MÜNCHEN. (hpd) Die Humanistische Union, Ortsverband München, verlieh die Bürgerrechts
-Auszeichnung "Aufrechter Gang"
Eine kleine grüne Figur, einem Kaktus ähnlich mit reichlich Stacheln, mit roten Schuhen, roter Kopfbedeckung und einem dicken "Grundgesetz"unter dem Arm ist am Donnerstag abend, den 12.Juni 2008 im Münchner Kulturzentrum Gasteig von Professor Dr. Hering (HU) aus seiner gestreiften Verpackung befreit worden. Diese Figur ist als Preis 'Aufrechter Gang' seit 1988 vom Ortsverband München der Humanistischen Union bereits 12 mal verliehen worden an mutige Menschen, die den Geist des Grundgesetzes verteidigen. MIt der Verleihung des aufrechten Kaktus-Menschen soll auch anderen Menschen Mut gemacht werden, für ihre Rechte - aber auch für die hilfloser anderer - einzutreten, um so an einer lebendigen politischen Zukunft mitzuarbeiten. In diesem Jahr ging die Auszeichnung an Frau Hauptfeldwebel Christiane Ernst-Zettl.
In die Black Box des Münchner Kulturzentrums ertönten leise aus dem Hintergrund von einer benachbarten Veranstaltung die Chöre der "Carmina Burana" herein, als Professor Hering den Zuhörern und Zuhörerinnen die Bedeutung des Preises "Aufrechter Gang" erläuterte und die Grußadresse des Arbeitskreises "Darmstädter Signal" vorlas. Für die Laudatio hatte die Humanistische Union den aktiven Berufssoldaten der Bundeswehr im Rang eines Majors, Florian Pfaff, gewählt, der im März 2003 bundesweit Schlagzeilen machte, weil er seinen Einsatz im Irakkrieg aus Gewissensgründen verweigerte. Erst am vergangenen Freitag hat er erstritten, dass die Beförderungssperre zum Oberstleutnant aufgehoben werden muss.
Vom Sittenverfall in der Bundeswehr
Florian Pfaff ist inzwischen auch in der Friedensbewegung engagiert und ruft ganz besonders Soldaten auf, in Angriffskriegen den Gehorsam zu verweigern. In seiner frei gehaltenen Rede zu Ehren der Ausgezeichneten erklärte er dem Publikum die Problematik und Besonderheit des Falles Christiane Ernst-Zettl. Weil sie sich als Vorgesetzte und Sanitätsfeldwebel der Bundeswehr persönlich für die Einhaltung der Regeln des Humanitären Völkerrechts im friedenssicherndem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan verantwortlich fühlte, wurde sie mit einer Disziplinarbuße und strafweisen Rückversetzung nach Deutschland belegt.
Im Einsatz als Sanitätsfeldwebel erhielt sie Order, Personenkontrollen an afghanischen Frauen vorzunehmen, die im ISAF-Camp Warehouse in Kabul als lokale Arbeitskräfte beschäftigt sind. Hierzu sollte sie gleichfalls ihre Rot-Kreuz-Armbinde ablegen, woraufhin Ernst-Zettl beim Sicherungszugführer, einem Oberleutnant, vorstellig wurde, um ihm zu melden, dass sie im Sinne des humanitären Völkerrechts Nichtkombattant sei und daher für Sicherungsaufgaben nicht eingesetzt werden dürfe. Allein für ihre Meldung und den damit verbundenen Versuch, sich an die Bestimmungen der Genfer Konventionen zu halten, wurde die Soldatin mit einer Disziplinarbuße von 800 Euro belegt und "repatriiert", das bedeutet, strafweise nach Deutschland zurückkommandiert.
