AMSTERDAM. (HV) Als Beitrag zum Meinungsstreit über den Fitna-Film von Geert Wilders
veröffentlicht der hpd im Folgenden Auszüge aus der Erklärung des Vorsitzenden des Humanistischen Verbandes der Niederlande (Humanistisch Verbond), Rein Zunderdorp.
Der Film „Fitna“ … hat leider nicht die Form einer kohärenten politischen Beweisführung. Deshalb müssen wir die angewandte Argumentation rekonstruieren. Wenn ich es richtig verstehe, wird Folgendes behauptet: Der Islam ist … „eher eine politische Ideologie als eine Religion“. Eine Ideologie, die an den Koran und an andere Bücher festgemacht wird und nur in seiner meist buchstäblichen (undemokratischen, gewalttätigen, unterdrückenden) Form besteht. … Ein gemäßigter Islam innerhalb der Grenzen des westlichen Rechtstaates besteht nach dieser These nicht. Damit sind die in den Niederlanden wohnenden Muslime eine Bedrohung für die Freiheit und den Rechtsstaat.
In dem Film sehen wir den nahtlosen Übergang von terroristischen Bildern anderswo in der Welt nach dem wahrscheinlichen Untergang unserer Lebensweise in unserem Land. Aber noch sind die Niederlande und der Westen nicht verloren! Die Not ist groß, aber der Retter ist nahe: „’Fitna’ ist die letzte Warnung für den Westen. Entweder wir entscheiden uns dafür, unsere Freiheit für unsere Kinder zu bewahren, oder wir lassen unsere Freiheit absinken in den multikulturellen Sumpf und gestatten das weitere Wachstum der islamistischen Ideologie.“
Damit gleicht die Argumentation Wilders stark der des USA-Politikers Joseph McCarthy, der in den 1950er Jahren eine nationale Jagd auf alles, was kommunistisch war ... entfesselte. …
Neben den Muslimen, gibt es aber noch eine Bevölkerungsgruppe, welche die Freiheit und die grundlegenden Werte bedroht. Abwechselnd wird sie angedeutet als „die progressive Elite“, „der redliche Teil der Nation“ ... Die Anschuldigungen gegen diese Gruppe(n) sind fast schwerwiegender als die gegen die Muslime. Letztere können ja wenig dagegen machen, gute Muslime sein zu wollen. Es sind (in der Terminologie von McCarthy und J. Edgard Hoover) die als „fellow travelers“ getarnten Landesverräter.
Wir erkennen hier den rhetorischen Trick, eine Ideologie bzw. Religion in ihrer meist radikalen und rabiaten Variante zu beschreiben und zu behaupten, dass dies die einzig bestehende Variante ist. Wilders beschreibt also die fundamentalistische Interpretation des Islams und seine monopolistischen Ansprüche. Muslime haben nur noch eine Chance, als akzeptierte Mitbürger anerkannt zu werden, wenn sie ihren Glauben verlassen.
Im anderen Fall werden sie gezwungenermaßen, um „gute Muslime“ zu sein, definitionsgemäß zu den Fundamentalisten gerechnet. Dadurch wird das Problem und die Bedrohung der Demokratie in unserem Lande sehr groß gemacht. Dies macht dann die Angst vieler Menschen vor muslimischen Mitbürgern nicht nur verständlich, sondern sehr berechtigt.
Schlimmer noch, die Wachsamkeit müsse gestärkt werden und die Niederländer, welche die Gefahr vertuschen, müssen entlarvt werden. „Der Kampf für die Freiheit hat erst angefangen.“ Die Tatsache, dass sowohl weltweit, und in großem Maße in den Niederlanden, die Muslime und ihre Organisationen sich von den gewaltbereiten und fundamentalistischen Varianten des Islams distanzieren, darf nach unserer Auffassung jedoch nicht negiert werden und nicht als ein irreführender oder gar taktischer Schachzug eines „Wolfes im Schafspelz“ hingestellt werden.
Wie groß ist die fundamentalistische Gefahr in den Niederlanden in Wirklichkeit? Die eine Million Muslime sind nach den letzten Berechnungen des CBS nur 850.000. Von denen geht nach den letzten Untersuchungen nicht mehr als die Hälfte regelmäßig in die Moschee. Davon ist der übergroße Teil als gemäßigt zu bezeichnen und fast die ganze Gruppe unterstützt die niederländische Demokratie und den Rechtsstaat.
Gibt es dann kein Probleme? Sicherlich gibt es diese. Die massenhafte Immigration niedrig qualifizierter Menschen aus Ländern mit dominanter islamischer Kultur in der zweite Hälfte des vorherigen Jahrhunderts hat erhebliche, noch nicht überstandene Anpassungsprobleme hervorgebracht. … Für viele Niederländer bilden die importierten Werte und Normen einen nicht reizvollen Rückschritt dar im langfristigen Säkularisierungsprozess. …
Es findet aber trotzdem ein kultureller Anpassungsprozess statt. Das geschieht sehr holpernd. … Letztendlich gibt es jedoch eine allmähliche Anpassung an die westlichen säkularen Werte. Nicht nur als bloße Anerkennung, sondern auch als starke Würdigung der demokratischen, wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften der Niederlande, so wie es viele Erklärungen von muslimischen Organisationen zeigen.
Gibt es dann keine fundamentalistische Gefahr mehr? Sicherlich gibt es diese. Der Islam bereitet große Probleme und diese bereiten Probleme für den Frieden und die Sicherheit in der Welt. … Die terroristischen Provokationen der Fundamentalisten erzeugen nicht nur viel Leid und Angst, sondern bezwecken vor allem, die Muslime weltweit und in den westlichen Ländern zu isolieren und zu radikalisieren.
Strategisch gesehen ist es deshalb sehr wichtig, die Fundamentalisten zu isolieren und Prozesse der Demokratisierung und wirtschaftlicher Entwicklung zu fördern. Ob die westlichen Interventionen in der islamischen Welt dabei erfolgreich sind, muss sich noch zeigen. Die Strategie in den westlichen Ländern muss es aber sein, so vielen islamischen Immigranten wie möglich einen Prozess der Anpassung und Integration zu ermöglichen und die kleine Gruppe potenziell gefährlicher Fundamentalisten zu isolieren.
Die Strategie Wilders ist dem entgegengesetzt. Er erlaubt den gemäßigten Gläubigen keinen Ausweg. Diejenigen, die demokratische Werte unterstützen, sind per Definition ja keine „guten Muslime“. Seine Stereotypierung und Stigmatisierung vergrößern die Probleme. Damit unterstützt er die fundamentalistischen Bewegungen. Das ist nicht unlogisch, weil er letztlich ihre Islaminterpretation teilt.
Diese Interpretation fällt für ihn günstig aus. Sie steht aber im Gegensatz zu den nationalen Interessen. Und sie ist ein Risiko für die Humanisierung der Gesellschaft.
Übersetzung: Rudy Mondelaers