenden Christen in der Regierung und den Parteien offensichtlich. Nicht nur der bisherige Bundespräsident (und vermutlich ebenso der künftige), auch der amtierende Bundestagspräsident und die Bundeskanzlerin vertreten offensiv christlich-kirchliche Positionen. In der SPD ist nicht nur die Generalsekretärin Nahles eine bekennende und aktive Katholikin, auch der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Steinmeier, ist öffentlich in der Verteidigung kirchlicher Positionen („Pro Reli“, „Radio Paradiso“) hervorgetreten. Von der Positionierung der beiden ehemaligen Spitzen der Linkspartei, Gysi und Lafontaine, die sich in der Betonung der Notwendigkeit und Ausschließlichkeit der christlichen Werte gegenseitig zu überbieten schienen, ganz abgesehen.

Notwendigkeit politischer Positionen der Konfessionslosen

In seinen Veröffentlichungen positioniert sich der Arbeitskreis für eine klare Trennung von Staat und Religion. Er will damit auch Vertretung und Sprachrohr der konfessionsfreien, atheistischen, agnostischen und humanistischen Mitglieder der SPD sein und die große Tradition des Humanismus, der Aufklärung und der Arbeiterbewegung der SPD pflegen. Dabei ist das keine Trennlinie, denn religiöse Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die für einen weltanschaulich neutralen Staat sind, sind ebenso im Arbeitskreis willkommen und sollen dort vertreten sein. Das Kernziel ist die Trennung von Staat und Religion, nicht die Bekämpfung von privater Religion.

Gegenüber den 12 Grundsätzen, die in der Vorbereitungsphase des Treffens der Arbeitsgruppe diskutiert worden waren, einigte man sich während des Vorbereitungstreffens in Nürnberg auf zehn Positionen.

Diese Positionen werden von der Vorbereitungsgruppe als vorläufig angesehen und auf dem Gründungskongress im Herbst 2010 zur Diskussion gestellt.

Wer sich an der Diskussion und am Arbeitskreis beteiligen möchte, ist von der Vorbereitungsgruppe „Laizisten in der SPD“ dazu herzlich eingeladen. Auch Nicht-SPD-Mitglieder sind willkommen, man muss sich jedoch anmelden und registrieren.
 

Dokumentation der Positionen
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Nach unserem Grundgesetz gibt es in Deutschland keine Staatskirche. Der Staat ist zu weltanschaulicher und religiöser Neutralität verpflichtet.

Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Durch zahlreiche Privilegien vor allem der beiden großen Kirchen wird diese Neutralitätspflicht des Staates vielfach verletzt.

Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich (Art. Art. 4 GG).

Diese Religionsfreiheit in ihrem vollen Umfang - nämlich als Menschenrecht, eine Religion zu haben und auszuüben, und gleichermaßen als das Recht, keine Religion zu haben und in keiner Weise an religiösen Handlungen teilhaben zu müssen – ist eine der bedeutendsten Errungenschaften im Emanzipationsprozess unserer freiheitlichen Gesellschaft. In enger Verbindung mit der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG ist sie ein schlechthin konstituierendes Merkmal der Demokratie.

Das bedeutet auch, dass der Staat religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaften und ihren Repräsentanten kein Wertemonopol zubilligen darf.

Die Sozialdemokratie hatte einen erheblichen Anteil an dieser Errungenschaft von aufgeklärter Staatsbildung, die wir für ein wertvolles Erbe der sozialdemokratischen Tradition halten.

Heute gehört mehr als ein Drittel der deutschen Bevölkerung keiner Religionsgemeinschaft mehr an. Die Konfessionsfreien stellen damit vor den Katholiken (30%) und den Evangelischen (29%) die größte weltanschauliche Gruppe in Deutschland. Der stetig wachsende Anteil von nicht-religiösen Bürgerinnen und Bürgern und auch die Pluralisierung der religiösen Bekenntnisse erfordern eine Neuausrichtung der Beziehungen zwischen Staat und Religion bzw. zwischen Staat und Bekenntnis- und Weltanschauungsgemeinschaften.

Zur vollen Gewährleistung der Religions- und Meinungsfreiheit bedarf es einer klaren Trennung von Staat und Religion. Der Staat muss sich aller religiösen und weltanschaulichen Bezüge enthalten, um nicht bestimmte Formen von religiösem oder weltanschaulichem Bekenntnis einseitig zu privilegieren.

