(hpd) Der bekannte Evolutionstheoretiker, Genforscher und Religionskritiker Richard Dawkins unternimmt in seinem Buch „Geschichten vom Ursprung des Lebens" mit seinen Lesern eine „Pilgerreise", welche die Entwicklung des Lebens im Rahmen der Evolution an den unterschiedlichsten Lebewesen verdeutlicht.
Bücher über die milliardenjährige Entwicklung der Lebewesen auf der Erde liegen mittlerweile in den unterschiedlichsten Formen vor: Hierzu gehören knappe Einführungen für ein breites Publikum ebenso wie detaillierte Untersuchungen für einen naturwissenschaftlichen Leserkreis. Der ebenso bekannte wie umstrittene Evolutionstheoretiker und Genforscher Richard Dawkins, der seit 1995 den Lehrstuhl für Public Understandig of Science an der Universität Oxford inne hat, ergänzt diese Berge von Literatur nun durch eine formal und inhaltlich originelle Darstellung. In seinem Buch „Geschichten vom Ursprung des Lebens. Eine Zeitreise auf Darwins Spuren" nimmt er die Leser an die Hand, um mit ihnen eine „Pilgerreise" durch vier Milliarden Jahre Evolution zu unternehmen. Der Homo sapiens bildet dabei den „bevorzugten Ausgangspunkt für eine rückwärtsgerichtete Chronologie", d. h. Dawkins beschreibt und erklärt die Evolution aus der Perspektive des Menschen, „weil wir neugierig auf unsere eigenen Ururahnen sind" (S. 24).
Nachdem er noch einmal kurz die bedeutendsten Belege für die Evolution angesprochen hat schildert der Autor auf den über neunhundert Seiten seines Buchs 39 „Begegnungen" mit anderen Lebewesen, die sich im Laufe der Evolution herausbildeten. Hierbei geht es um die Geschichte der Neandertaler, der Bonobos, der Neuweltaffen, der Nagetiere, der Beuteltiere, der Vögel, der Fische, der Würmer, der Quallen, der Schwämme, der Pilze, der Pflanzen oder der Eubakterien. Wie diese Reihenfolge veranschaulicht, erfolgt dies in umgekehrter Chronologie: Von der Gegenwart des Homo sapiens blickt Dawkins zurück auf die vier Milliarden Jahre bis zum Ursprung des Lebens. Dabei veranschaulicht er, wie sich die Arten vor dem Hintergrund des Wandels der Natur im Rahmen der Evolution entwickelten. Unterbrochen wird diese Darstellung durch Exkurse, etwa zur Kreide/Teritär-Grenze oder zu säugetierähnlichen Reptilien. Ein ausführlicher Bildteil veranschaulicht darüber hinaus die Schönheit und Vielfalt des evolutionären Prozesses.
Dies lässt Dawkins auch abschließend feststellen: „Ich staune nicht nur über die Fülle ungewöhnlicher Einzelheiten, die uns begegnet sind, sondern auch darüber, dass solche Einzelheiten überhaupt auf einem x-beliebigen Planeten vorhanden sind." Das Universum hätte ohne weiteres auch leblos bleiben können. „Die Tatsache, dass das nicht geschah - dass Leben nahezu aus dem Nichts entstand, nachdem rund zehn Milliarden Jahre zuvor das Universum buchstäblich aus dem Nichts entstanden war, ist so atemberaubend, dass jeder Versuch, ihr mit Worten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, töricht wäre" (S. 859). Dawkins staunt gleichwohl nicht nur, sondern positioniert sich auch: So weist er etwa gegen andere Deutungen der Evolution wie etwa von Stephen Jay Gould darauf hin, dass es in diesem Entwicklungsprozess sehr wohl einen Fortschritt gegeben habe. Phänomene wie „der additive Aufbau komplexer Anpassungen wie des Auges" ließen „stark auf eine Art Fortschritt schließen", insbesondere im Kontext der „konvergenten Evolution" (S. 832).
Mit „Geschichten vom Ursprung des Lebens" liegt ein voluminöser Band vor, welcher beeindruckend, faktenreich und plastisch die evolutionäre Entwicklung der unterschiedlichen Lebewesen beschreibt und erklärt. Dawkins liefert dabei keine grundlegend neuen Erkenntnisse, was aber auch nicht die Absicht dieses Werkes ist. Vielmehr möchte es die Komplexität der Evolution anhand der unterschiedlichsten Lebewesen verdeutlichen. Dies gelingt Dawkins in beeindruckender Weise. Gleichwohl wird der Leser durch die gewählte Darstellungsform auch von Informationen „erschlagen". Anders formuliert: Bei der detaillierten Schilderung der Geschichte des Gorillas, des Schnabeltieres oder der Taufliege gehen die eher allgemeinen Aussagen und Erkenntnisse etwas unter. Zwar findet man am Ende von „Geschichten vom Ursprung des Lebens" noch ein besonderes Kapitel, das die wissenschaftliche Debatte mit ihren Deutungen behandelt und kommentiert. Die Dawkins doch eigentlich wichtigen Kernpunkte gehen dabei allerdings etwas unter.
Auch die Frage nach der letzten Ursache für die Entstehung des Lebens lässt er dabei offen. Dawkins meint, es gebe hierzu eine ganze Reihe von Theorien. Möglicherweise setze sich im Laufe der Zeit eine mehr oder weniger einheitliche Meinung durch. „Selbst wenn es so sein sollte, habe ich meine Zweifel, ob sie sich durch direkte Befunde belegen lässt, denn diese sind nach meiner Vermutung alle in Vergessenheit geraten" (S. 811). Über die Auffassungen von Anhängern des Intelligenten Design und des Kreationismus, welche von der Wirkung eines Schöpfers ausgehen, finden sich hier und da immer wieder spöttische Bemerkungen. Dawkins schließt sein Buch mit einer beachtens- und diskussionswürdigen Begründung für seinen Atheismus: „Ich bin genau deshalb ein Gegner des Glaubens an Übernatürliches, weil er es auf entsetzliche Weise versäumt, der erhabenen Größe der wirklichen Welt Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Er stellt eine Verengung der Realität dar, eine Verarmung gegenüber dem, was die Wirklichkeit zu bieten hat" (S. 860).
Armin Pfahl-Traughber
Richard Dawkins, Geschichten vom Ursprung des Lebens. Eine Zeitreise auf Darwins Spuren. Unter Mitarbeit von Yan Wong. Aus dem Englischen von Sebastian Vogel, Berlin 2008 (Ullstein-Verlag), 928 S., 29,90 €
Das Buch ist auch im denkladen erhältlich