Arthur Koestler Preis 2006

Die Bonner Journalistin Jutta Redmann erhält den Arthur-Koestler-Preis 2006 der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS)

für ihren Beitrag "Ich möchte über mein Ende selbst bestimmen" (Der Tagesspiegel, 22.01.2006). "Sie siegte mit einem Feature, dessen persönliche Note dem Beitrag eine besondere Bedeutung gibt: Jutta Redmann ist seit sechs Jahren unheilbar an Krebs erkrankt" erklärte der Jury-Vorsitzende Heiner Emde. Die frühere Politik-Korrespondentin schreibt seit ihrer Erkrankung über Gesundheitsthemen. Sie tritt für eine humane direkte Form der Sterbehilfe ein.

Im Kampf gegen Metastasen und die weitere Verschlechterung ihres Gesundheitszustands hat die 49-Jährige schon manches durchlebt. Sie weiß, was auf sie zukommt und lehnt es ab, Palliativmedizin und Hospizbewegung gegen die Sterbehilfe auszuspielen. "Wir brauchen beides", sagt sie. "Ich bin mir ganz sicher, dass ich dann viel leichter und angstfreier ‚ja' zu einem Leben sagen könnte, das ich sonst vielleicht nicht mehr aushielte."

Die Preisträgerin bedauerte, aufgrund aktueller gesundheitlicher Beschwerden den Arthur-Koestler-Preis nicht persönlich in Empfang nehmen zu können. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und wird jährlich vergeben.

 

In diesem Jahr verleiht die DGHS auch wieder den Filmpreis "Die Lebensuhr". Preisträgerin ist Ariela Bogenberger. Sie erhält die Auszeichnung für ihren Beitrag "Marias letzte Reise", eine Produktion im Auftrag des Bayerischen Rundfunks.

Die 71-Jährige Protagonistin will nicht noch eine Chemotherapie, sondern lieber ihre letzten Tage in ihrem Heimatdorf am Staffelsee verbringen. Bis zuletzt nimmt sie ihr Leben selbst bestimmt und aktiv selbst in die Hand. "Der Film strahlt in seiner Grundtendenz trotz des von vornherein eher tragisch besetzten Themas eine positive Grundstimmung aus", so Jury-Mitglied Gerhard Rampp, "weil der Tod nicht als etwas Trauriges erscheint, sondern als natürlicher Abschluss des Lebens, dem sich Maria ganz bewusst stellt."

Die Preise werden am 11. November 2006 in Augsburg überreicht.

 

Liste der bisherigen Preisträger

 

Arthur-Koestler-Preis

2005 Peter Puppe für seinen Beitrag "Sonnenwende oder Ich bin nicht maßgebend" (veröffentlicht am 28.06.2005 im Internet-Literaturforum "gruppe-vier-w.forum").

2004 Prof. Dr. Gérard Radnitzky "Freitod und letzte Hilfe als philosophisches Problem" (in: criticón, Winter 2003/2004).

2003  nicht verliehen

2002 Dr. Richard Herzinger für seinen Artikel "Der belgische Tod" (Die ZEIT, 23.05.2002).

Außerdem wurden drei Sonderpreise vergeben:

1. Nicole Kohse für ihren Beitrag "Abschied von Sarah" (in HNA/Sonntagszeit, 03.03.2002) 2. Christian Modehn für "Wenn Leiden unerträglich wird. Der gute Tod: Euthanasie als Ausweg" (Radio-Manuskript)

3. Dr. Martin Klein für "Sterbehilfe und das Prinzip der Doppelwirkung" (in: Wiener Klinische Wochenschrift 2002, 114/10-11)

2001 Martin Spiewak: "Das lange Sterben des Walter K." (Die Zeit, 19.04.2001)

 

Filmpreis "Die Lebensuhr"

2004  an Johannes Backes für seine ZDF-Produktion "37° - Isoldes letzter Sommer".

2002   wurden zwei Filme ausgezeichnet:

1. "37° Sterben auf Wunsch" von Rob Hof, ZDF-Produktion (ZDF, 28.08.2001)

2. "In Würde sterben - Regine Hildebrandt und Dorothee Sölle im Gespräch" von Heike Mundzeck /Luzifilm Hamburg (NDR, 03.12.2001)

2000 "Mein Leben gehört mir" (ZDF, 03.04.2000)

 

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Zum Hintergrund

 

Arthur Koestler: Ein Leben in Extremen

Vorkämpfer für ein selbstbestimmtes Lebensende

 

Ein facettenreiches Leben

„Der ungarisch-jüdische Schriftsteller und Journalist Arthur Koestler war keiner jener Intellektuellen, die - wie Brecht oder Sartre - aus der Deckung des Schreibtischs heraus die Welt verändern wollten. Wenn er von einer Sache überzeugt war, konnte er für sie Kopf und Kragen riskieren: In den zwanziger Jahren prügelte er sich als Wiener Student mit Antisemiten, lebte als Kibbuznik, Limonadenverkäufer und Reporter in Palästina. Anfang der dreißiger Jahre pilgerte er mit Langston Hughes durch Stalins Sowjetunion, spürte arabische Terroristen in Beirut auf, fuhr Ambulanzwagen durch das London des Blitz und berichtete aus dem israelischen Unabhängigkeitskrieg.

