Agnostizismus: Freies Denken

(hpd) In einer Monographie zum Agnostizismus, der bisher eher stiefmütterlich behandelt wurde, betrachtet Horst Herrmann in einer Einführung verschiedene Facetten dieser, wie er schreibt, „Lebenshaltung der Moderne".

Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Verlagen, die einführende Darstellungen zu philosophischen Themen oder allgemeinen Wissensaspekten veröffentlichen. Die „Zur Einführung"-Reihe des Junius-Verlags, Hamburg und die „Wissen"-Reihe des C. B. Beck-Verlags, München stehen exemplarisch dafür. Auch der Willey-Verlag, Weinheim verfügt über eine solche Reihe mit dem Titel „Für Dummies". Im Unterschied zu den anderen Einführungen sind die Darstellungen darin noch mehr „heruntergebrochen". Darüber hinaus werden die Texte durch herausgestellte Fragen und Kästen, Symbole und Zitate formal aufgelockert und durch eine ordentliche Prise Humor und Spaß angereichert. Jetzt erschien ebendort auch der Band „Agnostizismus. Freies Denken für Dummies" von Horst Herrmann. Der Autor war 1970 der jüngste Theologieprofessor Deutschlands bis ihm die Kirche die Lehrerlaubnis entzog. Fortan arbeitete er als Professor für Soziologie und veröffentlichte zahlreiche Bücher insbesondere zur Kirchen- und Religionskritik.

Herrmanns Agnostizismus-Einführung besteht aus 16 ganz unterschiedlich langen Kapiteln: Zunächst erörtert er dessen grundlegende Theorien und Praxen und deutet die damit verbundene Auffassung als Lebenshaltung der Moderne. Danach zeigt er agnostisches Denken anhand einer kritischen Auseinandersetzung mit Kirche und Religion auf, wobei etwa die Gültigkeit theologischer Aussagen oder der Monopolanspruch auf richtige Moralbegründungen kritisch hinterfragt werden. In diesem Kontext geht es auch um die erklärte Verneinung durch den Atheismus und die Problematik der Suche nach dem Sinn. Die darauf folgenden Ausführungen widmen sich dann wieder stärker dem agnostischen Selbstverständnis, das als Ausdruck der besonnenen Stimmenthaltung und eines spannenden Lebens referiert wird. Und schließlich präsentiert der Autor in Kurzportraits die wichtigsten agnostischen und skeptischen Denker von den Vorsokratikern bis zu Hans Albert und benennt zehn Gründe für einen agnostischen Lebensentwurf.

Herrmanns Verständnis davon in eigenen Worten: „Beim Agnostizismus handelt es sich - wie beim sogenannten Skeptizismus ... - um kein Bekenntnis doch um eine Lebenshaltung. Sie basiert auf der Annahme, es könne von den Dingen an sich, vom Absoluten kein Wissen geben, schon gar kein endgültiges" (S. 30). „Der Agnostizismus stellt uns die Frage, woher wir eigentlich wissen, dass die Quellen unseres Wissens und erst recht unserer Überzeugungen überhaupt zuverlässig sein können" (S. 33). „Ein neues, freies, agnostisches Denken ist nicht sonderlich bequem. Zumindest wirkt es auf den ersten Blick nicht so. Ich verstehe, dass viele die traditionelle akzeptierte Abhängigkeit der neuen Freiheit vorziehen. Frei zu denken, zu fühlen, zu leben, löst nicht schon allein angenehme Gefühle aus." (S. 134). Und: „Agnostizismus besteht nicht in einer ‚Weder-Fisch-noch-Fleisch'-Bequemlichkeit, sondern im bewussten und mutigen Auf-sich-Nehmen und Aushalten des Paradoxes der menschlichen Existenz und unseres Scheiterns" (S. 210).

Herrmann gelingt es mit leichter Hand, einen informativen und kenntnisreichen Überblick zur Thematik zu geben. Mitunter wirkt manches doch etwas oberflächlich und weitschweifig, was sich wohl mit dem einführenden Charakter von Band und Reihe erklärt. Bedauerlich ist aber, dass der Agnostizismus über weite Strecken des Buches nur in einem Gegensatz zu Kirche und Religion veranschaulicht wird. Dies kann zweifellos als bedeutender Aspekt gelten, gleichwohl wäre die Frontstellung zu anderen Auffassungen noch stärker zu betonen. Inhaltlich findet zwar der Atheismus in einem gesonderten Kapitel Erwähnung, übrigens durchaus mit kritischer Note. Das Verhältnis von Agnostizismus und Atheismus erörtert Herrmann indessen nicht näher.

Armin Pfahl-Traughber

 

Horst Herrmann, Agnostizismus. Freies Denken für Dummies, Weinheim 2008 (Willey-VCH Verlag), 295 S., 19,95 €

 

Das Buch ist auch im denkladen erhältlich.