Erklärung der Freireligiösen Landesgemeinschaft Hessen gegen Kruzifixe in Klassenzimmern
WIESBADEN. Christean Wagner,
CDU-Fraktionschef im hessischen Landtag, machte sich in der "Frankfurter Rundschau" (FR 12.09.07) für ein deutlicheres Bekenntnis zum christlichen Glauben stark und appellierte an die staatlichen Schulen in Hessen, dem Beispiel Bayern zu folgen und mehr Kruzifixe in Schulräumen anzubringen: "Es wäre sehr erfreulich, wenn sich eine solche Praxis auch in Hessen entwickeln würde".
Wagner griff damit einen ähnlichen Vorstoß von CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla vom Wochenende auf. Wie bei Pofalla gehen Wagners Vorstellungen noch über die Schule hinaus. "Wir würden es gerne sehen, wenn in möglichst vielen öffentlichen Räumen Kruzifixe aufgehängt würden." Dazu zählen auch Gerichte oder Behörden.
Zu diesen Überlegungen stellen wir folgendes fest:
1.) In einer freien Gesellschaft steht es jedem frei, seine eigenen religiösen Überzeugungen frei zu äußern. Dies gilt auch für Christean Wagner und Ronald Pofalla.
2.) Bedenklich wird eine einseitige religiöse Stellungnahme dann, wenn sie nicht als Privatperson, sondern als politisch Handelnder (CDU Fraktionschef bzw. Generalsekretär der CDU) getroffen wird und somit das staatliche Gebot weltanschaulicher Neutralität und die verfassungsgemäße Trennung von Kirche und Staat verletzt.
3.) Das Anbringen von Kruzifixen in Schulen steht im Widerspruch zur Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert ist und den Staat zu religiöser und weltanschaulicher Neutralität verpflichtet, wie es auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil gegen das Aufhängen von Kruzifixen in Schulklassen in Bayern bestätigt hat.
4.) Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht nur per Gesetz zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität verpflichtet, sondern die gesellschaftliche Realität hat sich gewandelt zu weltanschaulicher Pluralität. Christen und Angehörige anderer Verkündigungsreligionen leben mit religiös nicht gebundenen, Freigeistern, Freireligiösen und Atheisten in den Schulen zusammen und es gibt schon lange keine Alternative zu gegenseitiger Toleranz. Diese Toleranz erfordert gegenseitige Rücksichtnahme und Zurückhaltung im täglichen Zusammenleben auch und gerade in den Schulen. Das einseitige Anbringen des christlichen Symbols trägt nicht dazu bei, Menschen unterschiedlichen Glaubens miteinander zu verbinden und behindert die gewünschte kulturelle Integration.
5.) Das Kreuz/ Kruzifix in Schulen und anderen öffentlichen Räumen polarisiert und provoziert:
Gläubige Menschen tragen ihrer `Verantwortung vor Gott´ bereits aufgrund ihrer Überzeugung Rechnung. Dagegen ist das Kreuz/Kruzifix für den Nichtgläubigen sinnlos und teils auch provozierend, weil er sich keinem Wesen verantwortlich fühlen kann, von dessen Existenz er nicht überzeugt ist.
Das Symbol des Kreuzes hat für viele Menschen nichts Versöhnliches oder Tröstliches.
Historisch steht es u.a. für Inquisition, grausame Verfolgung Andersdenkender, Zwangsmissionierung und für ein Welt- und Menschenbild, das Naturwissenschaft auf den Kopf stellt.
Gegenwärtig steht es für Viele u.a. für mittelalterlichen Geist und undemokratische Strukturen, für ein fragwürdiges Frauenbild und nicht minder fragwürdige Moralgebote; es steht für die Ausgrenzung und u.a. von Homosexuellen und Geschiedenen; es steht für durch Dogmen vermittelte Ängste und es steht für den in-sich intoleranten Absolutheitsanspruch einer monotheistischen Religion.
6.) Die so oft beschworene Tradition des `christlichen´ Abendlandes verengt bewusst die Tradition, in der wir tatsächlich stehen: eine Tradition, die nicht minder geprägt wurde und wird durch Humanismus und Aufklärung, die von Seiten der christlichen Kirche vehement bekämpft wurde.
7.) Die Forderung, mehr Kreuze/ Kruzifixe in Schulen und öffentlichen Räumen aufzuhängen, liegt ideologisch mit den jüngsten Bestrebungen der Hessischen Kultusministerin, Karin Wolff, auf einer Linie, etwa auch im Biologieunterricht verstärkt christliche Bezüge zu vermitteln.
8.) Mit Besorgnis stellen wir Tendenzen fest, die Trennung von Religion als Privatsache und der säkularen Pflicht des Staates aufzuweichen.
Freireligiöse Landesgemeinschaft Hessen Freireligiöse Gemeinde Wiesbaden
Manfred Gilberg Dr. Holger Behr
Präsident Gemeindevorsteher