Koestler saß als kommunistischer Spion in Francos Todeszelle, die franzosische Vorkriegs-Regierung internierte und die Gestapo jagte ihn, von Moskau wurde er als .nervenkranker' kalter Krieger beschimpft. Koestler engagierte sich nicht nur in der Politik, zeitlebens bewegte er sich mühelos zwischen den ,Zwei Kulturen':

Er überflog im Zeppelin den Nordpol, forderte die wissenschaftliche Anerkennung der Parapsychologie, traf Gurus in Indien, stritt sich in Japan mit Zen-Priestern und schlug die gezielte Manipulation des menschlichen Gehirns durch Drogen vor, um der angeborenen auto-destruktiven Tendenz unserer Spezies Herr zu werden."

 

Publikationspalette

Seine Erfahrungen hat Koestler auch in seinem umfangreichen literarischen Werk verarbeitet (s.u.). Es umfasst Romane mit politischen oder ethischen Problemen, Berichte, Reportagen und naturphilosophische Werke. Der Durchbruch gelang ihm mit dem Roman ,,Sonnenfinsternis" (1940), in dem er sich mit den Stalinistischen Schauprozessen der dreißiger Jahre auseinandersetzt; sie leiteten seinen Bruch mit dem Kommunismus ein. Vor den Nazis, die er in Frankreich bekämpfte, floh er nach England. Hier schloss er sich 1969 der weltweit ersten Sterbehilfegesellschaft an, deren Vizepräsident er 1981 wurde. Von schwerer Krankheit heimgesucht, beanspruchte Arthur Koestler das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben.

Christian Buckard / Beck Verlag

Aus: „Humanes Leben - Humanes Sterben" (HLS) Nr. 3/2005

 

 

„lch verlasse meine Freunde in friedlichem Gemüt"

,,To whom it may concern" (an alle, die es angeht), so hat Arthur Koestler sein Bekenntnis zum selbstverantwortlichen Sterben überschrieben.

 

„Die Absicht dieser Zeilen ist es, unmissverständlich klarzumachen, dass ich beabsichtige, mich durch Einnahme einer Überdosis von Drogen und ohne Wissen oder Hilfe einer anderen Person selbst zu töten. Die Drogen sind legal erworben und über einen beträchtlichen Zeitraum hin gehortet worden.

Der Versuch, sich selbst zu töten, ist eine Glückssache, deren Ergebnis der Spieler nur erfährt, wenn der Versuch misslingt, aber nicht, wenn er gelingt. Sollte dieser Versuch scheitern und ich in einem physisch und geistig beeinträchtigten Zustand überleben, in dem ich nicht mehr kontrollieren kann, was mit mir geschieht, oder ich meine Wünsche nicht mehr mitteilen kann, bitte ich hiermit darum, dass es mir erlaubt ist, in meinem eigenen Heim zu sterben, und dass ich nicht wiederbelebt oder durch künstliche Mittel am Leben erhalten werde.

Ich bitte ferner, dass meine Frau oder mein Arzt oder ein anwesender Freund eine Habeaskorpusakte erwirkt bei jedem Versuch, mich gewaltsam von meinem Haus ins Krankenhaus zu bringen.

Meine Gründe, meinem Leben ein Ende zu machen, sind einfach und zwingend: Die Parkinsonsche Krankheit und eine schleichende tödliche Art von Leukämie (CCL). Ich hielt letztere selbst vor meinen engsten Freunden geheim, um ihnen Kummer zu ersparen. Nach einem mehr oder weniger steten physischen Verfall über die letzten Jahre hin hat der Prozess nun einen akuten Zustand mit zusätzlichen Komplikationen erreicht, der es ratsam erscheinen lässt, jetzt den Freitod zu suchen, bevor ich unfähig bin, die nötigen Vorkehrungen zu treffen.

Ich möchte meine Freunde wissen lassen, dass ich ihre Gesellschaft in einer friedlichen Gemütsverfassung verlasse in gewisser zaghafter Hoffnung auf ein depersonalisiertes Leben nach dem Tod über gebührende Grenzen von Raum, Zeit und Materie und über die Begrenzungen unseres Verständnisses hinaus. Dieses ,ozeanische Gefühl' hat mich oft in schwierigen Momenten aufrechterhalten und tut es auch jetzt, wo ich dieses schreibe. Was es trotzdem schwer macht, diesen letzten Schritt zu tun, ist der Gedanke an den Kummer, den er meinen wenigen überlebenden Freunden und vor allem meiner Frau Cynthia bereiten muss. Ihr verdanke ich den relativen Frieden und das Glück, das ich in der letzten Zeit meines Lebens genoss - und nie zuvor."

(HLS, 3 /1983)