BERLIN. (hu/hpd) Der Glaube ist teilbar, die Menschenrechte sind es nicht. Bürgerrechtsorganisation fordert eine umgehende diplomatische Reaktion der Bundesregierung auf die jüngsten Entscheidungen des Vatikans
Zum heutigen Internationalen Gedenktag der Opfer des Holocaust fordert die Humanistische Union die Bundesregierung auf, den Botschafter des Vatikans einzubestellen, um ihm als Vertreter des Heiligen Stuhls das Befremden und die Missbilligung der Bundesrepublik Deutschland über die jüngsten Entscheidungen des Vatikans zu übermitteln.
Die vor wenigen Tagen getroffene Entscheidung Benedikt XVI. zur Rücknahme der Exkommunikation Richard Williamsons und weiterer Bischöfe der so genannten Pius- Bruderschaft macht nach Ansicht der Bürgerrechtsorganisation deutlich, dass für den Vatikan die Einheit der katholischen Glaubensgemeinschaft immer noch Vorrang gegenüber einem klaren Bekenntnis zu den Menschenrechten und der Religionsfreiheit aller habe.
"Es ist an der Zeit, dass der Apostolische Stuhl die unheilige Tradition seiner Vorgänger beendet und sich endlich klar und deutlich zugunsten der verfolgten und millionenfach ermordeten Juden positioniert", fordert Johann-Albrecht Haupt, der im Vorstand der Bürgerrechtsorganisation für das Verhältnis von Staat und Kirche zuständig ist. Er weist darauf hin, dass die Aushandlung des Reichskonkordats von 1933 zwischen Heiligem Stuhl und Hitler-Regime durch den späteren Papst Pius XII., aber auch dessen Zurückhaltung angesichts der Judenverfolgung maßgeblich zur Stabilisierung des Dritten Reiches beigetragen habe. "Wir rufen alle Katholiken, aber auch die Bundesregierung dazu auf, sich für einen verantwortungsvollen Umgang der Katholischen Kirche mit den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern einzusetzen", so der Vertreter der Humanistischen Union.
Die Wiederaufnahme eines ausgewiesenen Holocaust- Leugners in die Reihen der Katholischen Kirche sei ebenso zu kritisieren wie die geplanten Seligsprechung Pius XII. oder die Rückkehr zum vorkonziliaren Karfreitagsgebet. "Die Entscheidung über die Wiederaufnahme von Bischof Williamson in die Katholische Kirche muss revidiert werden", verlangt Haupt. Zwar könne der eingetretene Schaden damit nicht aus der Welt geschaffen werden, ein weiteres Beharren auf der unseligen Entscheidung sei aber noch unerträglicher.
Handlungsbedarf sieht Haupt aber auch für die deutsche Bundesregierung: Sie dürfe nicht tatenlos zusehen, wenn die im Ergebnis des Zweiten Vatikanischen Konzils verhaltenen Erfolge der Demokratisierung, Liberalisierung und Modernisierung innerhalb der katholischen Kirche wieder rückgängig gemacht werden. "Mit ihrem schrittweisen Abrücken von der Erklärung dignitatis humanae stellt die Katholische Kirche die Religionsfreiheit aller Menschen in Frage. Wenn die Kirche weiterhin die freie Selbstbestimmung von Frauen und Schwangeren bei der Empfängnisverhütung und dem Schwangerschaftsabbruch behindert, Frauen den Zugang zum Priesteramt verweigert und Homosexuelle diskriminiert, muss die Regierung stärker auf die Einhaltung menschenrechtlicher Standards in ihren Beziehungen mit dem Vatikan achten."
Sven Lüders