LONDON. (hpd) Eine Reform des nationalen Lehrplans soll Evolution in die Grundschulen im Vereinigten Königreich bringen. Das geht aus einem Entwurf des Bildungsministeriums hervor, der am Montag vorgestellt wurde. Die britischen Humanisten hießen die Pläne willkommen.
Das Ziel der neuen Reform soll die Verbesserung der Bildungsstandards sein. Eine überarbeitete Pädagogik für die Fächerbereiche Sprache, Mathematik und Naturwissenschaften soll dazu führen, dass die Schülerinnen und Schüler im Vereinigten Königreich künftig mit besseren Voraussetzungen den Übergang zur Sekundarstufe bewältigen. Geplant ist, dass die Reform ab 2014 in den Schulen des Landes ihren Einzug hält.
Bislang wurde Evolutionslehre in den Schulen ab der Altersstufe zwischen 14 und 15 Jahren erstmals unterrichtet. Zukünftig wird Evolution dagegen bereits ab der dritten Klasse unterrichtet. Schon ab dem Alter zwischen acht und neun Jahren werden die Schüler dann mit der Evolution vertraut gemacht.
Pädagogen und Wissenschaftler hatten für die Reform plädiert. Evolution sei ein so zentraler Teil der Biologie, dass sie bereits in einem jüngeren Alter als bisher unterrichtet werden sollte. Nur wenige Monate zuvor hatte die British Humanist Association (BHA) zur Unterstützung von entsprechenden Änderungen eine Kampagne mit dem Appell durchgeführt, dass anstatt Kreationismus die Evolution in Schulen vermittelt werden müsse.
Eine Konsequenz war, dass das britische Bildungsministerium die Förderrichtlinien für Schulen in freier Trägerschaft modifizierte, wonach die Lehre unwissenschaftlicher Theorien über die Entstehung des Lebens den Entzug der öffentlichen Mittel zur Konsequenz haben werde.
Dementsprechend zeigte sich die BHA auch über die neuen Pläne aus dem Bildungsministerium begeistert. „Wir sind hocherfreut, dass die Lehrpläne für die Primarstufe um die Evolution ergänzt werden soll – wir haben uns lange dafür eingesetzt“, so BHA-Direktor Andrew Copson. Die Evolution bereits in einem früheren Alter zu vermitteln, stärke die Lebenswissenschaften und das Verständnis dafür, wie die Menschen entstanden sind.
Einen wachsenden Rückstand gegenüber den Entwicklungen im Vereinigten Königreich gibt es beim Blick auf Deutschland mittlerweile ganz offenkundig. Denn zahlreiche Schulen in kirchlicher Trägerschaft, wie die Freien Evangelischen Schulen Berlin, lehren im Biologieunterricht nicht nur eine wissenschaftliche Gleichwertigkeit von Evolutionstheorie und Schöpfungslehre, sondern vermitteln letztere sogar als plausibleres Erklärungsmodell.
Pädagogische Konzepte dieser Art bezeichnete der Wissenschaftsphilosoph Gerhard Vollmer gegenüber dem hpd als „Volksverdummung“: „Die Evolutionstheorie ist nach allen üblichen Kriterien eine solide naturwissenschaftliche Theorie mit großer Tragweite, die beste, die wir zur Erklärung der Lebenserscheinungen überhaupt haben“, so Vollmer.
Er bedauerte, dass es zu wenige Schulbücher gebe, welche die Argumente zugunsten der Evolutionstheorie übersichtlich zusammenstellten. Zudem wisse er nicht, ob zur Verhinderung von Schöpfungslehre im Schulunterricht ein Gesetz erforderlich sei. „Wenn ja, dann bin ich dafür. Auch im Religionsunterricht sollte die Schöpfungslehre nicht als faktisches Wissen gelehrt werden dürfen“, sagte Vollmer.
In Deutschland sind diese neuen Entwicklungen in Großbritannien jedenfalls begrüßt worden. Eckart Voland, Professor für Biophilosophie an der Universität Gießen, beurteilte den Reformplan als erfreulich. Vergleichbare Ansätze wären auch hierzulande zu befürworten, so Voland.
Denn die Aufklärung über die Evolution hinkt in den Lehrplänen an Deutschlands Schulen der Verbreitung von Schöpfungslehren noch deutlich hinterher. Im Lehrplan des Bildungsministeriums Nordrhein-Westfalen etwa heißt es zu den Schwerpunkten des ab der ersten Klasse an Grundschulen erteilten Religionsunterrichts, dass die Schülerinnen und Schüler die „Welt als Schöpfung Gottes“ zu deuten lernen sollen.
„Bereits heute wäre es im Rahmen des Sachkundeunterrichts problemlos möglich, die Evolution auch an deutschen Grundschulen zu behandeln“, sagte Eckart Voland dazu. Als Ursache dafür, dass das bisher keine verbreitete Praxis sei, sieht er auch das Fehlen entsprechender Lehrmaterialien. „Evolutionslehre in der Grundschule ist wichtig, denn die Kinder sollten möglichst früh verstehen lernen, dass auch sie ein Teil der Evolution sind.“
Arik Platzek