Mit zwei Schwerpunkten treten Akteure des politischen Islam an Hochschulen zunehmend in Erscheinung: der Hegemonialisierung des Kopftuchs und einer aggressiven Feindschaft gegenüber Israel. Letzteres offenbart ganz besonders den Schulterschluss mit der postkolonialen Linken, die wiederum auch bei Ersterem bereitwillig Komplizenschaft leistet. Was sind Ideologie, Struktur und Aktionsformen der islamistischen Hochschulakteure? Welche Entwicklung ebneten ihnen den Weg?
Wer Universitäten vor zwanzig Jahren erlebt hat und sie heute wieder betritt, dem wird vor allem die massive Präsenz von Kopftüchern oder anderen Formen strenger islamischer Verschleierung auffallen. Grundsätzlich ist es erfreulich, dass muslimische Frauen und Migrantinnen in Deutschland Bildungswege erfolgreich beschreiten. Problematisch ist jedoch der Siegeszug des Hijabs als Herrschaftspraxis des politischen Islam. Auch für Juden und Israelfreunde entwickelten sich deutsche Hochschulen im Aftermath des 7. Oktober zunehmend zur No-Go-Area, während Hamas-Sympathisanten ungeniert agieren können.
Die Hijabisierung der Universität
Vom 4. bis 6. September 2024 fand die sogenannte ICONIC-Konferenz an der Georg-August-Universität in Göttingen statt. Laut den Veranstaltern sollte es um Umweltthemen und eine "kohlenstoffarme Entwicklung" gehen. Indonesischen Studenten in Deutschland organisierten die Tagung. Ihr Anspruch war es, eine Brücke zwischen Indonesien und Deutschland zu bauen. Tatsächlich jedoch wurde massiv für den reaktionären Islam und insbesondere für das Kopftuch geworben. Das als umstritten geltende Medium NIUS war das einzige, welches über die Veranstaltung berichtete. Warum nicht etwa die taz?
Nicht zu übersehen war die Verschleierung beinahe aller weiblicher Konferenzteilnehmerinnen. Begleitet wurde dies durch explizite Werbemaßnahmen für das Kopftuch durch die indonesische Marke Elita, die nicht bloß harmlose Mode verkauft, sondern bereits jungen Mädchen nahelegt, sich zu verhüllen. Auch ist es dabei nicht "nur" bei visueller Hijab-Propaganda durch Werbestände, Flyer und Plakate geblieben, die "Flaggen des politischen Islam" (Alice Schwarzer) konnten selbst käuflich erworben werden.
Der hpd konfrontierte die Georg-August-Universität Göttingen mit der Frage, wie sie zur Nutzung ihrer Räume für eine religiös-politische Agitation steht. Die Antwort fiel ausweichend aus:
"Im Rahmen der Konferenz gab es – wie bei vielen Konferenzen auch – Stände von Sponsoren und Spendern. Hier gibt es aus unserer Sicht keine Beanstandungen, da dies im Rahmen der Gebühren- und Entgeltordnung der Universität abgewickelt wurde."
Schleier und Status
Zur zutiefst emanzipationsfeindlichen Wirkung des Kopftuchs eine Erinnerung aus meiner Universitätszeit: Einmal wartete eine Clique muslimischer junger Frauen im Seminar auf eine bis dahin unverschleierte muslimische Kommilitonin. Eine der bereits verhüllten Mitstudentinnen fragte ihre Hijabi-Schwestern sichtlich gespannt und offenbar eingeweiht: "Wer fehlt da noch? Wer fehlt da noch? Wer fehlt da noch?" Dann: "Na komm, hab dich nicht so, gib dir einen Ruck." Als die Erwartete schließlich um die Ecke kam – nun mit Hijab –, brach kollektiver Jubel aus. Die "Schwestern" umarmten sie und feierten "ihre Entscheidung". Was für ein Empfang, was für eine Anerkennung! Endlich war sie vollwertiges Mitglied der edlen Sisterhood.
So erfreulich der akademische Aufstieg muslimischer Frauen aus patriarchalen Milieus auch ist, gelingt der absolute Statuszugewinn innerhalb der eigenen Community oft nur, wenn sie neben der Rolle als angehende Akademikerin zugleich Hausfrau, gehorsame Ehefrau und Mutter möglichst vieler Kinder – idealerweise Söhne – sind. Über diese Doppel- bis Dreifachbelastung schweigen die materialistisch-feministischen Journalistinnen der taz.
