INTERNET. (hpd) Religiöse Prediger jeder Couleur haben das Internet als Alternative und Ergänzung zum Gottesdienstbesuch entdeckt.
GodTube ist ein Videoportal, das bezüglich des Designs und der Nutzeroberfläche eine exakte Kopie von YouTube sein könnte, wäre nicht das übliche Logo durch ein großes christliches Kreuz ersetzt worden. Videos hochladen kann prinzipiell jeder – unter der Voraussetzung, dass der Inhalt sich mit dem konservativ-christlichen Weltbild der Betreiber deckt.
„Ziel der Seite ist es, die Menschen zurück in die Kirchen zu führen", erklärt der 38jährige Student und GodTube-Gründer Christopher Wyatt in einem Interview mit USA Today. „Wir sind eine traditionelle christliche Seite. Jesus Christus ist unser Herr und Erlöser. Punkt." Neben dem Videoaustausch sind auch die 'Gebetswand' und die 'virtuelle Bibel' wichtige Bestandteile der virtuellen Online-Gemeinschaft. Das besondere an letzterer ist, dass sie an vielen Bibelstellen Links zu passenden Videos bereitstellt, sodass der Nutzer sich schnell eine Interpretation der Passage ansehen kann.
Finanziell unterstützt wird GodTube von privaten Unternehmen,Werbung und durch Pfarrämter, die auf der Seite eigene Portale betreiben, um ihre Mitglieder zu erreichen.
„So neutral wie die Schweiz"
Der Erfolg des Videoportals spricht für sich. So verzehnfachte sich allein im August 2007 die Menge des Datenverkehrs auf GodTube und die Webseite war somit die in diesem Zeitraum am schnellsten wachsende in den Vereinigten Staaten. Zu Beginn wurde sie pro Monat durchschnittlich von 1,6 Millionen Nutzern aufgerufen. Laut aktuelleren Erhebungen sollen es inzwischen vier Millionen Besucher pro Monat sein.
Wyatt berichtet, er habe mit Bedauern die sinkenden Besucherzahlen von Kirchen zur Kenntnis genommen und deshalb beschlossen, etwas dagegen zu tun. Außerdem hätten ihn die vielen antisemitischen Videos bei YouTube gestört, weshalb ein komplett neues Portal her musste. „Bei uns sind 99 % aller Videos pro-Israel", versichert er im Interview.
Dieses Privileg ist allerdings nur dem Judentum und evangelikalen Ausprägungen des Christentums vorbehalten. Gibt man etwa das Stichwort 'Islam' in die Suchleiste ein, so erscheinen 2.260 Videos, die fast alle negativ sind und Themen wie den islamistischen Dschihad, zum Christentum konvertierte Ex-Muslime und Ungereimtheiten im Koran behandeln.
Atheisten und Naturalisten kommen nicht besser weg. Zu den Suchbegriffen 'Evolution' und 'Atheist' finden sich tausende Ergebnisse. Und auch hier ist der Tenor eindeutig: Evolution ist unmöglich. Atheisten sind intolerant und ignorieren die überwältigende Anzahl alltäglicher Beweise von Gottes Existenz. In diesem Zusammenhang hat ein Cartoon, der in nur einer Minute die Evolutionstheorie falsifizieren soll, bereits internetweite Berühmtheit erlangt. Ein anderer berühmter Clip, den sich bereits mehrere Millionen Nutzer angesehen haben, zeigt ein vierjähriges Mädchen, das den Psalm vom guten Hirten auswendig vorträgt und damit die GodTube-Nutzer regelrecht in Ekstase versetzt - wie man den Kommentaren zum Video entnehmen kann.
Auf GodTube finden sich auch Videos, die sich als praktische Anleitungen für den Alltag verstehen, z.B. wie man Atheisten konfrontiert oder Homosexuellen hilft, sich von ihrer Krankheit zu befreien. Dazu gibt ein professioneller Instrukteur Tipps und zeigt, wie er selber Schwule mit Bibelzitaten von ihrer Sündhaftigkeit überzeugt. Diese vermeintlichen Heilungspraktiken werden auch in Deutschland durchgeführt und sogar staatlich subventioniert.