Die Begründung dafür wirkt bizarr: Sie hätte mit ihrem Verhalten den Sicherungszugführer verunsichert und so den ordnungsgemäßen Dienstablauf behindert. Die Richter des Militärgerichtes, das diesen Fall beurteilen mußte, sahen in ihrem Handeln einen Missbrauch ihrer Rechte zu Lasten eines Kameraden", warfen ihr vor, den Dienstbetrieb gestört zu haben, und attestierten ihr obendrein, dass ihr Handeln "ein bedenkliches Licht auf ihren Charakter" werfe. Keine Anstrengung verschwendeten die Militärjuristen freilich auf die Frage nach der völkerrechtlichen Zulässigkeit des Einsatzes von Bundeswehr-Sanitätssoldaten zu Wach- und Sicherungsaufgaben bei internationalen Einsätzen.
Die Auszeichnung "Aufrechter Gang" gebührt, so Florian Pfaff, Christine Ernst-Zettl für ihren unerschrockenen Einsatz für die Wahrung des Völkerrechts, der sie inzwischen auch auf den Weg vors Bundesverwaltungsgericht gebracht hat. Der ehemalige Major Pfaff schilderte anhand dieses Falles und anderer Fälle anschaulich die negativen Veränderungen in der Bundeswehr weg von einer reinen Verteidigungsarmee hin zu einer Armee, die immer öfter humanitäres Völkerrecht ignoriert und aktiver Teil bei Angriffskriegen wird. Und dass es dagegen Widerstand zu leisten gilt!
Sorge um die Einhaltung des Völkerrechts
In ihrer Dankesrede verwies Christine Ernst-Zettl darauf, dass sie nichts Besonderes geleistet hätte, sondern sich lediglich auf Paragraf 10, Absatz 4, Soldatengesetz berufen und um Einhaltung des Völkerrechts, der Menschenrechte und des Genfer Abkommens von 1949 gebeten. Sie fühle sich als Sanitätssoldatin auch der Idee des Henry Dunant, dem Gründer des Roten Kreuzes und Wegbereiter des humanitären Gedankens verpflichtet. Den ihr überreichten Preis betrachte sie als Ehre und Ermutigung, ihren Weg weiter zu gehen und weiter zu kämpfen.
Nach der feierlichen Übergabe und den Reden folgte über die Hälfte der Besucher/innen der herzlichen Einladung der Humanistischen Union ins benachbarte Restaurant zum geselligen Beisammensein bei Wein und Fingerfood, wo noch munter weiter diskutiert wurde.
Mutig und wichtig ist es, dass Christine Ernst-Zettl für dieses humanistische Anliegen weiter kämpft. Und doch sollen alle Pazifisten auch nach dieser bemerkenswerten Demonstration von Zivilcourage weiterhin unermüdlich im Einsatz auch dafür sein, dass es zwar utopisch, aber wünschenswert ist, dass keiner hingeht, wenn Krieg ist und sich erst gar keiner dafür ausbilden läßt. Die Humanistische Union als aktive Bürgerrechtsorganisation seit 1961 hat auch diesen Ansatz mit der Preisträgerin Gerti Kiermeier 1997 entsprechend gewürdigt, die als Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft vor Gericht das Recht erstreiten muß, sagen zu dürfen, dass Soldaten "potentielle Mörder" sind. Die HU verweist hier auf den Pazifisten und Atheisten Bertrand Russell, der 1940 wegen seiner öffentlich geäußerten Meinung eine Professorenstelle nicht antreten konnte: "(...) Es ist ein wesentlicher Zug der Demokratie, daß mächtige Gruppen und selbst Mehrheiten gegenüber anders denkenden Gruppen - und seien sie noch so klein - Toleranz üben, wie sehr ihnen deren Ansichten auch zuwider sein mögen. In einer Demokratie müssen die Menschen lernen, dieses zu ertragen"(...). Mit Menschen wie Christine Ernst-Zettl, mit Florian Pfaff, mit Gerti Kiermeier und den vielen Mutigen und Aktiven aus der Humanistischen Union kommen wir diesem Ideal Zug um Zug näher!"
Assunta Tammelleo