Entgegen der von NIUS aufgegriffenen Darstellung des Kopftuchs als bloßem Modeaccessoire muss klargestellt werden, dass es keines ist. Ein Accessoire lässt sich freiwillig wählen, tragen oder ablegen. Das Kopftuch hingegen steht in unmittelbarem Verhältnis zur muslimischen Umgebung. Freiwilligkeit besteht nur dann, wenn auch die Entscheidung gegen den Hijab ohne Sanktionen möglich ist – ohne sozialen Druck, ohne Aufwertung der Verschleierten und Abwertung der Unverschleierten. Nur wenn beide dasselbe Ansehen genießen, kann von Freiheit die Rede sein. Doch genau das ist selten der Fall.
Das Kopftuch wirkt disziplinierend und unterdrückend– vor allem im Hinblick auf die weibliche Sexualität. Der weibliche Körper gilt als ständige Versuchung, als Risiko. Schon ein sichtbares Haar kann als Einladung zum Übergriff missverstanden werden. Ihr gesamter Körper ein Schambereich. Die Verantwortung für männliche Triebkontrolle wird der Frau aufgebürdet. Sie muss sich reizarm kleiden, weil sie – so die islamistische Logik – Quelle der Sünde sei. Und das Männerbild dahinter? Ein triebgesteuertes, nicht-zivilisierbares Wesen, unfähig zur Impulskontrolle.
Je früher das Kopftuch, desto radikaler die Kombination aus De-, Über- und Frühsexualisierung. Dass es überall getragen werden muss, macht sein totalitäres Wesen deutlich. Islamistische Theokratien beginnen stets mit der Unsichtbarmachung der Frau. Das Kopftuch steht nicht für Vielfalt, sondern für Uniformität. Es sendet mehrfache Botschaften: An die Musliminnen ohne Hijab, die keine "richtigen Gläubigen" seien, aber auch an unverschleierte nicht-muslimische Frauen, die im schlimmsten Fall zu "Huren" degradiert werden.
Mit dem Wegfall des Neutralitätsgesetzes dürfen Frauen mit Hijab nun auch in Berlin unterrichten. Muslimische Lehramtsstudentinnen mit Kopftuch gelangen so in eine zweifelhafte Vorbildfunktion. Ein weiterer Schritt nicht der Anpassung des Islam an westliche Werte, sondern des Westens an repressive islamische Normen.
Auf der Konferenz "Das islamische Kopftuch – Symbol der Würde oder der Unterdrückung?" des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam unter der Leitung von Prof. Dr. Susanne Schröter im Jahr 2023 versuchte eine Querfront aus den sogenannten "Studis gegen rechte Hetze" und Kopftuchaktivistinnen die Referentinnen – beispielsweise Alice Schwarzer – zu bedrängen oder den Tagungsablauf zu torpedieren.
Nicht "nur" das Gebet nach Geschlechtern separiert
Ein nächster Indikator dieses Kulturkampfes ist das zunehmend sichtbarer werdende islamische Gebet an Hochschulen. Kaum eine Universität kommt heute noch ohne einen sogenannten "Raum der Stille" aus. Was nach Yoga oder Achtsamkeit klingt, ist meist ein Gebetsraum – de facto dominiert von muslimischer Praxis.

Foto: © Moritz Pieczewski-Freimuth
Als wäre die Nutzung eines weltanschaulich neutralen Ortes für religiöse Zwecke nicht schon fragwürdig genug, wird das Gebet an einigen Universitäten auch in den öffentlichen Raum getragen. NIUS zufolge kam es Anfang letzten Jahres ebenfalls im Atrium der Universität Göttingen – trotz vorhandenem Raum der Stille, auf den die Hochschule auf hpd-Anfrage verweist – zu einem öffentlichen Gebet von über achtzig Muslimen. Es fand strikt nach Geschlechtern getrennt statt: Männer vorne, Frauen hinten.
Dahinter steht eine rigide Auslegung des Islam: Männer könnten beim Gebet durch den Anblick von Frauen abgelenkt werden. Umgekehrt offenbar nicht. Blickregime statt Selbstkontrolle. Außerdem entlarven jene Muslime damit eigenständig die Ödnis Gottes, der im Gegensatz zu den Silhouetten weiblicher Körper langweilig erscheint.
