POLEN. (hpd) Bemerkenswertes in Polen aus säkularer Sicht (September 2013). Ein Pädophilen-Skandal schwappt aus der Dominikanischen Republik nach Polen, die Heiligsprechung des polnischen Papstes, eine Initiative für ein schärferes Abtreibungsrecht sowie eine Offensive der Regierung in der Familienpolitik.
Pädophilen-Skandal schwappt nach Polen
Ein aufsehenerregendes Thema im September betraf einen Pädophilen-Skandal in der Dominikanischen Republik, der langsam nach Polen schwappte. Verdächtigt wird von den Behörden des Inselstaates der polnische Geistliche Wojciech Gil, minderjährige Jungs belästigt zu haben. Ferner soll Gil die Missbrauchsakte gefilmt und in Gegenwart der Kinder masturbiert haben. Dazu sollen Missbrauchsoper entsprechende Aussagen gemacht haben.
Ermittlungen wurden bereits in der Dominikanischen Republik gegen den Geistlichen aufgenommen – dortige Medien berichten von etwa 87.000 Bildern und Videos mit kinderponographischen Inhalten, die auf Gils Computer gefunden wurden. Die Anschuldigungen wurden bekannt, als sich Gil in seinem Heimatort in Polen (Modlnica bei Krakau) aufhielt. Laut polnischen Presseberichten stehen die Einwohner des Dorfes hinter dem Priester, vermutet wird eine Verschwörung dominikanischer Drogenhändler. Diese seien auf Rache aus, da der äußerst charismatische Priester drogensüchtigen Kindern seine Hilfe angeboten haben soll.
Auch die Kirche ist nun tätig geworden; der Michaeliten-Orden schickte ein Schreiben an Gil mit dem Befehl zur Rückkehr in die Dominikanische Republik, damit dieser sich vor Ort verantworten kann. Der Priester soll zwar das Schreiben angenommen, die Rückkehr jedoch nicht angetreten haben. Sein genauer Aufenthaltsort ist jedoch nicht bekannt.
Ende September gab Interpol auf der eigenen Internetseite an, dass Gill durch die Behörden der Dominikanischen Republik gesucht wird. Polnische Behörden sehen sich bisher nicht veranlasst, den Priester festzuhalten – ein Polizeisprecher erklärte, die Polizei habe auf Basis der rechtlichen Grundlagen nur die Aufgabe, den Aufenthaltsort des Beschuldigten festzustellen und ihn an Interpol zu melden. Interpol werde diese Angaben dann an die Behörden des Inselstaates weiterleiten. (Quelle 1), (Quelle 2), (Quelle 3), (Quelle 4) und (Quelle 5). (Alle Polnisch)
Polen berauscht an Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II.
Der „polnische Papst“ wird er noch heute liebevoll von nahezu allen Polen genannt – seien sie gläubig oder nicht; Kritik an seiner Amtszeit ist nicht erlaubt. Papst Johannes Paul II. wird in Polen wie ein Heiliger verehrt und weltweit ist er neben dem früheren Solidarnosc-Anführer Lech Walesa der bekannteste Pole. Ende September war daher die Freude im Land sehr groß, als Papst Franziskus verkündete, dass Johannes Paul II. Ende April 2014 heilig gesprochen werde. Doch die Nachricht kam nicht überraschend und wurde schon seit Monaten erwartet.
Das Datum der Kanonisierung des polnischen Papstes wurde nicht zufällig gewählt – am betreffenden Sonntag findet der Feiertag Tag der Barmherzigkeit statt. Er wurde von Johannes Paul II. 2000 während der Heiligsprechung der Ordensschwester Faustyna Kowalska eingeführt und wird seit dem an jedem ersten Sonntag nach Ostern gefeiert. Ideengeber zur Auswahl des Tages soll laut Papst Franziskus Kardinal Stanislaw Dziwisz gewesen sein, der ein enger Vertrauter und Privatsekretär des polnischen Papstes war. Im Gespräch war auch Anfang Dezember für die Heiligsprechung; von diesem Datum wurde jedoch abgesehen, da die Anreise zum Vatikan für viel Pilger durch die Witterungsbedingungen wesentlich umständlicher gewesen wäre. Besonders aus Polen werden wahre Pilgerströme erwartet – polnische Medien bezeichnen das Ereignis dementsprechend als historisch.
Der Weg zur Heiligsprechung war für den 2005 verstorbenen Papst relativ kurz – die Seligsprechung erfolgte durch Papst Benedikt XVI., der auch ein enger Vertrauter von Johannes Paul II. war, Anfang Mai 2011. Für die Heiligsprechung wird ein Wunder erwartet, wenn der Bewerber kein Märtyrer war; meist ist es eine wundersame Heilung, die von Medizinern bestätigt werden muss.
Für Johannes Paul II. wurde die Heilung von Floribeth Mora Diaz aus Costa Rica im April 2011 als Wunderheilung anerkannt. Sie soll vor dem Bild des Papstes um die Heilung einer lebensgefährlichen Gefäßerkrankung im Gehirn gebetet haben. Der Fall von Floribeth Mora Diaz ist umso erstaunlicher, da die Heilung am Tag der Seligsprechung erfolgt sein soll. (Quelle 1), (Quelle 2), (Quelle 3), (Quelle 4) (bis hierher Polnisch) und (Quelle 5). (Deutsch)
Initiative fordert Verschärfung des Abtreibungsrechts
Obwohl Polen eines der schärfsten Abtreibungsgesetze in ganz Europa hat, sind viele konservative Politiker und Kommentatoren damit unzufrieden und fordern eine Verschärfung. So geschehen Ende September im polnischen Parlament (Sejm): Die Bürgerinitiative Abtreibungsstop sammelte mehr als 400.000 Unterschriften und bewegte somit die Abgeordneten zur Beratung über eine Änderung der Gesetzgebung zur Abtreibung.
