Unterwegs mit der Buskampagne

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Altmarkt in Dresden / Foto (c) Evelin Frerk

DEUTSCHLAND. (hpd) Am vergangenen Donnerstag fand mit einer ruhigen Abschlussfeier in Berlin, während der auch der Bus verabschiedet wurde, die „Säkulare Buskampagne“ ihren Abschluss. Der hpd sprach mit Carsten Frerk, der die Buskampagne zwanzig Tage begleitet hat, über seine Eindrücke.

 

hpd: In verschiedenen Medien wurdest du als „Organisator der Buskampagne“ beschrieben. Ist das soweit richtig?

Carsten Frerk: (lacht) Nein, aber es ist anscheinend das Bedürfnis vieler Medien, eine Art ‚Rädelsführer’ haben zu wollen, einen, der für alles Verantwortlich ist, und so wurden mindestens drei von uns Sieben, die gerade vor Ort war, dazu unterschiedlich auserkoren. Dass wir sieben Leute mit unterschiedlichen Aufgabeteilungen sind, ist anscheinend schwierig zu vermitteln. Aber es ist insofern richtig, dass ich von der Initiativgruppe die ganze Zeit dabei war.

hpd: Hatte das einen besonderen Grund?

Carsten Frerk: Meines Erachtens sind es drei Gründe. Zum einen bin ich der Einzige der Sieben, der Mitglied in mehreren säkularen Organisationen ist und zu denen vor Ort Kontakt zu halten, war eine meiner Aufgaben. Zum zweiten bin ich vorrangig freiberuflich im Internet tätig und konnte meine Arbeit - zumindest zum größten Teil - von unterwegs aus erledigen und drittens bin ich bereits Großvater, d.h. ich habe keine kleinen oder schulpflichtigen Kinder, die ich zu betreuen hätte.

hpd: Erscheint es dir typisch, dass die Initiatoren der Buskampagne eher unorganisiert sind?

Carsten Frerk: Ja. Ein typisches Beispiel ist dafür Philipp Möller, der Pressesprecher der Buskampagne, der sozusagen das ‚Medien-Gesicht’ der Kampagne war und dessen frische, unbeschwerte Art vielfach positiv als eine Art ‚Neuer Atheismus’ wahrgenommen wurde: Jung, fröhlich, schlagfertig und immer auch einmal zu einer ironischen Bemerkung aufgelegt. Nichts von hausbacken, kopflastig verstaubt oder einem Grimmbart.

hpd: Nun war die Buskampagne ja eigentlich nicht ‚atheistisch’, sondern in den Zuordnungen eher ‚agnostisch’, denn der Hauptslogan hieß ja „Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott.“

Carsten Frerk: Die Buskampagne hat sich als „Säkulare Werbekampagne“ verstanden und insofern ist es notwendig, kürzere, werbewirksame Begriffe zu verwenden. „Agnostiker“ ist recht umständlich zu erklären, bei „Atheist“ wissen die meisten Menschen zumindest, dass es irgendetwas mit „Gottlos“ zu tun hat. Die in Deutschland damit immer noch verbundenen negativen Assoziationen haben wir dabei in Kauf genommen. Vor Ort fanden dann auch die T-Shirts und die Aufkleber mit dem dritten Slogan „Gottlos glücklich. Ein erfülltes Leben braucht keinen Glauben“ große Zustimmung.

 
Bonn                                                         Frankfurt/Main

hpd: Haben diese verschiedenen Slogans vor Ort eine Rolle gespielt?

Carsten Frerk: Einerseits ja, denn wir konnten an ihnen in den täglichen Diskussionen eine redliche Positionierung entwickeln. Andererseits war das aber ziemlich egal, denn alleine das „Kein Gott“ lies die Emotionen teilweise hochschwappen, ohne das der gesamte Satz gelesen oder verstanden wurde.

hpd: Kannst du dafür Beispiele nennen?

