WIEN. (hpd) Zwei Nationalratsabgeordnete haben den kirchenkritischen Aktivisten Sepp Rothwangl bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Rothwangl hatte sein Waldstück auf einem Pilgerweg nach Mariazell für Priester gesperrt, die mit Kindern und Jugendlichen ohne elterliche Begleitung unterwegs sind. In seinen Augen ein Beitrag zur Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. In den Augen der Parlamentarier Verhetzung im NS-Stil.
Gerald Grosz und Ewald Stadler, Nationalratsabgeordnete für die FPÖ-Abspaltung Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) sehen nehmen das Verbot, das Priester mit unbegleiteten Minderjährigen aus Sepp Rothwangls Wald verbannt, offenbar ernster als die Betroffenen selbst. „Diese Verbotstafeln für Geistliche und gläubige Christen erinnerten in erschütternder Art und Weise an andere hetzerische Tafeln der Vergangenheit wie beispielsweise "Kauft nicht bei Juden ein“ “, teilen sie der Öffentlichkeit in einer Presseaussendung mit. Und sie haben Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Leoben in der nördlichen Steiermark erstattet. Wegen Verhetzung. Rothwangls Schilder bezichtigten indirekt sämtliche katholische Geistliche der Kinderschänderei. Das Verbot rufe eindeutig zu feindseligen Handlungen gegen eine Religionsgemeinschaft auf.
Kirchlicherseits hatte man das teilweise Betretungsverbot als „billigen Aktionismus“ und „Pauschalverurteilung“ bezeichnet und angezweifelt, dass es rechtlich haltbar ist. Rechtliche Schritte gegen Rothwangl wurden nicht angekündigt.
Rothwangl reagiert gelassen
Der Angezeigte nimmt es eher gelassen. Er hält es für unwahrscheinlich, dass ihm der Prozess gemacht wird. Und wenn doch, haben ihm „etliche Anwälte von sich aus Unterstützung zugesagt.“ Wie auch die atheistische Szene Österreichs, mit der der Sprecher der Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt seit dem Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien in enger Verbindung steht. Ein wenig überrascht ist er trotzdem: „Dass meine Handlung eine derartige Reaktion hervorruft, hatte ich nicht erwartet, schon gar nicht von Stadler, dem oberster Schützer "ungeborener Kinder". Da ich als Mitarbeiter der Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt von so vielen Orten erfahren habe, wo sexuelle Misshandlungen stattgefunden haben, wie Beichtstühle, Sakristeien, Konvikte, Schlafsäle, Glockentürme usw., wollte ich wenigstens meinen Wald von Schandtaten dieser Art frei halten. Dass man dafür angezeigt wird, verwundert mich.“ Eines stößt ihm an der Anzeige sauer auf: „Ins Nazi-Eck lass ich mich sicher nicht stellen.“
Unterstützung kommt auch von Hannes Jarolim, dem Justizsprecher der SPÖ im Nationalrat. Stadler und Grosz schössen mit Kanonen auf Spatzen, reagierte der Parlamentarier. „Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell Vertreter des rechten Lagers derartige Vorwürfe erheben, um gegen politische Gegner zu polemisieren.“ Von einer strafbaren Agitation gegen gläubige Christen könne jedenfalls keine Rede sein. "Der Vergleich mit der antisemitischen Hetze des NS-Regimes ist vollkommen deplatziert und geschmacklos." Als Solidarisierung mit Rothwangls Aktion will er das nicht missverstanden wissen. Das teilweise Betretungsverbot hält er für rechtlich unhaltbar.
Unklar ist, wie die Staatsanwaltschaft vorgehen wird. Dem hpd gegenüber wurde vorerst nur bestätigt, dass die Anzeige eingegangen ist. Erst wenn sie geprüft ist, kommt es zu weiteren Ermittlungen – oder zur Einstellung des Verfahrens. Das österreichische Strafrecht definiert Verhetzung so: „Wer öffentlich auf eine Weise, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu gefährden, zu einer feindseligen Handlung gegen eine im Inland bestehende Kirche oder Religionsgesellschaft oder gegen eine durch ihre Zugehörigkeit zu einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft, zu einer Rasse, zu einem Volk, einem Volksstamm oder einem Staat bestimmte Gruppe auffordert oder aufreizt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer öffentlich gegen eine der im Abs. 1 bezeichneten Gruppen hetzt oder sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft oder verächtlich zu machen sucht“.
Die rechte Faust Gottes
Dass Ewald Stadler in die Anzeige involviert ist, überrascht wenig. Der frühere FPÖ-Politiker, dem seine verbale Angriffslust den Spitznamen „Dobermann“ einbrachte, gibt sich als katholischer Fundamentalist und hat im Forum kreuz.net zahlreiche Anhänger. Er gilt als mitverantwortlich dafür, dass seine frühere Partei auch nach seinem unfreiwilligen Ausscheiden heute einen stramm katholischen Kurs fährt und nach eigenen Angaben das „christliche Abendland“ verteidigt. In früheren Zeiten galt die FPÖ als antiklerikal – wofür sich ihr heutiger Obmann Heinz Christian Strache bei der katholischen Kirche entschuldigt hat. Stadler selbst unterstützte jahrelang die Pius-Bruderschaft, von der er sich vor zwei Jahren im Streit verabschiedete. Öffentlich fordert er ein „wehrhaftes Christentum“ und wird immer wieder auf Veranstaltungen radikaler Abtreibungs-Gegner gesehen. Und er pflegt enge Kontakte zu den deutschnationalen Burschenschaften in Österreich, er selbst gehört einer so genannten Sängerschaft an und hat mehrere Mensuren gefochten.
Vor zwei Jahren sorgte die Aussage Stadlers für Wirbel, „moralisch“ würden „die gleichen Gleise“ zur österreichischen Fristenregelung (straffreie Abtreibung bis zum Ende des dritten Schwangerschaftsmonats, Anm.) „und in die Vernichtungslager der Nazis“ führen. Eine Aussage, die folgenlos blieb.
Ob das auch für die Anzeige gegen Rothwangl gilt, der selbst als Kind sexuelle Gewalt durch Priester erlitten hat, wird sich zeigen. Rothwangl hat sich eine Klage wegen Verleumdung vorbehalten. „Obwohl mein Name Rothwangl ist, werde ich nicht nochmal meine Backe hinhalten, wie dies vielleicht der Gut-Christ Stadler erwartet. Ich bin kein Opfer und kann mich wehren und wenn er bekommen hat, was er verdient, wird "rotwangeln" ein neues Modewort werden.“
Christoph Baumgarten