Wie Gott Rechtgläubige schon auf der Erde belohnen soll

"Jesus heilt alle deine Leiden"

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Viele Freikirchen sind überzeugt, dass Gott die Gläubigen beschützt und von Krankheiten befreit. Oder dass er sie schon zu Lebzeiten mit Wohlstand segnet.

Zentrale Fragen der christlichen Religion und Theologie lauten: Wie müssen wir uns das Wesen und die Funktionen von Gott vorstellen? Was sind seine Absichten, wie sollen wir sein Wirken interpretieren?

Die Bibel gibt zwar klare Antworten, doch diese wirken in manchen Belangen nicht sehr plausibel. So lässt etwa die Theodizee Zweifel an der Wahrhaftigkeit Gottes aufkommen. Dabei geht es um die nüchterne Erkenntnis, dass der angeblich barmherzige Vater im Himmel die Erde für viele Menschen zur Hölle verkommen lässt. Leid und Elend passen schlecht zum Bild des gütigen Gottes.

Seit dem Holocaust ist Gott für viele Menschen gestorben. Sie argumentieren: Wie konnte Gott es zulassen, dass im Dritten Reich ein Großteil seines auserwählten Volkes gequält und bestialisch ermordet wurde?

Ein weiterer Streitpunkt betrifft die Frage, ob Gott Einfluss auf den Weltenlauf nimmt, sich den Gläubigen manifestiert und sie schon im irdischen Leben begleitet oder beschützt. Zu diesem Aspekt sind die biblischen Aussagen großmehrheitlich eindeutig.

So wird die Gnade Gottes den Christen angeblich schon zu Lebzeiten zuteil. Auch der Heilige Geist und Jesus sind laut Bibel aktiv und wirken in der Welt. Wie sich Strenggläubige dieses Wirken vorstellen, zeigt sich vor allem bei freikirchlichen Denominationen ausgeprägt.

Für viele besteht kein Zweifel, dass Jesus und Gott permanent an ihrer Seite weilen und sie durch den Alltag begleiten. Und dass sie ihnen besonders in schweren Zeiten zur Seite stehen.

Joyce Meyer, die erfolgreiche amerikanische Predigerin und Autorin christlicher Bücher, machte beispielsweise folgende "sehr wichtige Erkenntnis": "Jesus heilt alle deine Leiden – an Geist, Seele und Körper. Gott kann deine körperlichen Schmerzen und deine Krankheiten heilen. Es gibt nichts, das er nicht tun kann, und niemanden, den er nicht heilen will!"

Konkrete Erfahrungen lassen erhebliche Zweifel an diesen "Erkenntnissen" aufkommen. Man darf getrost die Aussage wagen, dass wohl ähnlich viele Gläubige an Krebs oder einem Unfall sterben wie Ungläubige.

Der Glaube an Heilungen durch Jesus ist weit verbreitet

Ich kenne das Beispiel des Sohnes eines bekannten Predigers, der in jungen Jahren an einem Tumor gestorben ist. Unzählige Pastoren und Gläubige hatten für ihn gebetet. Vergeblich.

Es ist nicht etwa eine Minderheit von freikirchlich Gläubigen, die an konkrete Heilungen durch Jesus oder Gott glauben, sondern die große Mehrheit. Joyce Meyer zum Beispiel elektrisiert Millionen mit ihrem Glauben an Wunderheilungen. Sie hat von ihren 125 Büchern, die laut eigener Aussage in 150 Sprachen übersetzt wurden, 37 Millionen Exemplare verkauft.

Ihre christliche Organisation beschäftigt weltweit 600 Angestellte. Sie behauptet, von Gott beauftragt worden zu sein, den Nöten dieser Welt zu begegnen.

Segnet Gott die Gläubigen mit irdischem Wohlstand?

Auch die Anhänger des Wohlstandsevangeliums sind überzeugt, dass Gott direkt in die Welt und in ihr Leben wirkt. Und dies in einem sehr weltlichen Sinn. Sie behaupten, Gott belohne die Rechtgläubigen mit irdischem Wohlstand.

Auf der Plattform jesus.ch wird das Wohlstandsevangelium so erklärt: "Die Vorstellung, dass wir als Königskinder Anrecht auf Wohlstand haben, ist inzwischen weit verbreitet. Einige vertreten sogar die Ansicht, dass Gottes Königskinder erste Klasse fliegen und ein teures Auto fahren sollten."

Der Autor distanziert sich von dieser Interpretation und schreibt: "Es ist eine Ehre, für Jesus zu leiden." Auch diese Glaubensvariante ist problematisch: Wer zum Beispiel zu wenig Geld hat, um seine Kinder zu ernähren, hat wenigstens die Befriedigung, für Jesus zu leiden.

Leiden für Jesus

Und die unschuldigen hungernden Kinder sind gezwungen, das Leiden mit den Eltern zu teilen. Es ist schwierig, hinter solchen religiösen Dogmen einen Sinn zu finden.

Keine Abstriche beim Wohlstandsevangelium macht die weltweit operierende freikirchliche Bewegung gracelife.org. Sie würdigt die Freude Gottes am Belohnen der Gläubigen. "Sollten wir Gott das Vergnügen verweigern?", fragt ein Vertreter auf der Homepage.

Es sei ein normales und löbliches menschliches Bedürfnis, gutes Verhalten unserer Kinder zu würdigen oder zu belohnen, heißt es weiter. Schließlich stellt er die Frage: "Sollten wir von unserem himmlischen Vater weniger erwarten?" Dabei verweist der Autor auf Matthäus 6:6, 18; 25:21.

Sowohl die Verfechter als auch die Kritiker des Wohlstandsevangeliums berufen sich auf die Bibel. In diesem Buch finden sich befürwortende wie ablehnende Zitate. Deshalb wäre man gut beraten bei der Frage, ob Gott direkt auf das irdische Leben einwirkt, die Bibel auf die Seite zu legen. Und den eigenen Beobachtungen und Erfahrungen zu vertrauen.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.

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