Carsten Frerk: In Regensburg hatte der rote Doppeldecker kaum gehalten, da rief eine ältere Frau aufgeregt, gegen den Bus zeigend: „Das hat es seit zweitausend Jahren nicht gegeben! Ihr kommt alle in die Hölle! Wer hat denn das erlaubt?“ In Dresden war es ein älterer Mann, der zornig auf den Bus zeigte und lautstark meinte: „Das hat es ja noch nicht einmal in der DDR gegeben! Der muss weg ... dieser Dreck!“ In Augsburg und Chemnitz hatten sich Singkreise jüngerer Christen aufgestellt, die lauthals und inbrünstig ‚gegen’ den Bus sangen und in Augsburg fingen dann auch noch zu unpassender Zeit die Glocken des Domes an zu läuten. In Münster machte uns ein älterer Mann prompt lautstark für den „Werteverfall“ und „Untergang Europas“ verantwortlich, in Rostock zeigte ein überraschter Christ aus Thüringen auf den Bus und verkündete: „Vollidioten! Natürlich gibt es Gott!“ Und so weiter.

hpd: Habt ihr das sehr ernst genommen?

Carsten Frerk: Nun, es ist schon nervig, insbesondere wenn es dann beispielsweise Jüngere sind, die mit höhnischen Bemerkungen, wir seien wohl des Teufels, eine Lage Aufkleber zerreißen und über den Infotisch verstreuen. Aber ich habe diese Leute dann unter „Pöbel-Christen“ subsummiert, es war zudem auch nur die Minderzahl.

 
Heidelberg                                                  Tübingen

 
Ulm                                                           Augsburg

hpd: Gab es viele Diskussionen am Bus?

Carsten Frerk: Ja, reichlich, und ich kann mittlerweile auch das Wort „Gott“ nicht mehr hören. Allerdings muss man dabei meines Erachtens grundsätzlich festhalten, dass der Bus - mit dem davor stehenden Infotisch -, wohl vorrangig die mitteilungsfreudigen bzw. die emotional angesprochenen Christen herbeigeholt hat. Zwei Beispiele.

Augsburg. Eine Frau, um die fünfzig, hat mich eine Zeit lang beobachtet und kommt dann an den Infotisch. „Wollen Sie denn keine Erlösung?“ „Wovon soll ich denn bitte erlöst werden?“ frage ich sie zurück. „Von den Sünden!“ „Ich begehe keine Sünden.“ „Ich täglich. Im Geiste, im Wort und im Handeln.“ „?“ „Ja, und Jesus hat mich schon mehrmals gerettet, als ich aus dem zweiten Stock gefallen bin, als ich ertrunken bin,...“ „?“ „Und Jesus liebt auch Sie!“ Das haben mir in der dann folgenden halben Stunde noch mehrere andere, eher ältere Frauen beteuert.

München. Ein Mann wartet neben unserer Blumen-‚Haltestelle’ und schaut mich fragend an. Als ich näher an ihn herangehe und ihn frage: „Kann ich etwas für Sie tun?“ betrachtet er mich und fragt dann nach einer Weile. „Sind Sie gottlos glücklich?“ Ich antworte: „Ja.“ Er schaut traurig: „Armer Mann.“

Auf Philipp Möller ging, ich denke es war in Bonn, ein nettes älteres Paar zu und die Frau sprach ihn mit milder Stimme an: „Junger Mann, Sie machen doch einen so freundlichen und höflichen Eindruck. Was ist denn in Ihrer Kindheit, in Ihrer Familie geschehen, dass Sie vom Glauben abgefallen sind?“

hpd: Hast du dafür eine Erklärung?

Carsten Frerk: Nein, noch nicht. Es ist aber mein Eindruck, dass die Leute, mit denen wir in Kontakt kamen und die sich als Christen bezeichneten, egal ob sie aggressiv oder freundlich waren, die super-freundlichen vielleicht noch am stärksten, von einer derart runden bzw. arglosen Selbstgerechtigkeit waren, die mich doch sehr überrascht hat. Da war keinerlei Facette einer Selbstkritik oder der Ansatz eines Bewusstseins oder einer Toleranz, dass Nicht-Religiöse auch normale Leute sind.

hpd: Hat es die angekündigten tätlichen Angriffe gegeben?

