BONN. (hpd) Die Pressemitteilung, mit der die Deutsche Bischofskonferenz am 09. Januar 2013 die Kündigung des Forschungsvertrages mit Prof. Pfeiffer bekannt gab, hatte den Titel „Deutsche Bischofskonferenz will kriminologisches Forschungsprojekt zum Thema sexueller Missbrauch mit neuem Partner durchführen“. Wie soll das gehen?
Leider bleiben die deutschen Bischöfe und der Missbrauchsbeauftragte Stephan Ackermann seitdem die Antwort auf die Frage schuldig, wie das Forschungsprojekt überhaupt sinnvoll fortgeführt werden soll. Denn die vom Kirchenrecht vorgeschriebene Geheimhaltung und Aktenvernichtung scheint mit den Zielsetzungen des Projektes nicht vereinbar:
Das Forschungsprojekt verfolgte fünf Zielsetzungen, die erste davon: „belastbare Zahlen“ zum sexuellen Missbrauch zu erbringen. Wie man zu belastbaren Zahlen kommen soll, wenn die einschlägigen Akten im Geheimarchiv aufzubewahren sind, zu dem lt. Kirchenrecht „nur der Bischof“ den Schlüssel haben darf und aus dem „keine Dokumente herausgegeben werden“ dürfen, ist nicht ersichtlich. Die Mitteldeutsche Zeitung zitierte hierzu den Kirchenrechtler Klaus Lüdecke, der darauf hinweist, dass bei dem Vertrag möglicherweise das innerkirchliche Archivrecht nicht beachtet worden sei, denn es gäbe in der Kirche zwei Archive, das normale Personalarchiv und eben ein Geheimarchiv, das nur vom Bischof eingesehen werden dürfe und in dem die Akten aus sittlichen Verfahren gegen Priester aufbewahrt werden.
Dieses Problem bleibt auch nach der Kündigung des Vertrages mit Pfeiffers Institut ungelöst. Wenn die deutschen Bischöfe jetzt beteuern, das Projekt fortführen zu wollen, sollten sie schon um ihrer eigenen Glaubwürdigkeit willen erklären, wie dieser grundsätzliche Widerspruch gelöst werden soll. Stattdessen heißt es von dort: „Das Forschungsprojekt wird fortgeführt. Es scheitert an der Person von Prof. Pfeiffer. Wir werden uns aber dieser Verpflichtung, die wir 2010 bereits verkündet haben, weiter stellen.“
Ansonsten beschränkt man sich seitens der Bischöfe auf Beteuerungen, es gäbe überhaupt keine Aktenvernichtung. Verstoßen etwa alle Bistümer systematisch gegen das Kirchenrecht? Bei näherer Betrachtung stellt man fest, dass hier offenbar eine Sprachregelung benutzt wird, bei der die Aussage, es gäbe keine Aktenvernichtung, ergänzt wird um den Zusatz „die das Forschungsprojekt behindern würde“. Mit dem Hinweis darauf, dass das Kirchenrecht die Aufbewahrung eines kurzen Tatbestandsberichts und des Urteilstexts vorsieht, wird argumentiert, es ließen sich „keine Straftaten vertuschen oder Fallzahlen manipulieren.“
Das wird – vorhersehbarerweise! – von den Medien dann schon mal verkürzt wiedergegeben, indem z.B. gemeldet wird, es gäbe keine Aktenvernichtung, oder das Kirchenrecht sehe „die dauerhafte Aufbewahrung der Akten vor“. Das Kirchenrecht schreibt nun aber mal die Vernichtung der Akten vor, und es ist davon auszugehen, dass sich die deutschen Bistümer daran halten.
Dass – nach kirchlicher Aussage – keine Fallzahlen manipuliert werden können (was voraussetzt, dass die Geheimakten für das Forschungsprojekt zur Verfügung gestellt werden) bedeutet allerdings nicht, dass das Forschungsprojekt nicht beeinträchtigt wird. Denn es gibt ja noch vier weitere Forschungsziele, und der Forschungsvertrag sah ausdrücklich vor, dass „alle in den (Erz-)Bistümern erreichbaren Informationen über Fälle des sexuellen Missbrauchs“, ggf. seit 1945, zur Verfügung gestellt werden und dass „alle Akten von katholischen Priestern, Diakone[n] und männliche[n] Ordensangehörigen“ ausgewertet werden sollten. Das ist aber nicht möglich, wenn ausgerechnet die Akten der verurteilten Täter systematisch nach 10 Jahren zu vernichten sind.
Morgen will Bischof Ackermann auf einer Pressekonferenz die Ergebnisse der mittlerweile eingestellten Missbrauchs-Hotline präsentieren. Bei dieser Gelegenheit sollte er eindeutig erklären, ob die deutschen Bistümer die Vorschrift des Kirchenrechts, derzufolge Täterakten nach zehn Jahren zu vernichten sind, befolgen, und wie angesichts dieser Situation die angekündigte Studie sinnvoll fortgeführt werden soll.
Matthias Krause
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Matthias Krause hat auf seinem Blog seit 2010 mehrfach kirchliche Täuschungsmanöver aufgedeckt. 2010 zog ein Kirchenrechtler ein Statement zugunsten von Erzbischof Robert Zollitsch zurück, nachdem Krauses Recherchen ergeben hatten, dass Zollitsch tatsächlich für eine Pfarrei verantwortlich ist, in der es zu Missbräuchen kam. Letztes Jahr deckte er auf, dass der Hildesheimer Bischof Trelle und sein Missbrauchsbeauftragter Bongartz im während des Missbrauchsskandals 2010 die Unwahrheit sagten, und er wies darauf hin, dass sich das Bistum Hildesheim der Öffentlichkeit jahrelang als "Musterbistum" in Sachen Missbrauch präsentierte, während dort gleichzeitig fast ununterbrochen Missbrauchstäter weiter eingesetzt wurden.