Solidaritätskundgebungen für Pussy Riot

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DemonstrantInnen in ‚Kostümen‘ von Pussy Riot / Fotos: Maria Liebknecht

MÜNCHEN. (hpd) Samstag war „Global Pussy Riot Action Day“. Auch in München versammelten sich Aktivistinnen und Aktivisten, um ihre Solidarität mit den drei inhaftierten russischen Musikerinnen öffentlich kundzutun. Pussy Riot ist eine anonyme Punk-Band, bestehend aus circa 30 Feministinnen, die für ihre Auftritte den öffentlichen Raum nutzen.

Im Januar erklang auf dem Roten Platz „Putin hat Schiss“. Am 21. Februar führten sie einen Bittgottesdienst mit dem Refrain „Mutter Gottes, Jungfrau, werde Feministin, vertreibe Putin“ in der russisch-orthodoxen Christi-Erlöser-Kirche in Moskau durch.

Das Youtube Video der Aktion verzeichnet bereits über 1 Million Zugriffe. Es zeigt die Truppe in ihrem typischen Look, mit grellbunten Wollstrickvermummungen, als witzige Quastenmützen-„Terroristinnen“ beim Luftboxen, sich Bekreuzigen und bei Niederwerfungen vor dem Altar. Sakraler Frauenchoral tönt im Wechsel mit feinstem Punkrock, dazu folgender Text:

Punk-Bittgottesdienst

Mutter Gottes, Jungfrau, vertreibe Putin
Vertreibe Putin, vertreibe Putin.
Schwarzes Ornat, goldene Schulterklappen
Alle Bittsteller kriechen zur Verbeugung
Das Gespenst der Freiheit im Himmel
Gay-Pride ist in Ketten nach Sibirien geschickt worden
Der Chef des KGB ist ihr oberster Heiliger
Führt die Protestierer bewacht in Haft
Um den Heiligsten nicht zu betrüben
Müssen Frauen gebären und lieben
Göttlicher Dreck, Dreck, Dreck
Göttlicher Dreck, Dreck, Dreck
Mutter Gottes, Jungfrau, werde Feministin
Werde Feministin, werde Feministin
Kirchliches Lob für die verfaulten Führer
Prozession aus schwarzen Limousinen
In die Schule kommt der Pfarrer
Geh zum Unterricht – bring ihm Geld!
Der Patriarch Gundjaj glaubt an Putin
Besser würde der Hund an Gott glauben
Der Gürtel der Jungfrau ersetzt keine Demonstrationen
Die Jungfrau Maria ist bei den Protesten mit uns!
Mutter Gottes, Jungfrau, vertreibe Putin
Vertreibe Putin, vertreibe Putin.

Die Frauen werden zunächst von Sicherheitskräften abgeführt. Am 3. März, dem Vortag der Präsidentenwahlen, werden zwei Bandmitglieder verhaftet, Nadezhda Tolokonnikova (Bürgerrechtsaktivistin) und Marija Alechina (Umweltschutzaktivistin). Ekaterina Samutsevitch, vorher Zeugin im Fall, wird zur Verdächtigen und am 14. März in Haft genommen. Die Frauen sind zwar Mitglied von Pussy Riot, bestreiten aber ihre Anwesenheit bei der Aktion. Nach Berichten der Verteidigung stehen alle drei Frauen unter illegaler 24-stündiger Videoüberwachung und dürfen nicht einmal mit ihren sehr kleinen Kindern telefonieren. Sie werden offiziell des „Rowdytums“ beschuldigt. Es droht ihnen sieben Jahre Haft. Die Untersuchungshaft wurde am 19.04. um weitere zwei Monate verlängert.

Die Behörden rechtfertigen das harte Vorgehen mit dem Argument, die Künstlerinnengruppe habe aus religiösem Hass gehandelt. Der massiven Hetzkampagne in den Medien und der Öffentlichkeit gegen die „blasphemischen Frauen“ begegnete die Gruppe auf ihrem Blog mit der Erklärung, sie habe nicht gegen den Glauben an sich, sondern gegen die Rolle der russisch-orthodoxen Kirche im Wahlkampf demonstrieren wollen: "Der Patriarch wirbt skrupellos für Wladimir Putin und spricht ihn bereits jetzt als gewählten Präsidenten an."

Das sind deutliche Hinweise auf die mangelnde Trennung von Kirche und Staat. Der Text des Bitt-Gebets nimmt mit "Gay-Pride ist in Ketten nach Sibirien geschickt worden" Bezug auf einen aktuellen Gesetzentwurf. Wer in der russischen Öffentlichkeit über Homosexualität spricht, soll bald landesweit bestraft werden. Bislang gilt das Verbot nur in einigen Städten. "Um den Heiligsten nicht zu betrüben müssen Frauen gebären und lieben" gilt der orthodox-nationalen Propaganda, Russland würde bald aussterben und einem Werteverfall erliegen.

Die Russisch-Orthodoxe Kirche forderte die Behörden in einer offiziellen Stellungnahme dazu auf, die strengst möglichen Maßnahmen gegen die „blasphemischen Frauen“ zu treffen, ruft alle Orthodoxen, die mit den Frauen sympathisieren, auf, sich der streitenden und triumphierenden Kirche (ecclesia militans et triumphans) anzuschließen. Patriarch Kirill erinnert die Gläubigen daran, dass in der Christi-Erlöser-Kirche eine sehr große orthodoxe Reliquie aufbewahrt wird – ein Teil der Kleidung des Herrn, in der er nach Golgatha geführt wurde.

Amnesty International forderte hingegen bereits am 3. April die russische Regierung auf, die Punk-Sängerinnen frei zu lassen. Als Hexenjagd bezeichnet Wladimir Lukin, Menschenrechtsbeauftragter der russischen Regierung das Verfahren. Memorial, eine der führenden russischen Menschenrechtsorganisationen hält die Verfolgung für politisch motiviert. Das Auswärtige Amt der Bundesregierung steht über die Botschaft Moskau in Kontakt mit den Anwälten der Gruppe und wird den Fall weiter aufmerksam beobachten.

 

In Deutschland gab es bereits einen Flashmob vor der Russischen Botschaft in Berlin, ein Konzert am Samstag in Karlsruhe, ein Solitreffen in Wien. Assunta Tammeleo vom Bund für Geistesfreiheit in München hielt ein Radiointerview mit den engagierten Aktivistinnen und Übersetzerinnen der entsprechenden Internetseite in München. Auch die Landesgruppe Russland von Amnesty International München unterstützt die Öffentlichkeitsarbeit.

Maria Liebknecht

Ausführliche Infos und eine Unterschriftenaktion finden sich auf der deutschen Internetseite der Gruppe.