Carsten Frerk: Nein, es blieb bei den verbalen Attacken. Es scheint allerdings eine spezifische Erwartung auf Krawall zu bestehen. In München kommentierten Journalisten unser Vorhaben, am Sonntag mit dem Doppeldecker durch das bayerische Alpenvorland unter anderem nach Bad Tölz, Wildbad Kreuth und Kloster Schäftlarn zu fahren, mit der Ankündigung: „Die werden euch dort steinigen“. Nichts war und auffallend viele Menschen waren dort fröhlich, als sie den Bus erkannten und haben zustimmend gewunken oder einen Daumen hoch gehalten.

hpd: Was hat dich besonders beeindruckt?

Carsten Frerk: Die Gottlosen, die uns begegneten. Sie sind stiller, weniger laut und eher einzeln. Zwei Beispiele.

Eine ältere Dame, sehr feines Haar und elegant gekleidet, bleibt in Münster am Aegidiimarkt stehen. Sie trägt auf der linken Hand eine Schale mit roten Balkonblumen und betrachtet den Schriftzug auf dem Bus. Dann dreht sie den Kopf wieder etwas nach links und liest den Schriftzug noch einmal, als würde sie ihn jetzt erst verstehen. Nun bin ich gespannt, ob etwas passieren wird. Abrupt setzt sie sich in Bewegung, geht auf die offene vordere Tür zu und sagt mit klarer, bestimmter Stimme: „Das wird nun auch einmal Zeit, dass Sie hier in die Stadt kommen, in dieses schwarze Kaff.“ Sie dreht sich um und geht.

Ebenfalls in Münster. Die Türen des Busses sind gerade zur Abfahrt geschlossen, als ein Mann, mittleres Alter, kräftige Gestalt, von außen kräftig gegen die Tür klopft und nach dem Öffnen der Türflügel heraussprudelt: „Ich habe gelesen, dass Sie heute in der Stadt sind und nun habe ich Sie hier gerade stehen sehen. Wo gibt es Informationen über Ihre Aktion?“ Wir nennen ihm die Internetseite, er tritt einen Schritt zurück, bedankt sich und sagt: „Weiter so! Und gute Fahrt!“

Und immer wieder waren es Männer und Frauen verschiedener Altersstufen, die uns einfach zunickten, lächelten und schlicht sagten: „Gut, das Ihr das macht. Danke.“

hpd: Gibt es für dich eine Art vorläufiges Resümee?

Carsten Frerk: Die vielen Eindrücke müssen sich sicherlich erst ‚setzen’, aber ich habe den Eindruck, dass die Bevölkerung in Deutschland insgesamt gesehen gegenüber Nicht-Religiösen toleranter ist, als es Politiker, Kirchenvertreter und Theoretiker vermuten lassen. Insofern hat der Ansatz der Buskampagne, die Nichtgläubigen öffentlich zu bestärken, seine Richtigkeit bewiesen. Andererseits haben viele Beispiele die immer noch vorhandene Intoleranz mancher Christen gezeigt und ich meine, dass es auch in Deutschland mehr „fundamentalistisch“ orientierte Christen gibt, als ich es vor der Fahrt angenommen hatte.

 
Chemnitz                                                    Dresden

hpd: Wird es mit der Buskampagne weiter gehen?

Carsten Frerk: (lacht) Nein, für mich auf jeden Fall nicht. Im Laufe der kommenden Tage werden wir noch die Kostenübersicht erstellen und auf der Internetseite veröffentlichen. Dann werden wir wahrscheinlich noch eine Art Zusammenfassung schreiben. In ein paar Wochen wird es wohl eine DVD mit Videos und Fotografien der Buskampagne geben und dann ist es gut.

hpd: Danke für das Gespräch.

Die Fragen stellte Fritz Harder.

Fotografien (c) Evelin Frerk