Das erfordert die konsequente Verwirklichung der in Art. 140 GG festgeschriebenen vollen Gleichbehandlung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Das Staatskirchenrecht ist in geeigneter Weise fortzuentwickeln.

Forderungen

1. Gesetze und öffentlicher Raum müssen neutral bleiben

Verfassungen, Gesetze und öffentliche Bauten gehören allen Bürgern. Im Grundgesetz der Bundesrepublik und in den Landesverfassungen sowie sämtlichen weiteren Gesetzen haben alle Gottesbezüge zu unterbleiben. Zur Wahrung der weltanschaulichen Neutralität gehören religiöse Symbole nicht in Gerichte, Parlamente, Rathäuser, staatliche Krankenhäuser, Kindestagesstätten und Schulen sowie Behörden. Auch sind öffentliche Gebäude und Einrichtungen bei Neuerrichtung nicht "einzusegnen". Die Eidesformel ist neutral zu fassen.

2. Neutrales öffentliches Bildungswesen

Der Staat darf weder religiös bestimmte Erziehungsziele vorgeben noch – wie bisher in Art. 7 GG vorgeschrieben– einen Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an den Schulen gewährleisten. Statt des bisherigen Bekenntnisunterrichtes sollen alle Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrer Herkunft und Religionszugehörigkeit einen Unterricht über die ethischen Grundlagen des Zusammenlebens, über die Inhalte der großen Religionen und über die weltanschaulichen Grundlagen unserer Kultur erhalten. Bis zu einer entsprechenden Änderung der Verfassungen und Gesetze muss parallel zum konfessionellen Religions- und weltanschaulichen Unterricht auf allen Schulstufen ein gleichwertiger, neutraler (Religionskunde- und)* Ethikunterricht im Sinne eines Wahlpflichtfaches eingerichtet werden.

(*: Dieser Zusatz ist auf der Gründungsversammlung zu diskutieren und zu entscheiden.)

Religiöse Erziehungsziele für öffentliche Bildungseinrichtungen und Schulen sind in den Landesgesetzen zu streichen. Schulgebete, Schulgottesdienste und dergleichen in öffentlichen Schulen haben zu unterbleiben.

Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe bzw. des öffentlichen Schulwesens müssen überall ein ausreichendes Angebot an neutralen Bildungs- und Betreuungseinrichtungen (von der Kinderkrippe bis zur Jugendarbeit) bereitstellen. Ein regionales Religionsmonopol (z.B. eine einzige Kindertagesstätte am Ort in religiöser Trägerschaft) muss unzulässig sein.

3. Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen

Die Vorschrift des Grundgesetzes, alle auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften abzulösen (Art 140 GG i.V.m. Art. 138 Weimarer Reichsverfassung), ist bisher nicht erfüllt. Der Bundesgesetzgeber muss endlich die hierfür notwendigen Gesetze erlassen. Die direkte und indirekte Finanzierung der Klerikergehälter, der Theologenausbildung und des Religionsunterrichts sind zu beenden. Auch die vielfältigen „versteckten“ Leistungen – z.B. der Kommunen für kirchliche Baulasten, kirchliches Personal oder Dienst- und Materialleistungen an kirchliche Einrichtungen – sind abzuschaffen.

4. Abschaffung von Rechtsprivilegien

Alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sind nach dem allgemeinen Vereinsrecht zu behandeln. Die quasi-hoheitliche Sonderstellung der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, ist zu beenden.

Die Notwendigkeit der Austrittserklärung beim Standesamt und oder Amtsgericht ist abzuschaffen. Sie muss gebührenfrei sein.

Das Privileg, dass der Vertreter des Vatikans automatisch der Doyen des diplomatischen Corps ist, ist abzuschaffen. Die katholische Kirche ist in internationalen Gremien als NGO einzustufen, wie es bei allen anderen Religionsgemeinschaften bereits üblich ist.

Der Straftatbestand der „Gotteslästerung“ usw. (§ 166 StGB) ist ersatzlos zu streichen.

5. Abschaffung von Steuerprivilegien

Alle über allgemeine Gemeinnützigkeitsbestimmungen hinausgehenden Steuerprivilegien der Kirchen sind abzuschaffen. Die Einziehung der Kirchensteuer durch den Staat ist zu beenden. Die Kirchen sollen sich um ihre Mitgliedsbeiträge selbst bemühen.

