Auf den Leim gegangen

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Darstellung eines Meridians und ihm zugehöriger Punkte, Foto: public domain

WIEN. (hpd) Pseudo vulgo -Alternativmedizin breitet sich aus. Durchaus mit offizieller Unterstützung. Jungärzte bekommen sie in offiziellen Veranstaltungen als Fortbildung kritiklos vorgesetzt. Und die Veranstalter reagieren auf Kritik mit Unverständnis.

Die Antwort des wissenschaftlichen Leiters einer offiziellen Fachtagung einer österreichischen Medizinuniversität fiel eindeutig aus. Eindeutig verständnislos und eindeutig – nun ja, unhöflich, um es zurückhaltend zu formulieren. Ich hatte gewagt, als Privatperson zu kritisieren, dass bei der wissenschaftlichen Tagung aus seinem Fachgebiet auch unter anderem eine Homöopathin, eine Ayurveda-Praktizierende und ein TCM-Praxisinhaber Vorträge halten durften. Ohne, dass es auf der gleichen Veranstaltung wenigstens einen kritischen Block zu Alternativ"medizin" gegeben hätte.

Die Antwort sei hier in voller Länge wiedergegeben und zunächst unkommentiert: [1]

"Sehr geehrter Herr Baumgarten,
herzlichen Dank, dass Sie das Programm einer Veranstaltung der wissenschaftlichen Leitung, die dieses Programm erstellt hat, senden. Glauben Sie wirklich, wir wissen nicht was wir aufgestellt haben? Es ist immer wieder interessant, wie sich nicht Betroffene in Kongressprogramme versuchen einzumischen. Da wir in eine Demokratie leben sei Ihnen die Kritik unbelassen, ebenso müssen wir unser Programm nicht rechtfertigen und die Programmgestaltung steht uns frei. Letztendlich entscheiden die Teilnehmer über den Erfolg von wissenschaftlichen Veranstaltungen, denn diese werden nach internationalen Standard anonym von den Teilnehmern sehr differenziert beurteilt.

Nun kurz einige Kommentare zu Ihren Behauptungen:
Die Komplementärmedizin hat auch in der westl. Welt einen gewissen Stellenwert erreicht, wird in einigen Ländern z.T. sogar von Kassen bezahlt und welche Meinung man diesbezüglich auch hat,
man muss sich damit auseinandersetzen, um darüber eine Aussage treffen zu können. Einige dieser Gebiete erfordern in den Ländern aus denen sie kommen ein mehrjähriges Studium und haben
eine Jahrhundert bis Jahrtausend Jahre alte Tradition. Die Referenten stammen z.T. aus den Ursprungsländern und haben ebendort diese Fachgebiete studiert und neben dieser Ausbildung auch
ein Studium der westlichen Humanmedizin in Europa (z.B. in Wien) absolviert. Sie haben mit Firmen überhaupt nicht zu tun. Ihre Behauptungen sind also völlig haltlos und Sie liegen hier also vollkommen  falsch.

Diese Tagung ist eine Fachtagung, die jährlich stattfindet und das breite Spektrum der (jeweiligen fachmedizinischen Richtung, Anm) über Jahre abdeckt. Den "round table" habe ich organisiert und einen solchen  auch schon international mit großem positiven Echo veranstaltet. Ich bringe in meine Kongressen immer auch ein völlig anderes Thema, um mehr Verständnis und Offenheit außerhalb des Fachwissens  zu wecken, was immer sehr gut angenommen wird.

Der Kongress zeichnet sich durch sehr junge Teilnehmer und Teilnehmerinnen (Ärzte und Ärztinnen) aus dem deutschsprachigen Raum aus, ebenso sind die Referenten international.
Die anderen von Ihnen geforderten Thematiken passen nicht in diesen Kongress und es gibt ausreichende Veranstaltungen, die alle die von Ihnen geforderten Gebiete anbieten und
jedem Interessierten die Möglichkeit bieten sich dort weiterzubilden.

Ich ersuche Sie von weiteren Stellungnahmen abzusehen,

mit freundlichen Grüßen
xxxx“

Antwort bestätigt Kritik

Das hat unleugbar etwas von der Attitüde eines "(Halb-)Gottes in Weiß". Das entbehrt insofern nicht einer gewissen Pikanterie, als ich vorgeschlagen hatte, statt der Pseudomedizin lieber das Kommunikationsproblem Arzt/Patient zu thematisieren. Das haben wir hier in Reinkultur. Ein (potentieller) Patient – meine Wenigkeit – und der Arzt reden aneinander vorbei. Ich merke es, er nicht.

Ich hatte dem werten Herrn außerordentlichen Professor auch in keiner Sekunde vorgeworfen, er wisse nicht, was er tue. Ich hatte lediglich darauf hingewiesen, dass er offensichtlich nicht bedacht hat, welche möglichen Auswirkungen die drei kritiklosen pseudomedizinischen Vorträge haben könnten. Eine Kritik, die ich durch seine Antwort deutlich bestärkt sehe. Der Mann hat offenbar keine Ahnung, was er da anrichtet.

Das ist Werbung, keine Auseinandersetzung

Wenn eine Homöopathin, eine Ayurveda-Praktizierende und ein TCM-Praxisinhaber in einer wissenschaftlichen Fachtagung einen ganzen Vormittag gleichberechtigt mit echten Medizinern über ihre Erfahrungen plaudern dürfen, ist das alles andere als neutral. Es ist eben nicht die Auseinandersetzung mit Komplementär"medizin", die mein wertes Gegenüber laut eigenen Aussagen fördern will. In diesem Setting ist das Werbung für Methoden, die nachweislich wissenschaftlich nicht belegt werden können. Nur, das sagt den Teilnehmern keiner.

Homöopathin bietet keine Belege

Stattdessen stellt sich eine Homöopathin aufs Podium, die auf ihrer Homepage als wissenschaftliche Belege für Homöopathie lächerliche Einzelstudien mit 42 Teilnehmerinnen anführt. Und von einigen anderen Studien faselt, bei denen sie vergisst, Entstehungsjahr und Autoren anzuführen, fallweise sogar die Publikation, in der die Aufsätze erschienen sind.

Um über die Seriosität dieser Dame eine Aussage treffen zu können, muss ich mich selbst als Nichtmediziner nicht eine Stunde lang mit ihr auseinandersetzen. Das wird Medizinern auf der Fachtagung zugemutet – ohne die Möglichkeit, parallel die Validität der Aussagen zu überprüfen.

Das Pseudo-Argument Herkunftsland

Dass jemand aus einem Ursprungsland einer obskuren Heilpraxis wie Ayurveda stammt, sagt an sich auch nichts aus. Schon gar nicht ist es eine Garantie dafür, dass die Leute, wissen, was sie tun. Es eröffnet höchstens die Aussicht, dass der oder die Betreffende über den kulturellen Kontext Auskunft geben kann, in dem die Praxis angewandt wird. Nur, genau das ist nicht Thema des Vortrags. Die gute Dame plaudert einfach über Ayurveda in der medizinischen Fachrichtung, um die sich die Tagung dreht.