BERLIN. (hpd) Der Islam passt zu unseren westlichen Werten: Mit einem Streit über diese These wollte 3sat am vorletzten Montag dem deutschen Fernsehpublikum einen Einstieg in ein britisches Debattenformat bieten. Das ist gründlich misslungen. So blieben nach der Sendung ein zufriedener Imam und ein verwirrtes Publikum zurück.
Es kann gute Gründe dafür geben, dass der Evolutionsbiologe und britische Chefatheist Richard Dawkins in der Vergangenheit die Aufforderung zur Teilnahme an öffentlichen Debatten nicht immer akzeptierte. Welche Faktoren dazu führen können, über die Ablehnung von Einladungen doch auch einmal nachzudenken, wurde in der 3sat-Debatte am 27. August deutlich.
Das große Format wollte der Sender dem an Religionsfragen interessierten Fernsehpublikum bieten. Der Islam passt zu unseren westlichen Werten – diese (medial mittlerweile reichlich abgedroschene) These war deshalb vom Redaktionsteam des öffentlich-rechtlichen Senders noch einmal (so darf man vermuten) erdacht worden, um unter Moderation von Theo Knoll jeweils zwei Kontrahenten in einer zeitlich knapp bemessenen Pro-Contra-Debatte „nach britischer Art“ ein Plädoyer zu erlauben. Die Zuschauer durften zwischendurch einige Fragen stellen, vor und nach der Sendung gaben die Studiogäste ihre Meinung zur These kund. So sollte sich zeigen, wer die besseren Argumente vorgebracht hat.
Und wen bittet man um das Wort, wenn man schon so eine These ausgefeilt hat? Na klar: Zur Verteidigung der Auffassung, dass die islamische Religion zu „unseren westlichen Werten“ passt, hatten sich Gesine Schwan, bekennende Katholikin und Präsidentin der Humboldt-Viadrina School of Governance in Berlin, und der ehrenamtliche Imam Tarafa Baghajati auf das Podium begeben.
Dagegen waren Hamad Abdel-Samad, der aus Ägypten stammende Politologe, Buchautor und Mitglied des Beirats der gbs, und Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) angetreten. Schmidt-Salomon und Abdel-Samad hatten also die Aufgabe, das Publikum dazu zu bewegen, dass sich die Studiogäste gegen die These stellen.
Schmidt-Salomon machte in seiner Rede zunächst klar, dass für eine Diskussion zunächst die zentralen Begriffe geklärt werden müssten. Er meinte, „gemeinhin“ würde man unter dem Begriff „westliche Werte“ die Werte von Humanismus und Aufklärung verstehen.
„Humanistische Werte sind keine Besitztümer des Westens, es handelt sich vielmehr um ein Weltkulturerbe der Menschheit“, so Schmidt-Salomon dazu und er erinnerte daran, dass „Muslime das reiche kulturelle Erbe der Antike pflegten, während Christen lange Zeit alles vernichteten, was im Widerspruch zur Bibel stand“. Für den Westen gebe es also keinen Grund für kulturelle Überheblichkeit.
Es sei zudem schwierig, von „dem Islam“ zu sprechen, doch zur Annäherung könne man die Quellentexte der einzelnen religiösen Rechtsschulen studieren: Koran und Sunna. Dort seien weder „unverletzliche Menschenrechte noch die Gleichberechtigung von Mann und Frau, noch die Gewährung von Meinungs-, Kunst- und Forschungsfreiheit und schon gar nicht das Verbot religiöser Diskriminierung“ zu finden. Das verwundere nicht, denn „die Götter waren jeweils nur so klug oder so beschränkt wie die Menschen, als deren Phantasiegebilde sie im jeweiligen historischen Kontext entstanden.“
Die Quellentexte der islamischen Religion stünden daher „weit unter dem ethischen Mindeststandard jeder modernen, aufgeklärten Gesellschaft“, was in ähnlicher Weise auch für die Texte des Christentums gelten würde.
Doch anders als der Islam habe das europäische Christentum durch die „Dompteurschule der Aufklärung“ gehen müssen, und deshalb passe der Islam in seinen maßgeblichen Auslegungen, betonte Schmidt-Salomon mit Verweis auf die Menschenrechtslage in Staaten mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit, noch nicht zu den freiheitlichen Menschenrechten: „Nur wenn wir die Menschenrechtsdefizite des Islam zur Kenntnis nehmen, können wir gemeinsam daran arbeiten, sie zu beheben.“
Gesine Schwan verwies in ihrem Plädoyer darauf, dass die islamische Religion für viele Menschen ein Anlass für Schreckvorstellungen sei und verwies auf die Aufzählung Schmidt-Salomons, der an Ehrenmorde und andere Gewaltakte aufgrund religiöser Motivation erinnerte hatte. Doch wenn der islamische Glaube nicht mit westlichen Werten vereinbar sei, könne man auch die Gläubigen nicht dulden, so warnte Gesine Schwan vor falscher Logik, und müsste sie „eigentlich alle nach Hause schicken“.
Die prominente Unterstützerin des katholischen Papstes sagte weiter, dass Bibel und Koran in sich widersprüchlich seien und keine eindeutige Auskunft auf Fragen gäben. Doch die hier vorliegende Deutungsnotwendigkeit bestünde „auch für die westlichen Werte, und überhaupt für alle großen Werte“.
Einiges Gelächter des Publikums erntete Schwan für ihre Meinung, dass Menschen- und Freiheitsrechte aus den Religionen erwachsen seien. „Jede Religion ist unvereinbar mit den westlichen Werten, wenn sie die Gewissensfreiheit nicht beachtet“, ergänzte sie. Und aus dem Glauben entspringe eine Gewissensfreiheit, ohne die es auch in Deutschland „nicht so viel Widerstand“ gegen den Nationalsozialismus gegeben hätte.
Die Präsidentin der Berliner Viadrina-Hochschule machte nicht nur dieses Mal deutlich, bis heute fest im katholischen Glauben zu stehen – welcher freilich noch nie offiziell Zusammenhänge zwischen der kulturellen Wirkung des christlichen Monotheismus und der einstigen Verbreitung des Glaubens an Adolf Hitler erkennen konnte. Doch: „Entscheidend ist, dass Religionen keine weltliche Macht haben dürfen“, und dass der Glaube nicht intolerant ausgelebt werden dürfe. Was auch für den Atheismus gelte, der genauso grausam wie die Religion praktiziert werden könne.