Die Initiative fordert das Verbot der Abtreibung bei Gefahr, dass das Kind schwer krank oder behindert zur Welt kommen könnte. Von der Initiative wird diese Art der Abtreibung als Eugenik bezeichnet – sie fordert mitunter ein Recht auf Leben für Kinder mit Down-Syndrom. Vertreter von Frauenorganisation und linksliberale Kräfte betonen hingegen das Recht der Frau auf Selbstbestimmung. Und gemäßigte konservative Kommentatoren und Politiker sehen den gesamtgesellschaftlich erlangten Abtreibungskompromiss gefährdet.
Im Parlament sprachen sich die rechtsklerikalen Oppositionsparteien Recht und Gerechtigkeit (PiS) und Solidarisches Polen (SP) für die Initiative aus. SP wollte mit einer Gesetzesnovelle schon im Oktober 2012 das Abtreibungsrecht verschärfen. Alle anderen Parteien, somit auch die liberalkonservative Bürgerplattform (PO) sowie die konservative Bauernpartei (PSL) (beide regieren in einer Koalition), sprachen sich dagegen aus. Daher viel erwartungsgemäß die Gesetzesänderung bei der Abstimmung nach erster Lesung durch. Jedoch wurde eine weitere Polarisierung der politischen Szene erreicht.
Die Abtreibung ist in Polen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche unter drei Voraussetzungen möglich, und zwar wenn das Leben oder die Gesundheit der angehenden Mutter gefährdet ist, die Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung zustande kam sowie beim Vorliegen einer absehbaren schweren Erkrankung oder Behinderung des Kindes. Diese Ausnahmen werden in Polen als Abtreibungskompromiss bezeichnet, der 1993 zustande gekommen ist, als die stark von der Kirche beeinflusste Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc großen Einfluss auf die Gesetzgebung hatte. In Zeiten der Volksrepublik Polen war die Abtreibungsgesetzgebung weit weniger restriktiv. Erlaubt war die Abtreibung auch, wenn sich die schwangere Frau in schwierigen Lebensbedingungen befand.
Problematisch sind die restriktiven Regelungen zur Abtreibung auch durch die große Grauzone, die sich in der Folge gebildet hat. Abtreibungen können meist nur im Ausland oder illegal durchgeführt werden. Das führt zu einer zusätzlichen Belastung und gesundheitlichen Gefährdung der Frau – gerade bei illegalen Abtreibungen im Inland. Diese tauchen in Statistiken nicht auf, doch gehen Schätzungen von mehr als 100.000 Abtreibungen jährlich aus. Legal wurden knapp 700 Abtreibungen im Jahre 2011 in Polen durchgeführt. (Quelle 1), (Quelle 2), (Quelle 3), (Quelle 4), (Quelle 5) und (Quelle 6). (Alle Polnisch)
Regierung geht bei Familienpolitik in die Offensive
Die Familie ist in Polen, das im Vergleich zu Deutschland stark konservativ geprägt ist, ein besonders wichtiges Thema. Hinter Oder und Neiße sind Mehrgenerationenhaushalte noch immer weit verbreitet – die Kinder bleiben oft länger bei ihren Eltern, in Großstädten meistens bis zum Ende des Studiums und darüber hinaus. Eine Ursache des stärkeren familiären Zusammenhalts ist, neben dem konservativeren Weltbild, das Sozialsystem. Wer keine Arbeit hat, der landet auf der Straße; Arbeitslosengeld gibt es maximal 240 Euro monatlich (was auch für polnische Verhältnisse nicht zum Überleben reicht) für sechs Monate (zwölf Monate für Arbeitnehmer über 50 mit mehr als 20 Jahren Versicherungszeit). Danach gibt es unter bestimmten Bedingungen Sozialhilfe, die nochmals wesentlich geringer ist. Das fortdauernde Auseinanderdriften der Gesellschaft sowie die Zunahme von Armut und prekärer Beschäftigungsverhältnisse sind eine Folge dieser Sozialpolitik.
Premierminister Donald Tusk verkündete Anfang September auf einer Pressekonferenz, er wolle eine mediale Offensive in der Familienpolitik starten. Die Informationskampagne soll offenbar den Bedürfnissen der polnischen Bevölkerung entgegen kommen und den familiären Zusammenhalt weiter stärken. Laut einer Umfrage vom August 2013 des Meinungsforschungsinstituts CBOS sind 71 Prozent der Polen dafür, dass der Staat durch eine verbesserte Sozialpolitik Anreize zum Kinderkriegen gibt.
So sagte Tusk, umringt von Familien mit Kleinkindern, die Informationskampagne solle auf Fragen abzielen, die oft an verschiedene Institutionen gestellt werden. Zentral stehe dabei die Internetseite Rodzina.gov.pl (Rodzina steht im Polnischen für Familie); doch werden zudem Werbespots im Fernsehen geschaltet, die vorab schon auf dem YouTube-Kanal des Premierminister angesehen werden können. Die Themenfelder der Kampagne sind der verlängerte Elternurlaub, Möglichkeiten des Elternurlaubs für Väter, Gleichstellung und Verantwortung in der Familie sowie die staatliche Förderung der In-Vitro-Fertilisation. Eine bessere finanzielle Förderung der Familie geht mit der Kampagne nicht einher. (Quelle 1), (Quelle 2), (Quelle 3), (Quelle 4), (Quelle 5), (Quelle 6, Video) (bis hierher Polnisch) und (Quelle 7). (Deutsch).
Lukas Plewnia
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