Notizen aus Polen (13)

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Flagge Polens (Ausschnitt) / Foto: dgap

POLEN. (hpd) Bemerkenswertes in Polen aus säkularer Sicht (Oktober 2013). Der Glaube nimmt in Polen immer weiter ab, es gibt eine Kontroverse um die richtige Beisetzung, die Rechte von Austretenden aus der Kirche sind gestärkt worden sowie eine starke Vermischung von Bildungswesen und katholischer Kirche.

Glaube in Polen nimmt ab

Wie in Deutschland kann auch in Polen seit Jahrzehnten eine immer schwächer werdende Bedeutung der Kirche in der Familie und im öffentlichen Leben festgestellt werden. Die nunmehr zum siebten Mal durchgeführte Erhebung Gesellschaftliche Diagnose (Diagnoza Spoleczna) liefert deutliche Belege dazu.

In den Anfang Oktober präsentierten Ergebnisse zum Zustand der Polen und der polnischen Gesellschaft wurden Fragen zum religiösen Glauben und zur Partizipation an religiösen Riten gestellt. Demnach sehen die Wissenschaftler eine systematische Abnahme der Bedeutung von Gott im Wertesystem und der damit in Verbindung stehenden geringeren Teilnahme an religiösen Praktiken wie dem Besuch des Gottesdienstes oder dem Beten. 2013 gaben 41,4 Prozent der Befragten an, regelmäßig am Gottesdienst und an anderen kirchlichen Feierlichkeiten teilzunehmen, das sind ca. 9 Prozentpunkte weniger als 2000 (50,11%) und der niedrigste Wert in dem Zeitraum seit 1992 (55,7%).

Dabei haben die Polen bis 2005 immer mehr gebetet, sie entfernten sich zwar von der Institution Kirche, doch flüchteten sie sich in schwierigen Lebenssituationen ins Gebet. In den Folgejahren kehrte sich dieser Trend um; gebetet wird seit dem immer seltener. Während 1995 27,4 Prozent der Befragten angaben, bei Problemen zu beten, wuchs die Zahl bis 2005 auf 33,8 Prozent, um bis 2013 auf 25,3 Prozent abzunehmen. Die Autoren der Studie sehen darin Anzeichen einer zunehmenden Säkularisierung des Landes.

Teilnehmer kirchlichen Veranstaltungen sind überwiegend Frauen, Menschen ab dem 60. Lebensjahr, Dorfbewohner, Rentner sowie Menschen mit einem geringen Bildungsabschluss. In diesem Sinne am wenigsten religiös sind Männer, Menschen bis zum 44. Lebensjahr, Einwohner von Großstädten, Menschen mit einem hohen Bildungsabschluss sowie Vermögende, Arbeitslose, Beschäftigte im privaten Sektor und Selbstständige.

Die Gesellschaftliche Diagnose ist eine Panelbefragung, 2013 nahmen daran über zwölf Tausend Haushalten und darin lebende über 23 Tausend Personen teil – befragt wurden alle Haushaltsmitglieder, die älter als 16 Jahre alt sind. Befragt wir mit zwei Fragebögen, einem zum Haushalt und einen zur Person, der Befragungszeitrum ist März bis April und die erste Befragung fand im Jahr 2000 statt. Die Panelanalyse wird ergänzt durch ältere Daten, die nahezu bis zum Beginn der Transformation reichen.

(Quelle 1) (Englisch) und (Quelle 2) (Polnisch)

Streit um richtiges Begräbnis

Was passiert mit der Leiche, wenn der Mensch gestorben ist? Im konservativen Polen gibt es dazu fast immer nur eine Antwort: im Rahmen eines traditionellen Begräbnisses werden die menschlichen Überreste auf einem Friedhof zur letzten Ruhe gelegt. Dabei möchten in Polen meist auch nichtgläubige Menschen auf einen Priester nicht verzichten.

Im Oktober ist ein Streit über das richtige Begräbnis entbrannt. Bisher war es nicht ausdrücklich verboten die Asche eines Menschen zu verstreuen. Parlamentarier der polnischen Bauernpartei (PSL) sehen darin eine Gesetzeslücke die geschlossen werden will – somit ist im Parlament ein heißer Streit über die Änderung des aus dem Jahre 1959 stammenden Friedhofs- und Bestattungsgesetzes entflammt. Verboten soll auch das Aufbewahren von menschlicher Asche zu Hause sein. Für die freie Wahl des Ortes der Ascheverstreuung sind die linksliberale Palikot-Bewegung (RP) sowie der Bund der demokratischen Linken (SLD).

Entschieden dagegen und für ein generelles Verbot der Verstreuung von eingeäscherten menschlichen Überresten ist die Polnische Bestattungskammer, die einen Interessenverband der polnischen Bestattungsinstitute ist. Nach Aussage von Vertretern der Institution sei die Ascheverstreuung typisch für die Nazis gewesen, die dadurch die Spuren ihrer Opfer verwischen wollten. Die Gegenseite warf daraufhin der Bestattungskammer vor, es gehe ihr nur um die Verdienstmöglichkeiten der Bestattungsunternehmen, die durch eine alternative Bestattung geschmälert werden würden. Denn die Kosten der Einäscherung betragen lediglich zwischen 50 Euro und 80 Euro, während der Preis für ein Grab fast 500 Euro beträgt – hinzu kommen noch Kosten für die Bestattung und einen Grabstein.

