ORF: Klein(er) Aufreger

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WIEN. (hpd) Österreichs WissenschaftlerInnen protestieren gegen den öffentlich-rechtlichen ORF. Der hat den Leiter der Religionsmagazine im Fernsehen, Gerhard Klein, auch zum Leiter der Fernseh-Wissenschaftsabteilung gemacht. Das löst Besorgnis aus, die Wissenschaftsberichterstattung könnte unter religiöse Vorherrschaft gelangen.

Religionsmagazine und Wissenschaftsberichterstattung aus einer Hand? Vielleicht nicht ganz der Fall beim ORF, aber immerhin werden beide Bereiche im Fernsehen ab sofort von Gerhard Klein geleitet. Der 57-Jährige war bisher nur für die Religionsberichterstattung verantwortlich. Was WissenschaftlerInnen in Österreich sauer aufstößt. Die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wondrak fragt sich in einem Interview mit der Tageszeitung Der Standard, "ob Wissenschaft nun zu einer Glaubensfrage wird". Der Sozial- und Kulturanthropologe und Wittgenstein-Preisträger Andre Gingrich sieht den ORF auf dem Weg "zurück in die 50er Jahre“. Österreichs größter Medienkonzern kopple sich von anderen Sendern im deutschsprachigen Raum ab, die ihre Wissenschaftsberichterstattung ausbauen würden. Die Entscheidung sei bestürzend. Andere fühlen sich an die Zustände im Italien eines Silvio Berlusconi erinnert.

Ein bemerkenswerter Aufstand in einem Land, in dem es als selbstverständlich gilt, dass der Staat die katholisch-theologischen Fakultäten auf den Universitäten finanziert und die Rechtsparteien ganze Wahlkämpfe damit bestreiten, die "christliche Identität“ Österreichs gegen einen angeblichen muslimischen Ansturm verteidigen zu wollen und wo auf den öffentlich-rechtlichen Regionalradios täglich die Mittagsglocken einer Kirche bimmeln.

Der ORF versucht zu beschwichtigen. Der betroffene Gerhard Klein, laut Wikipedia katholischer Theologe, sieht sich nicht als verlängerter Arm der Kirche. Die JournalistInnen der beiden von ihm geleiteten Abteilungen könnten sehr wohl unterscheiden, was Religion sei und was Wissenschaft. Sollte es zwischen Wissenschaft und Religion ein verkrampftes Verhältnis geben, so sei es nicht Aufgabe des ORF dieses zu entkrampfen.

Unklar bleiben die Kompetenzen des neuen Abteilungsleiters. Der ORF ließ die Frage des hpd unbeantwortet, ob die gemeinsame Leitung der Abteilung eine mögliche Vorstufe zu ihrer Fusion sei. Ebenso keine Antwort gab es auf die Frage, wie verhindert werden solle, dass Klein in der Wissenschaftsabteilung vielleicht nicht doch eher als Leiter der Religionsabteilung handle. Auch ob er die beiden Abteilungen dauerhaft oder nur interimistisch leiten werden, wollte oder konnte der ORF gegenüber dem hpd nicht beantworten.

Auffällig schweigsam zeigten sich Österreichs laizistische und atheistische Vereine. Trotz mehrerer Versuche von Mitgliedern, offizielle Reaktionen zu erwirken, kam es bis Mittwochabend zu keinen Presseaussendung. Einzig die AgnostikerInnen und AtheistInnen für ein säkulares Österreich protestierten auf ihrer Homepage www.ag-athe.at gegen die Entscheidung. "Eine Rückkehr ins Mittelalter. Danke ORF", schrieb AG-ATHE-Obmann Erich Eder. Deutliche Kritik kam auch von Erwin Peterseil, dem Betreiber von www.atheisten-info.at : "Dass bei einer öffentlichen Rundfunkanstalt die Wissenschaft eine Untergruppe der Religion ist und von einem Theologen geleitet wird, das gibt es vermutlich - falls es dort überhaupt was Wissenschaftliches gibt - nur bei Radio Vatikan, Radio Teheran und Radio Mekka."

Christoph Baumgarten