6. Abschaffung von Finanzprivilegien

Über die Kirchensteuern hinaus beziehen bestimmte Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in den Bundesländern zusätzlich hohe Zuschüsse auf Basis von Konkordaten bzw. Staatsverträgen. Aus diesen Mitteln werden vom Steuerzahler z.B. Gehälter von Bischöfen und anderen Geistlichen, Kosten von Bistumsverwaltungen, Gebäudekosten, „Seelsorge“, theologische Lehrstühle und Hochschulen sowie der Religionsunterricht finanziert. Diese Staatsverträge sind so umzugestalten, dass sie sich auf ein sinnvolles Minimum, z.B. bei der Unterstützung kultureller Angelegenheiten, beschränken, wobei der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften einzuhalten ist. Die Finanzierung von Pfarrerstellen in öffentlichen Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen ist zu beenden.

Soweit sich Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften oder von ihnen getragene oder geprägte Organisationen gemeinnützig betätigen (z.B. als „freie Träger“), müssen bei der staatlichen Finanzierung und für die Beschäftigungsbedingungen die gleichen Maßstäbe wie für alle anderen Träger gelten.

7. Beendigung der Priesterausbildung durch den Staat

Die theologischen Fakultäten an staatlichen Hochschulen sind abzuschaffen. An ihrer Stelle sind religionswissenschaftliche Institute einzurichten. Alle kirchlichen Vorbehaltsrechte z.B. bei der Besetzung bestimmter Lehrstühle sind abzuschaffen. Konkordatslehrstühle sind in ordentliche Lehrstühle umzuwandeln.

8. Gleiche Mitarbeiterrechte

Über die für alle Tendenzbetriebe geltenden Besonderheiten hinaus dürfen die Rechte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht beschnitten werden. Die Sonderregelungen für religiöse oder weltanschauliche K.d.ö.R. im Betriebsverfassungsgesetz und im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz sind abzuschaffen. Den Beschäftigten der Kirchen und ihrer Organisationen sind Mitbestimmung, Koalitionsfreiheit und Tariffreiheit zuzubilligen. Die Religionszugehörigkeit oder das religiöse Verhalten dürfen jenseits eines engen, in herausragender Weise religiös oder weltanschaulich geprägten Kernbereiches von Beschäftigungsverhältnissen kein Einstellungs- oder Entlassungsgrund sein.
Diese Forderung gehört auch wieder in unser Grundsatzprogramm.

9. Keine öffentliche Militärseelsorge

Die staatliche Organisierung und Finanzierung der Militärseelsorge ist zu beenden. Der bisher von den Militärpfarrern gegebene, aber für alle Kriegsdienstleistenden verbindliche „Lebenskundliche Unterricht“ ist in ein neutralen, von einem dafür geeigneten Pädagogen erteilten Ethikunterricht umzugestalten. Öffentlich finanzierte Soldatenwallfahrten und ähnliche Unternehmungen sind nicht statthaft.
Geistliche und Theologiestudenten sind – solange die Wehrpflicht besteht – allen übrigen Wehrpflichtigen gleichzustellen und zum Militär- oder Zivildienst heranzuziehen.

10. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist kein Kirchenfunk

Die Rundfunkräte der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sind so umzugestalten, dass dort keine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft übermäßigen Einfluss erhält. Solange dort Vertreter der Religionsgemeinschaften sitzen, müssen auch Vertreter der nicht-religiösen Weltanschauungsgemeinschaften berufen werden.

Die Gewährung von Sendezeiten für sogenannte Verkündigungssendungen ist zu beenden. Die Finanzierung von durch kirchliche Medienkonzerne erstelltem Sendematerial ist zu beenden. Öffentlich-rechtliche Kirchenredaktionen wirken in der Regel als verlängerter Arm der kirchlichen Medienarbeit. Die Kirchenredaktionen sind daher aufzulösen und durch Redaktionen zu ersetzen, die sich des gesellschaftlich-kulturellen Themenbereichs von Religionen und Weltanschauungen in journalistisch geeigneter Art und Weise und mit der gebührenden kritischen Distanz annehmen.
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C.F.