BERLIN. (hpd) Am Freitag trafen in der URANIA Prof.Dr. Frieder Otto Wolf und Dr. Michael Schmidt-Salomon bei einer Podiumsdiskussion aufeinander, in der es darum gehen sollte, ob die Begriffe „Gut“ und „Böse“ in unserer Gesellschaft noch zeitgemäß und angemessen sind. Schmidt-Salomon vertritt in seinem gleichnamigen Buch die These, dass wir uns von diesen Begriffen trennen sollten. Wolf ist anderer Meinung.
Nun muss ich vorab zugeben: die Ideen Schmidt-Salomons sind mir nicht nur geläufig; ich habe sie mir zu großen Teilen zu eigen gemacht. Insofern war es für mich vor allem spannend zu erfahren, was man dagegen anbringen kann.
Michael Schmidt-Salomon führte mit einem Vortrag in das Thema ein. Er umriss in groben Zügen, weshalb er die These vertritt, dass „Gut und Böse“ seiner Meinung nach keine Kriterien mehr sein können, um ein gedeihliches Zusammenleben der modernen Gesellschaft zu charakterisieren. Insbesondere ging er auch auf seine im Buch definierte Unterscheidung zwischen „Moral“ und „Ethik“ ein.
Mir schien, dass diese Unterscheidung der Grund dafür ist, dass er manchmal missverstanden wird. Auch Frieder Otto Wolf kritisierte, dass dieser Versuch, philosophische Begriffe umzudefinieren, nicht erfolgreich sein könne. Zudem trägt auch eine Neu- oder Umdefinierung von Begriffen nicht dazu bei, die wahren Ursachen für das Unrecht und die Krisen in der aktuellen Zeit zu verstehen. Und zu verändern.
Es scheint schwierig zu vermitteln zu sein, dass der Abschied von moralischen Vorschriften, denen oft genug eine menschenverachtende oder zumindest nicht evolutionsbiologische Grundlage zugrunde liegt, die Möglichkeit eröffnet, den Gegenüber anders zu verstehen.
Wolf wies darauf hin, dass es Handlungen gibt, von denen wir sehr wohl – und ganz ohne philosophisches Hintergrundwissen – begreifen, dass sie ungerecht, dass sie „böse“ sind. Und dass es Momente im menschlichen Leben gibt, in denen wir nicht ermessen können, ob unsere Entscheidungen „gut“ oder „schlecht“ für uns selbst oder andere Menschen sind. Entscheidungen müssen manchmal in Sekundenbruchteilen gefällt werden.
Das ist richtig – so Schmidt-Salomon – aber niemand kann diese Entscheidungen anders fällen als so, wie er sich entscheidet. Wenn wir uns dessen aber bewusst werden, können wir uns auch verabschieden von Schuldzuweisungen. Sowohl gegenüber Dritten als auch gegenüber uns selbst.
Letztlich ging der Widerspruch Frieder Otto Wolfs vor allem dahin, dass er dem Buch keine „Dimension der Geschichte und der Gesellschaft“ entnehmen konnte. Für mich entstand ein wenig der Eindruck, dass er der aktuellen Aufklärung nicht zutraut, die Gesellschaft ändern zu können. Dabei meine ich, dass aus einer anderen Sicht auf die Welt, wie sie Schmidt-Salomon vorschlägt, sehr wohl die Möglichkeit eröffnet wird, aus eingefahrenen Denkgeleisen herauszufinden und neue Lösungen zu finden.
Für mich blieb der Eindruck, dass beide Philosophen das gleiche wollen, nur anders herangehen. Wo Frieder Otto Wolf beklagt, dass die materialistische Basis in Schmidt-Salomons Thesen fehle, sehe ich, dass das zum Einen nicht die Aufgabe des Buches ist und zum Anderen das Buch dazu anregt, darüber nachzudenken, wie es möglich sei, mit neuem Blick auf die Menschen die Gesellschaft als Ganzes neu zu sehen. Ähnlich drückte es in der abschließenden Diskussion einer der vielen Zuhörer aus. Er zitierte die berühmte 11. Feuerbach-These: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern.“ (Marx)
F.N.