An der Gesetzesnovelle wird weiterhin im Parlament gearbeitet, daher ist noch unklar, wie und ob diese letztendlich vom Parlament verabschiedet und in geltendes Recht umgewandelt wird.

(Quelle 1), (Quelle 2), (Quelle 3), (Quelle 4) und (Quelle 5) (Alle Polnisch)

Rechte von Austretenden aus der Kirche gestärkt

Der Kirchenaustritt, die Apostasie, ist in Polen ein kompliziertes Unterfangen , das sich über einen sehr langen Zeitraum ziehen kann. Eine schriftliche Erklärung reicht als Kirchenaustritt für die katholische Kirche in Polen nicht aus. Den Vermerk im Taufregister kann nur erlangen, wer den langen und steinigen Weg in der Kirche gegangen ist.

Aber genau das forderte ein ehemaliges Kirchenmitglied durch eine einfache schriftliche Erklärung. Als der Gemeindepriester es jedoch ablehnte, im Taufregister den Kirchenaustritt zu vermerken, legte das Ex-Kirchenmitglied Beschwerde beim Datenschutzbeauftragten (Generalny Inspektor Ochrony Danych Osobowych, GIODO) ein. Dieser wiederum lehnt eine Intervention ab mit der Begründung, er dürfe gesetzlichen Vorgaben entsprechend nicht bei Daten intervenieren, die Kirchenmitglieder betreffen und dabei sei es unerheblich, ob sich der Ausgetretene als Kirchenmitglied betrachte oder nicht.

Für den Mann blieb nur noch die Klage vor dem Verwaltungsgericht in Warschau; doch das Gericht urteilte gegen seine Anliegen. Begründet wurde das Urteil mit der Unabhängigkeit zwischen Kirche und Staat. Der Klagende wiederum ist der Meinung, dass die Entscheidung des Datenschutzbeauftragten unmittelbar in sein konstitutionell festgelegtes Recht auf Religionsfreiheit eingreife. Deswegen ging er vor dem Obersten Verwaltungsgericht in Berufung und gewann. Die Richterin begründete das Urteil mit der rechtlichen Grundlage, auf der die Autonomie zwischen Kirche und Staat geregelt ist. Und damit ist das allgemeine Recht gemeint, deswegen sollte der Kirchenaustritt auch auf Basis des dieses Rechts vollzogen werden. Dabei sei die Meinungs- sowie die Religionsfreiheit zu beachten.

Mit dieser Entscheidung wird ein Präzedenzfall in Polen geschaffen, der die rechtliche Grundlage des Kirchenaustrittes stärkt – hier könnte man schon fast von einer Revolution sprechen, die das kanonische Recht zum Teil obsolet macht. Zurzeit soll dieses jedoch nach Angaben von Kommentatoren nur ca. 100 Polen betreffen, doch die immer stärker werdende Aufmerksamkeit der polnischen Medien gegenüber Verfehlungen der Kirche führen zu einer stetig wachsenden Anzahl von Kritikern der katholischen Kirche auch in Polen. Mehr Kirchenaustritte wären in dieser Situation eine logische Konsequenz.

(Quelle 1), (Quelle 2) und (Quelle 3) (Alle Polnisch)

Vermischung von Bildungswesen und katholischer Kirche

Offiziell gibt es in Polen eine Trennung zwischen Kirche und Staate, auch wenn diese in vielen Bereichen hinkt. So wird der Religionsunterricht in der Schule von Kirchenvertretern geführt und die Inhalte werden nicht durch staatliche Institutionen bestimmt. Dabei bezahlt der Staaten den Priester, der den Katechismus in Räumen der Schule durchführt. Darüber hinaus gibt es viele versteckte und offene Subventionierungen der Kirche durch den Staat.

Manchmal geht die finanzielle Hilfe durch staatliche oder öffentliche Institutionen noch weiter. In der im Nordosten Polens gelegenen Stadt Bialystock wurden Gelder für die Renovierung einer Kirche gesammelt, die Ende Oktober im Rahmen ein feierlichen Messe zu Ehren der Schule an die Kirche übergeben werden sollten. Einige Eltern regte das auf, denn der Anlass für die Sammelaktion ist ein Jubiläum der Schule. Und deren Ansicht nach sollte das Geburtstagskind Geschenke er halten und nicht noch woanders was verschenken. Des Weiteren sollten Mittel in der Schule verbleiben und für ihre Ziele verwendet werden.

Die Leitung der Schule antwortete, die Teilnahme an der Spendenaktion sei freiwillig; im Übrigen gehe es um nur einen Zloty (ca. 0,25 Euro), die im Religionsunterricht gesammelt werden. Die Schule beteilige sich ferner an anderen gemeinnützigen Aktionen, die nicht der Kirche dienen. Und auch das Bildungsministerium steht einer solchen Aktion nicht im Wege – rechtlich sei es erlaubt innerhalb der Schule Spenden für einen gemeinnützigen Zweck zu sammeln unter der Bedingung, dass die Schulleitung zustimmt.

(Quelle 1), (Quelle 2) und (Quelle 3) (Alle Polnisch)

Lukas Plewnia