Dass Wyatt seine Internetseite als „neutrale Schweiz" ansieht, was Meinungsfreiheit angeht, mutet angesichts der Selektivität, mit der die Betreiber vorgehen, eher beschränkt an.
Wahlkampf um Werte
Wenig überraschend war, dass die GodTube-Nutzer bei einer Online-Abstimmung den Baptistenprediger Mike Huckabee zu ihrem Lielingskandidaten für das Weiße Haus kürten. Fast 50% der Nutzer gaben ihre Stimme dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten, der dafür plädiert, dass Evolutionstheorie und 'Intelligent Design' gleichberechtigt in den Lehrplänen aller Schulen aufgenommen werden sollen. Da für Huckabee GodTube eine Art Heimspiel ist, hat er ein Begrüßungsvideo aufgenommen, in dem er die Wichtigkeit des Videoportals betont und Christen dazu aufruft, ihren Glauben nicht nur privat zu praktizieren, sondern ihre Glaubensinhalte in Politik und Gesellschaft öffentlich zu verbreiten.
Doch Huckabee ist nicht der einzige Präsidentschaftskandidat auf GodTube. Zu jedem der vier verbliebenen Präsidentschaftsanwärter finden sich hunderte von Videos - einige davon sind offizielle Wahlkampfclips, in anderen, selbst gemachten Aufzeichnungen, debattieren Nutzer, welche Kandidaten sich wohl am ehesten an der Bibel orientieren und daher wählbar sind.
In einem Land wie den Vereinigten Staaten, wo offenbar Glaubensfragen im Wahlkampf eine größere Rolle spielen als Wirtschaftskompetenz, ist die Wichtigkeit von GodTube nicht zu unterschätzen.
„So viele Menschen wie möglich zu Jesus führen"
Angesichts des Erfolgs von GodTube überrascht es nicht, dass auch andere Glaubensgemeinschaften jetzt zum 'uploaden', 'posten' und 'discussing' aufrufen. So heißen die neusten Variationen von YouTube nun JewTube und IslamicTube und sind wiederum exakte Kopien von GodTube, natürlich mit jüdischen bzw. islamischen Glaubensinhalten. Auch hier sind die meisten Videos auf Englisch, wodurch sie geeignet sind, Internetsurfer auf der ganzen Welt anzusprechen.
Bemerkenswert ist, dass sowohl IslamicTube als auch GodTube tausende von Videos bereitstellen, die die Evolutionstheorie und die wissenschaftliche Methode allgemein infrage stellten . Bemerkenswert deshalb, weil moderate Christen ja nicht müde werden zu betonen, dass sich die Idee eines göttlichen Schöpfers und die Theorie Darwins nicht ausschließen. Warum wird letztere also so stark bekämpft? Es liegt wohl in der Natur des Monotheismus, den Exklusivitätsanspruch seines Schöpfers aufrecht erhalten zu wollen und keine Alternativen zu dulden.
Da das Internet besonders von jungen Menschen genutzt wird und es für das Überleben einer Glaubensgemeinschaft unabdingbar ist, ebendiese in die Gotteshäuser zu locken (wie etwa der vollkommene Ablass, den der Papst allen Jugendlichen, die am Abschlussgottesdienst des Weltjugendtags teilnehmen, versprochen hatte), ist GodTube vor allem ein Versuch, ein jüngeres Publikum zu erreichen und sie mit Trickfilmen und Foren für die Botschaft der Evangelien zu begeistern.
Gründer Wyatt sieht GodTube als sein Pfarramt, als einen Weg, „so viele Menschen wie möglich zu Christus zu bringen". Bescheiden verneint er die Frage, ob er persönlich für den Erfolg verantwortlich sei. Weniger bescheiden entgegnet er dann: „Ich bin nicht wirklich der Geschäftsführer. Ich bin vom wahren Geschäftsführer mit dem Job hier auf der Erde beauftragt worden."
Timothy Johnston