Kein harmloses Ritual also, sondern eine Manifestation des politischen Islam, für den die Geschlechterapartheid konstitutiv ist. Der absolutistische Charakter dieses Islamverständnisses zeigte sich zuletzt auch an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU): Im Rahmen der, von der Islamischen Hochschulgruppe Göttingen (IHG) organisierten, sogenannten Islamwoche gab es eine geschlechtergetrennte Sitzordnung sowie separate Eingänge für Männer und Frauen. Offenbar lenken Frauen nicht nur vom Gottesdienst, sondern auch vom Lernstoff ab.
"Palästinasolidarität" als Bindeglied des Islamo-Gauchisme1
Im Zuge der israelfeindlichen Campusunruhen im Frühjahr/Sommer 2024 und erneut im Frühjahr 2025 stach das öffentliche Gebet in enger Verflechtung mit politischer Agitation besonders hervor. Ausgangspunkt waren die USA, wo sogenannte pro-palästinensische Demonstranten Protestcamps an Universitäten errichteten, Zugänge für Juden oder "Zionisten" blockierten, Hörsäle besetzten und sich teils gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei lieferten. Begleitet wurden die Ausschreitungen von antisemitischen Hamas-Parolen wie "From the river to the sea – Palestine will be free". Später wurde berichtet, dass die Islamische Republik Iran die Krawalle logistisch und finanziell unterstützt hatte. Immer wieder versammelten sich, eingebettet in den Protestbetrieb, – etwa auf dem Campus der University of Texas und an der Ohio State University – hunderte Muslime zu geschlechtergetrennten Gebeten im Freien.
Ab Mai 2024 schwappte die Bewegung nach Deutschland über. In Köln kam es gleich zur Auftaktveranstaltung des Anti-Israel-Camps auf der Uniwiese zu einem streng geschlechtergetrennten Gebet – begleitet von einem bemerkenswert schillernden Nebeneinander aus Niqabträgerinnen, queerfeministischen Einzelpersonen und Solidaritätsbekundungen mit der islamistischen Huthi-Milizen. Zumeist fungierten linke Hochschulgruppen als Türöffner, anschließend stießen islamistische Akteure hinzu. So entwickelte sich etwa die Belagerung vor der Universität zu Köln rasch zu einem islamistischen Hotspot. Eine Delegation der Erdogan-nahen "Dava"-Partei – darunter Ali Ihsan Ünlü, Funktionär des DITIB-Moscheeverbands, der direkt von der türkischen Religionsbehörde Diyanet gesteuert wird, stattete dem Camp einen Besuch ab. Auch eine Sprecherin der islamistisch gefärbten "Team Todenhöfer – Gerechtigkeitspartei" trat mit einer Rede auf.
Propalästinensische Kundgebung vor der Uni Köln. Foto: © Moritz Pieczewski-Freimuth 
Ebenfalls im Mai 2024 errichteten Aktivisten der bereits erwähnten "Studis gegen rechte Hetze" ein sogenanntes Palästina-Camp vor der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Am zweiten Tag hielt dort ein der Muslimbruderschaft nahestehender Funktionär namens Mohammed Naved Johari einen Vortrag über "antimuslimischen und antipalästinensischen Rassismus". Ein Foto zeigt ihn, wie er neben einer Nikab tragenden Influencerin sitzt, die bereits auf dem Kölner Palästinacamp in Erscheinung trat.
Islamistische Arbeitsteilung: Im Westen Spenden sammeln, im Gazastreifen der bewaffnete Djihad
Welchen Stellenwert die sogenannte Palästinasolidarität – meist nicht mehr als ein Code für Sympathien mit Islamismus – unter muslimischen Hochschulgruppen einnimmt, untermauert ein Blick auf die Strukturen in Köln. Die größte islamische Studierendenvertretung an der Universität zu Köln ist die Muslimische Hochschulvereinigung Köln (MHV), ehemals Islamische Hochschulvereinigung Köln (IHV). Auf Instagram berichtet sie von ihren Aktivitäten. Zum Beispiel von einem Bastelabend mit Palästina-Postkarten und Stickmustern. Dort trafen sich Vertreterinnen der progressiv dünkenden Ethnologiefachschaft mit der Frauensektion der MHV - eine von ihnen in Nikab. Falsche Welt oder? Während in Afghanistan Frauen zum Nikab gezwungen werden und Überlebende des IS in Syrien sich den Schleier vom Leib reißen, schmiegen sich hierzulande vermeintliche Feministinnen beim gemütlichen Häkeltreff im Namen der Palästinasolidarität an eine Trägerin dieser entmenschlichenden Robe heran.
