(hpd) Muss die „Rückkehr der Religionen" (Martin Riesebrodt) mit Hoffnung auf Besserung oder dem Schrecken
neuer Gefahren verbunden werden? Der österreichische Journalist Robert Misik, der in Deutschland regelmäßig für die taz schreibt, befürchtet eher Letzteres und ruft angesichts solcher Entwicklungen „Gott behüte!". In seinem gleichnamigen Buch will er laut Untertitel begründen „Warum wir die Religion aus der Politik raushalten müssen". Entgegen dem Marxschen Wort vom „Opium des Volkes" sei der Glaube ein Aufputsch- und kein Beruhigungsmittel - „mit dem die Völker aufeinander losgehetzt werden" (S. 161).
Misik bestreitet nicht, dass Religionen auch positive Auswirkungen auf Engagement und Solidarität der Menschen hätten. Ihre Nachteile würden allerdings überwiegen: „Sie verleiten dazu, Unrecht zu respektieren, das nie toleriert würde, wenn es nicht den Adel des Spirituellen hätte." Und: „Im Namen der Religion dürfen die obskursten Dinge verbreitet werden, und wer diese Narreteien Narreteien nennt, der hat das Stigma des Intoleranten" (S. 191).
Diese Auffassungen stehen am Ende eines Buchs, das sich neun unterschiedlichen Themenkomplexen der aktuellen Debatte um die Rolle von Religion in Öffentlichkeit und Politik widmet: Es geht um die Artikulation des „Kampfes der Kulturen" in Gestalt der „Konkurrenz der Fundamentalismen" und die nur schwer zu lösende Verkopplung von Politik und Religion, die Inanspruchnahme der Vernunft durch den Katholizismus bei dem gegenwärtigen Papst und Eifertum und Gewaltneigung im Monotheismus, die ideengeschichtliche Herausbildung des Islamismus und das Spannungsverhältnis von Demokratie und Islam bzw. Religion, die Irrtümer kulturell-religiöser Identität und Konkurrenz und die Ambivalenz der Heiligen Schriften zwischen Humanität und Intoleranz. Misik schließt mit dem Ausruf „Gott schütze uns vor der Renaissance der Religionen" (S. 191). Er macht aber auch deutlich, dass das Christentum oder die Religionen nicht für jedes Übel in der Geschichte verantwortlich gemacht werden könnten.
Wie schon dieser inhaltliche Überblick veranschaulicht, handelt es sich eher um ein fragmentarisches und weniger um ein geschlossenes Buch. Der Autor behandelt in jedem der neun Kapitel, die demnach auch für sich gelesen werden können, einen Aspekt vorheriger journalistischer Arbeit ausführlicher. Hierbei bezieht er sich auf eine eher schmale Literaturgrundlage, die von ihm dann persönlich kommentiert wird. So referiert Misik etwa Jan Assmanns Auffassungen zur Gewaltgeneigtheit des Monotheismus, ohne die Inhalte der darüber geführte Debatte näher zu berücksichtigen. Trotz solcher Schwächen, die sich aus dem journalistischen und nicht wissenschaftlichen Charakter des Buches erklären, verdient es doch Beachtung. Misik erweist sich immer wieder als kluger Analytiker mit überraschenden Deutungen. Dies zeigt sich auch und gerade bei der Auseinandersetzung mit der Frage nach der Kompatibilität von Demokratie und Islam. Dies sei nicht das Problem, Religionen wären grundsätzlich demokratiefähig - sofern sie ihren Machtanspruch verloren hätten.
Armin Pfahl-Traughber
Robert Misik, Gott behüte! Warum wir die Religion aus der Politik raushalten müssen, Wien 2008 (Carl Ueberreuter-Verlag), 191 S., 19,95 €