Mina Ahadi zur Situation im Iran

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Mina Ahadi / Foto (c) Frank Navissi

BERLIN. (hpd) Im Iran gab es Parlamentswahlen, die die innenpolitische Situation des Landes verändert haben. Außerdem scheint die Gefahr eines Krieges gegen das Land zu bestehen. Grund genug für den hpd, sich mit Mina Ahadi über die Situation im Iran zu unterhalten.

 

hpd: Hallo Mina, schön, dass du dir zwischen einer Kundgebung und dem Interview für einen türkischen Sender die Zeit genommen hast, um mir für ein paar Fragen zur Verfügung zu stehen.
Du hast bei der Veranstaltung zum Frauentag vorhin schon ein paar Worte zur Menschenrechtssituation und besonders zur Rolle der Frauen im Iran gesagt. Hat sich durch die Parlamentswahl im Iran am letzten Freitag irgendwas daran verändert?

Mina Ahadi: Nein. Die Parlamentswahl war eine Farce. Denn oppositionelle Gruppen wurden zur Wahl erst gar nicht zugelassen. Es gab eine Wahl zwischen dem Klerus, der durch den Ajatollah Chamenei vertreten wird und den Leuten um den Präsidenten Ahmadinedschad. Dabei haben die Kräfte um den “religiösen Führer” die Macht erhalten.

Man muss sich darüber im Klaren sein, dass das Ergebnis der Wahl vorher feststand. Die konservativen Kräfte haben die Mehrheit bekommen. Allerdings bedeutet das nun nicht, dass Ahmadinedschad nicht konservativ sei.

 

Soweit ich weiß, haben die Reformer zu einem Boykott der Wahlen aufgerufen.

M.A.: Das ist richtig. Vielleicht muss ich hier betonen, dass “Reformer” und “konservativ sein” eine ganz andere Bedeutung haben als hier. Reformer im Iran sind Anhänger von Chatami und damit ein Teil, ein Flügel des Regimes. Aber sogar dieser Flügel hat zum Boykott aufgerufen. Allerdings ist Chatami selbst zur Wahl gegangen, weshalb er von seinen eigenen Leuten stark kritisiert wurde.
Aber ich halte diese Wahl nicht für wichtig. Für mich als Oppositionelle und als Frau ist diese Wahlfarce absolut unwichtig. Denn sie ändert nichts am System des islamischen Regimes. Sie zeigt aber, dass das islamische Regime an Anhängern verloren hat.

Die freiheitliche Bewegung hat schwer gelitten in den letzten Jahren. Menschen wurden verhaftet, gefoltert oder haben das Land verlassen. Es ist für die Opposition sehr schwer.

 

Das gilt - wie mir scheint - auch außenpolitisch. Der Iran ist international sehr isoliert.

M.A.: Leider wird  im Westen vor allem auf den Atomstreit hingewiesen. Von den andauernden Menschenrechtsverletzungen im Iran wird viel zu wenig gesprochen und geschrieben. Außenpolitisch wird der Iran am meisten wegen seiner Atompolitik verurteilt.

 

Wie ernst sind die aktuellen Drohungen Israels zu nehmen, den Iran anzugreifen?

M.A.: Sie sind sehr ernst zu nehmen. Es könnte allerdings sein, dass die Diskussionen darüber in den USA (Anmerkung der Redaktion: der israelische Regierungschef Netanjahu war dieser Tage in Washington bei Präsident Obama) vor allem als Wahlkampfthema herhalten muss.

Es gibt die Hoffnung, dass sich in Syrien in den kommenden Wochen etwas ändert. Das Regime Assads wird sich nicht mehr lange halten können. Es gibt die ersten Demonstrationen in Syriens Hauptstadt Damaskus. Damit ist der Aufstand von der Peripherie in das Zentrum des Landes gekommen.

Nach Syrien wird der Funke nach Iran überspringen und - die Hoffnung ist real - es wird eine Revolution geben.

 

Ich möchte noch einmal auf den drohenden Krieg eingehen. Aus dem Iran-Irak-Krieg konnte man die Lehre ziehen, dass eine Bedrohung von außen das Volk zusammenschweißt. Damit könnte das Mullah-Regime gestärkt werden, weil von innenpolitischen Problemen abgelenkt werden kann.

M.A.: Diese Angst hat auch die Opposition. Die im Iran so wie auch die Exil-Opposition zu der ich mich zähle. Ich muss aber auch betonen, dass im Iran zur Zeit viel in Bewegung ist und ein tiefer Hass gegen das islamische Regime existiert. Das Regime hat nicht sehr viele Chancen mehr, Rückendeckung von der Bevölkerung zu bekommen.

Es besteht aber vor allem die Befürchtung, dass durch die Sieger eine Regierung eingesetzt werden könnte, die vielleicht nicht mehr klerikal, aber trotzdem reaktionär ist. Das Beispiel von Karzai in Afghanistan steht vielen vor Augen.
Sicher ist nur, dass es nach 33 Jahren unmöglich sein wird, dass wieder eine islamische Regierung an die Macht kommt.

 

Was hältst du von den Sanktionen, die durch die UN gegen den Iran verhängt worden sind?

M.A. Die Sanktionen schwächen das islamische Regime. Allerdings ich bin gegen Sanktionen, die die Menschen im Iran treffen. Schon lange rufen wir alle westlichen Regierungen und auch die UNO dazu auf, politische Sanktionen gegen das islamische Regime zu verhängen. Man könnte zum Beispiel überall die Botschaften schließen. Warum ist das nicht möglich?

 

Das entspricht ja auch dem, was der Bundestagsabgeordnete Omid Nourimpur letztens sagte: Es braucht diplomatische Sanktionen wie die Ausweisung von Botschaftern, Einfrieren von internationalen Konten der “Revolutionsgeraden” und ähnliches und bei der Begründung den Hinweis auf die Menschenrechtsverletzungen.

M.A.: Ein politisches Embargo wäre wichtig. Das würde auch ein positiveres Signal an die Bevölkerung des Iran senden. Denn unter dem Wirtschaftsembargo leidet die Bevölkerung; unter einem politischen nicht. Die junge iranische Bevölkerung ist gut vernetzt. Auch Dank des Internets erfährt sie davon, wie der Westen reagiert. Und die Ausweisung von Botschaftern zum Beispiel würde die Opposition im Iran stärken und die Macht des islamischen Regimes schwächen.

Das Gespräch führte Frank Navissi für den hpd.