Die MHV Köln ist Teil der "Palästina-AG" des deutschlandweiten Netzwerks der Muslimischen Hochschulgruppen (MHG). 2025 stand das Ramadan-Fasten unter dem Motto "Palästina". In einem Beitrag unter dem Titel "Fast for Gaza" wurde zu Spenden gegen das "Hungern in Gaza" aufgerufen. Der Spendenempfänger war kein geringerer als Islamic Relief. Die Organisation gilt dem Spektrum der Muslimbruderschaft zugehörig. In Israel wurde sie als terroristisch eingestuft. Laut israelischen Behörden gehört sie dem "globalen Finanzierungsapparat" der Hamas an. Kein Einzelfall bei der MHV Köln: Bereits im Oktober 2024 gingen die Erlöse einer gemeinsamen "Movienight" mit der Islamischen Hochschulvereinigung Bonn (IHV) an Islamic Relief.
Zur strukturellen Verflechtung teilte die bewährte Kennerin der deutschen Islamisten-Szene Sigrid Herrmann auf hpd-Anfrage mit:
"Einige islamische Hochschulgruppen sind schon seit den 60er Jahren aktiv, neue haben sich gegründet vor allem in den letzten Jahren. Ein Dachverband existiert, vertritt aber vor allem Gruppen, die z.B. über Referenten oder Spendensammlungen eine Nähe zur Muslimbruderschaft aufweisen. Die Tendenz geht bei den Gruppen zur Aufspaltung muslimischer Studenten nach den Herkunftsströmungen, also zur Gründung eigener Gruppen etwa von Ahmadis, Schiiten oder mit türkischer Abstammung."
Die Gründung der MHV Köln im Jahr 1993 geht unter anderem etwa auf eine Initiative von Dr. Abdurrahman Reidegeld zurück, der zeitweise im Kuratorium des schleierhaften "Rates muslimischer Studierender und Akademiker e.V." (RAMSA) saß. Dieser Zusammenschluss war einst unter derselben Adresse in Bonn gemeldet wie die Bonner Ortsgruppe der BIG-Partei – dem deutschen Ableger der islamonationalistischen türkischen AKP – sowie dem salafistisch beeinflussten Rat der Muslime in Bonn. Man scheut offenbar nicht den Kontakt zu Fanatikern. Teilt man sogar ihre Ansichten und versucht dies durch Tarnstrukturen und Doppelstrategien zu kaschieren?
"Zwiebelschicht-Strategie"
Noch unter altem Namen brachte die MHV Köln (damals IHV) einen "Guide für muslimische Studierende" heraus, der von Sport über Lebensmittel, Mode, Moscheen bis hin zu Wohnungen ein rundum islamkonformes Leben in Köln verspricht. Islamische Hochschulgruppen sind auch dafür bekannt, muslimische Studentinnen gezielt an sogenannte Schwesternwohnheime zu vermitteln. Die Hoffnung dabei: Risiken für außerehelichen Geschlechtsverkehr oder dessen Vorbereitung so gut es geht zu minimieren.
Wieder zeigt sich der totalitäre Charakter dieser Gruppen: Alle Lebensbereiche durchdringen und muslimische Menschen über Kollektivmerkmale ansprechen, nicht als Individuen. Gesonderte Angebote, selbst im Bereich des studentischen Engagements, sollen Abstand zur Mehrheitsgesellschaft herzustellen. Genau das entspricht dem Interesse autokratischer Herkunftsstaaten – etwa der Türkei –, die über Dachverbände mitmischen.
