BERLIN. (hpd) Die Jugendfeier-Gruppe des Humanistischen Verbandes Nürnberg
startete am Morgen des ersten Mai etwas verschlafen, aber voller Vorfreude nach Berlin.
Trotz Fahrzeugkontrolle kam der Bus rechtzeitig zum vereinbarten Termin im Regierungsviertel der Hauptstadt an. Schon beim Aussteigen begegnete den Jugendlichen mit dem im Jahr 2006 von den Architekten Gerkan, Marg und Partner erbauten Berliner Hauptbahnhof modernste Architektur. Auf ihrem Weg zum Reichstag überquerte die Gruppe die Spree und winkte im Vorbeigehen dem Kanzleramt zu.
Wie viele andere begaben sich die Neugierigen Kids zur Personenkontrolle und anschließend mit dem Aufzug zur Besuchertribüne im Bundestag. Im Plenarsaal waren die Berlin-TouristInnen wegen des sitzungsfreien Tages unter sich. Ein Angestellter des Besucherdienstes erläuterte in einem 45-minütigen Vortrag die wichtigsten Fakten zum Herzstück des Bundestages. Doch ohne die Abgeordneten ist ihr Alltag – trotz Aufklärung über die Arbeitsweise und Sitzordnung des Parlaments – schwer vorstellbar. Überraschend ist, dass der mit blauen Stühlen ausgestattete Sitzungssaal viel kleiner wirkt, als im Fernsehen vermutet. Die Stirnseite des Raumes wird vom riesigen Bundesadler beherrscht, der von der Bundestagsflagge und der Europafahne eingerahmt wird. Inmitten des Saales befindet sich ein mit 360 Spiegeln besetzter Trichter, der wie ein Rüssel im Saal hängt. Er hat die Funktion, zusätzliches Tageslicht in den Raum zu transportieren, sowie die Abluft des Saales ins Freie zu transportieren und somit für gute Belüftung zu sorgen.
Im Anschluss an den Plenarsaal ging es zum Wahrzeichen des Bundestages. Der Besuch der gläsernen Kuppel ist wegen seines großartigen Blicks über die Hauptstadt ein Genuss. Dennoch freuten sich alle nach dem langen Tag auf ihr Zimmer in der Jugendherberge Ernst-Reuter, die direkt am Wald im Stadtteil Hermsdorf liegt.
Shopping bis zum Umfallen war im Programm nicht vorgesehen. Doch gleich am Freitagvormittag waren Abstecher zum Ku´damm und den Hackeschen Höfen ein unabdingbares „Muss“. Bei dem Überangebot an Geschäften wundert es nicht, dass vielen die Zeit zum Rumbummeln nicht ausreichte.
Zur Mittagspause traf sich die Gruppe am Brandenburger Tor. Dort tummelten sich die Menschen. Der Frühling hatte außer den NürnbergerInnen noch viele andere Menschen in die Stadt gelockt. Es gab viel zum Schauen, neben den Bauwerken waren viele KünstlerInnen da. Besonders die Breakdancer wurden wegen ihrer Gelenkigkeit und Kraft bewundert und beklatscht.
Am Nachmittag des zweiten Tages fuhr ein Teil zum Antikriegsmuseum und beschäftigte sich mit dem Thema Kriegsdienstverweigerung. Die anderen spazierten an der Charité vorbei zum größten Museum für zeitgenössische Kunst in Europa, dem Hamburger Bahnhof. Die Betrachtung der Ausstellung „Lighter“ des Fotografen Wolfgang Tillmanns stand im Mittelpunkt des Besuchs, der sein Werk mit folgenden Worten beschreibt: “obwohl ich weiß, dass die Kamera lügt, halte ich doch fest an der Idee der fotografischen Wahrheit.“
Der Abend in der Jugendherberge war für die Vorbereitung der Jugendfeier reserviert. In Zweierteams bereiteten die TeilnehmerInnen erstmals ihren persönlichen Beitrag für den Bühnenauftritt an ihrem Festtag vor.
Am dritten Tag fand der Besuch der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen und ein Gespräch mit dem Zeitzeugen Dr. Adam König statt. Am Vormittag teilten sich die Jugendlichen in Gruppen auf und bereiteten sich auf das Gespräch mit Herrn König vor.
Nach der Vorstellung der Jugendfeiergruppe und des HVD machte Adam König einen einführenden Überblick über sein Leben als Opfer nationalsozialistischer Verfolgung und ermutigte die Jugendlichen ihre Fragen zu seinem Leben und seinen Erinnerungen an die Nazizeit zu stellen.
Lebendig und verständlich erzählte Herr König, dass er im November 1939 als 17-jähriger aus seiner Heimatstadt Frankfurt am Main in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt wurde. Im Oktober 1942 erfolgte seine Deportation nach Auschwitz. Er nahm am Todesmarsch in das KZ Dora-Mittelbau teil und wurde erst im April 1945 von britischen Truppen im KZ Bergen-Belsen befreit. Herr König sagt, dass er nur mit viel Glück den Holocaust überlebt hat. Seinen jüdischen Glauben an Gott hat er durch die vielen Grausamkeiten verloren. Heute ist er Atheist.
Das Gespräch bewegte die Jugendlichen sehr. Sie hörten gespannt und betroffen zu, finden unvorstellbar was Hitler und die Nazis getan haben. Sie bewundern Herrn König und danken ihm herzlich für seinen Mut, sich seinen schlimmen Erlebnissen zu stellen und ihnen davon zu berichten.
Abschluss-Highlights der Fahrt waren der Besuch eines Improvisationstheaters und last but not least am Sonntag der Besuch des Olympiastadions, das für die Nazi-Spiele 1936 vom Architekten Werner March erbaut wurde. Das Stadion hat mehrere Instandsetzungen und Umbauten hinter sich. Die spektakulärste Veränderung ist die Überdachung des Stadions, die nahezu alle 74.244 Sitzplätze vor Regen und Sonne schützt. Durch den Berliner Halbmarathon mit mehr als 20.000 LäuferInnen war die Gruppe mitten im Geschehen und schnupperte hautnah die betriebsame Stadionatmosphäre. Dennoch war durch den vorherigen Besuch in Sachsenhausen und dem Zusammenhang mit Olympia im Jahr 1936 sowie den bevorstehenden Spielen in Peking auch etwas Beklemmung zu spüren.
In Berlin entstand eine gute Gruppengemeinschaft. Die Jugendlichen kamen wieder gut in Nürnberg an und freuen sich auf die verbleibende Zeit bis zur Jugendfeier am 19. Juli 2008.
Anita Häfner