Dass politisch-islamische Hochschulgruppen im Kern dasselbe Ziel wie gewaltbereite Islamisten verfolgen – nur mit anderen, strategisch gewählten Mitteln –, erklärte der Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad auf Anfrage des hpd:
"Der legalistische Islam gibt sich unpolitisch, aber die Gefahr besteht darin, dass er streng konservative islamische Wertvorstellungen wie ein schleichendes Gift in die Gesellschaft trägt und verankert. In Ägypten, Algerien, Afghanistan und Iran baute zuerst der legalistische Islam seine Infrastruktur auf, dann kam der politische Islam, dann der islamistische Terror. Man muss sich das wie die Schichten einer Zwiebel vorstellen: Zuerst wird die Rückkehr zum "wahren" Islam gepredigt, dann schließen sich Gruppen zusammen, die dies mit politischen Mitteln durchsetzen wollen. Entweder gelingt es den Islamisten, sich über Wahlen durchzusetzen, dann verwandeln sich die Gesellschaften in Freiluftgefängnisse, wie im Iran nach der Revolution 1979 und wie im Gazastreifen nach den Wahlen 2006, oder sie versuchen es mit Gewalt, wie die Taliban, der IS und der Islamische Dschihad."2
Enabling: Abwege der Geisteswissenschaften
Eine Mitschuld an der selbstbewussten Ausbreitung islamistischer Umtriebe an Hochschulen trägt auch der postkoloniale Turn der Geisteswissenschaften. Eine teils unscharfe Auseinandersetzung mit kolonialen Verbrechen zog in extremster Form eine Delegitimierung Israels nach sich. Dessen Staatsgründung und sicherheitspolitische Maßnahmen werden zunehmend im Rahmen der sogenannten "multidirektionalen Erinnerung" (Rothberg 2021) mit Kolonialismus, Rassismus und Apartheid gleichgesetzt. Aus postkolonialer Perspektive erscheint Israel als illegitimer Satellit des "rassistischen" globalen Westens, errichtet auf dem Territorium des Globalen Südens. Die Palästinenser werden dabei als zentrale Akteure eines dekolonialen Widerstands gelesen.3
Islamistische Akteure greifen diesen Diskurs bereitwillig auf: Auch sie zielen darauf ab, die koloniale Ordnung zurückzudrängen und das untergegangene Kalifat als globale Ordnungsmacht zu revitalisieren. Nach dem 7. Oktober meldeten sich zahlreiche Hochschulmitarbeiter mit Stellungnahmen und offenen Briefen zu Wort. In diesen "kontextualisierten" sie verteidigend das Hamas-Massaker, ließen den Antisemitismus sowie die repressive Sexualmoral der Hamas als ideologische Triebkräfte weitgehend unbeachtet und forderten Straffreiheit für angeklagte Protestler der Campusunruhen. Aktivistische Wissenschaftler leisten hier Rückendeckung für Islamisten und deren linksautoritärem Vorfeld.4
Die Universität zu Köln bewirbt auf ihrer Webseite das Konzept des "Allyship", dem zufolge Nicht-Muslime letztlich Forderungen muslimischer Gruppen grundsätzlich nicht widersprechen dürfen, sondern sich solidarisch und unterstützend an deren Seite zu stellen müssen Darüber hinaus verweist die Universität auf einen Leitfaden zur rassismuskritischen Sprache des Antidiskriminierungsbüros Köln, in dem davon abgeraten wird, den Ausdruck "mutmaßlicher Islamist" zu verwenden – mit der Begründung: "Islamist zu sein, ist nicht verboten."
Auch die Gender- und Queer Studies haben zur Normalisierung islamischer Verhüllung beigetragen. Judith Butler etwa beschrieb den Schleier als "Übung in Bescheidenheit und Stolz", als Ausdruck "weiblicher Handlungsfähigkeit" und klagte eine "kulturimperialistische Ausbeutung des Feminismus" an, wenn islamisch legitimierte Frauenrechtsverletzungen kritisiert werden.5 Entsprechend feiern postkolonial gestimmte Queerfeministinnen den Hijab als Symbol von Diversität und attestieren ihm eine Abkehr von westlichen Schönheitsidealen, was automatisch empowernd sei.
In diesem Klima finden islamistische Hochschulgruppen fruchtbaren Boden. Wer ihnen ernsthaft begegnen will, wird an einer kritischen Revision geisteswissenschaftlicher Selbstgewissheiten nicht vorbeikommen.
1 Ein aus Frankreich stammender Begriff für die Allianz aus Linken und Islamisten. ↩︎
2 Angefragt wurde der O-Ton vor Hamed Abdel Samads fragwürdigen Äußerungen zum Gaza-Krieg. Zur Einordnung empfiehlt sich dieses Streitgespräch: https://www.juedische-allgemeine.de/israel/es-findet-ein-genozid-statt-israel-muss-sich-gegen-den-terror-der-hamas-wehren/ ↩︎
3 Näheres in: Elbe, I. (2024). Antisemitismus und postkoloniale Theorie: der "progressive" Angriff auf Israel, Judentum und Holocausterinnerung. Deutschland: Edition Tiamat. ↩︎
4 Das demnächst erscheinenden Buch "Die intellektuelle Selbstzerstörung. Wie der Westen seine eigene Zukunft verspielt" von Franziska Sittig und Noam Petri behandelt diese Rückendeckung. Im Podcast von Paul Ronzheimer gab Noam Petri einen ersten Einblick. ↩︎
5 Butler, J. (2005): Gefährdetes Leben. Politische Essays. Suhrkamp ↩︎






